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Dokumentarfilm

Michael Moores Trump-Abrechnung „Fahrenheit 11/9“ im Kino

The American Way: Michael Moore setzt bei „Fahrenheit 11/9“ auf emotionale Beeinflussung. Ein Ärgernis befindet tip-Filmredakteur Lars Penning

Foto: Midwestern Films LLC All rights reserved

How the fuck did this happen?“ Wie konnte Donald Trump bei der US-Präsi­dentenwahl 2016 den Sieg davontragen? Das fragen sich seitdem nicht nur vernunftbegabte Menschen weltweit, sondern nun auch Michael Moore in seinem neuen Film „Fahrenheit 11/9“. Mit dem (Titel-)Verweis auf seine Doku „Fahrenheit 9/11“ (2004), in der er seinerzeit auf die tiefgreifenden politischen Veränderungen nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center blickte, macht Moore auch gleich deutlich, für wie groß er die Katastrophe namens Trump tatsächlich hält.

Ausgehend von der Wahl, bei der Trump ursprünglich nur wenig Chancen eingeräumt wurden (wenn man Moores Sammlung von US-Medien-Zitaten glaubt: keine), stellt der Regisseur in seinem Film viele Fragen: Weshalb wurde Trump zunächst nicht erstgenommen? Welche Rolle spielen die Medien dabei? Warum kümmert sich die amerikanische Politik seit Jahrzehnten nicht mehr um die bisherigen Nicht- und jetzigen Trump-Wähler? Welche Auswirkungen hat es, wenn Geschäftsleute den Wählern versprechen, sie würden den Staat wie ein erfolgreiches ­Unternehmen führen?

Und es geht auch um die Fehler der politischen Gegner: Wie konnte es zu der eklatanten Fehleinschätzung der Demokratischen Partei kommen, in den Vorwahlen mit aller Macht die unbeliebte Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin durchsetzen zu wollen? Und kann man diesen Entwicklungen mit ­einer Graswurzelbewegung entgegensteuern? ­Moores Überlegungen sind durchaus berechtigt, und die angesprochenen Themen sind mittlerweile weltweit relevant. Das Problem von „Fahrenheit 11/9“ besteht denn auch nicht in den Fragestellungen oder den Erkenntnissen, die man aus deren Beantwortung ziehen kann, sondern in der Art, in der Michael Moore seine Filme macht.

Argumentation und Analyse werden hier wie immer sehr kleingeschrieben, Vereinfachungen, Übertreibungen, Ungenauigkeiten und die Emotionalisierung des Publikums hin­gegen sehr groß. Am Schluss steht dann sogar noch das absolute No-Go im Reigen sehr bunt durcheinander gewürfelter Begebenheiten und Ereignisse: der unsägliche Hitler-­Vergleich.

Zwar hat Moore von jeher mit dem Stilmittel der Satire gearbeitet, doch mittlerweile meint er es ernst: Der Humor hat sich weitgehend verflüchtigt, geblieben ist nur die permanente Zuspitzung, das Hinarbeiten auf die Punchline. Auch von den persönlichen, hartnäckig-konfrontativen Entscheidungsträger-Interviews früherer Filme hat nun nur noch Moores Selbstgefälligkeit überdauert, mit der er sich hier als allseits hofiertes linkes Gewissen Amerikas in Szene setzt.

Dass man kluge Anti-Trump-Filme auch machen kann, ohne dass der Name des Präsidenten überhaupt fällt, zeigte im vergangenen Jahr der stets sorgfältig und scharfsinnig beobachtende Frederick Wiseman mit zwei neuen Dokumentarfilmen. „Ex Libris: Die Public Library von New York“ handelt in Zeiten der gesellschaftlichen Spaltung vor allem von Teilhabe: an außerschulischer Bildung, am Internet, an kulturellen Veranstaltungen. Und „Monrovia, Indiana“ geht dorthin, wo Trump seine Wähler fand: in eine Kleinstadt in India­na. Zwischen Gemeinderatssitzungen, Festivitäten und Gesprächen im Waffenladen porträtiert Wiseman die Bewohner des ländlichen Amerikas jenseits oft bedienter Klischees. Was letztlich viel besser geeignet ist, die Menschen dort zu verstehen, als Moores mundgerecht servierte linke Demagogie.

Fahrenheit 11/9 USA 2018, 128 Min. R: Michael Moore, Start: 17.1.

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