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Mietschulden-Demo in Berlin: Warnung vor neuer Welle von Fällen ab Juli

Die Corona-Krise könnte viele Berliner Mieter*innen in Bedrängnis bringen: Zahlungsunfähigkeit, Mietschulden, Zwangsräumung. Berliner Initiativen rufen für den kommenden Samstag zur Demonstration auf.

Neubauten gegen Altbauten: In Berlin sind die Preise für Wohnraum sehr unterschiedlich – Mietschulden drohen nun besonders akut. Eine Demo soll aufmerksam machen. Foto: Imago/Gudath
Neubauten gegen Altbauten: In Berlin sind die Preise für Wohnraum sehr unterschiedlich – Mietschulden drohen nun besonders akut. Eine Demo soll aufmerksam machen. Foto: Imago/Gudath

Die Corona-Pandemie wird viele Verlierer*innen hervorbringen, ob Privatpersonen oder Unternehmen. Nur eine Branche scheint gegen das Virus und seine Auswirkungen immun zu sein: die Immobilienbranche. Denn Mieten musste trotz Krise weiterhin gezahlt werden. Die Bundesregierung hatte im März kurzerhand ein Gesetz erlassen, wonach unter anderem vom 1. April bis zum 30. Juni Mietstundungen möglich waren für diejenigen, die auf Grund der Corona-Krise zahlungsunfähig wurden. Zwangsräumungen waren in diesem Zeitraum ebenfalls verboten. Die Frist dafür läuft nun aus.

„Wir fordern einen Erlass der Mietschulden. Denn wir wollen die Vermieter an den Lasten der Krise genauso beteiligen wie die Mieter und die Kleingewerbe“, sagt Kim Mayer vom Berliner Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn. Dieses hat zusammen mit verschiedenen stadtpolitischen Initiativen zur Pressekonferenz in das Kreuzberger Kino Moviemento geladen, um über aktuelle Entwicklungen und die Demonstration kommenden Samstag zu berichten. Unter dem Motto: „Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle!“  ruft das  Bündnis im Rahmen eines bundesweiten wohnpolitischen Aktionstages am 20. Juni auf die Straße.

Die Initiatoren fordern: Mietschulden müssen erlassen werden

Die Initiatoren haben ein Hygienekonzept entwickelt, das primär auf Bewegung setzt, damit sich die Menschenmenge nicht anstaut. So soll der Demonstrationszug am Potsdamer Platz um 16 Uhr losegehen und mit einer Abschlusskundgebung an der Kreuzung Potsdamer Straße/Pallasstraße enden. Dort besteht die Möglichkeit, dass sich die Menschen verteilen und die Demonstration gut wieder verlassen können. Für die erste Auftaktveranstaltung nach dem Corona-Lockdown hätten sich laut Kim Mayer 200 Teilnehmer*innen angemeldet, er rechnet jedoch mit ein bis zwei Tausend.

Zu den Forderungen gehören neben dem Mietschuldenerlass die Durchsetzung des Mietendeckels, dessen Rechtsgültigkeit vom Bundesverfassungsgericht wie auch dem Berliner Verfassungsgericht erneut überprüft wird. Zudem verlangen die Initiator*innen die Bereitstellung von Wohnungen für Obdachlose und Geflüchtete, sowie den Stop der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.

Das Gesetz läuft aus und die Bundesregierung geht in Sommerpause

Dass es mit Ablauf der vom Bundestag gesetzten Frist ziemlich schnell düster werden kann, berichtet Christian von der Berliner Kneipe Syndikat. Ihr Räumungstermin Anfang April wurde ausgesetzt. Vor kurzem hat das linke Kneipenkollektiv wieder geöffnet und jetzt einen neuen Termin erhalten, am 7. August um 9 Uhr soll geräumt werden. Besonders bitter: Die Miete während der vergangenen Monate mussta das Kollektiv dennoch zahlen, obwohl es eigentlich keinen gültigen Mietvertrag mehr hatte.

Ein Schicksal, das so manche von Zwangsräumung bedrohten Privatpersonen oder Kleingewerbe droht. Und wer diese vor Corona nicht schon im Nacken sitzen hatte, könnte in den kommenden Monaten in die brenzlige Lage geraten, seine Wohnung auf Grund von Zahlungsunfähigkeit aufgeben zu müssen.

„Das Absurde an der Sache ist, dass die Bundesregierung jetzt vor der Sommerpause steht. Wenn die Menschen jetzt ihre Miete nicht zahlen können, werden sie in der Sommerpause gekündigt“, sagt Lea Leopold vom Bündnis gegen Mietwahnsinn. Desshalb müsse dieses Corona-Gesetz, auch wenn es nicht perfekt sei, verlängert werden und zudem verbessert, fordert sie. Das hieße in erster Linie: Mietschuldenerlass für die vergangenen Monate und eventuell für die kommenden für Menschen mit krisenbedingtem Einkommensausfall.

Berliner Initiativen rufen zum Kampf gegen Mietschulden auf.
Berliner Initiativen rufen zum Kampf gegen Mietschulden auf. Foto: Ina Hildebrandt

Eine Welle von Mietschulden droht

„Mietstundungen sind nicht ausreichend, weil sie nur Verschuldungen nach sich ziehen. Wie sollen die Leute das auch noch mit Zinsen zurückzahlen?“, sagt Michael Meyer von der Kampagne „Wir zahlen nicht“. Diese wurde während dem Lockdown gegründet mit der zentralen Forderung, dass die Mieten mindestens für diesen Zeitraum erlassen werden solle. Die Kampagne ist mittlerweile bundesweit organisiert und hat zusammen mit der Aktivistengruppe Peng!-Kollektiv eine Website aufgesetzt. Auf dieser wollen die Macher*innen mittels einer Umfrage die finanzielle Situation der Mieter*innen bundesweit ergründen.

Die ersten Rückmeldungen seien bereits einlaufen, so Leopold, die sich ebenfalls bei der Kampagne engagiert. So hätte eine Person die Mietstundung in Anspruch genommen, die meisten jedoch würden auf ihre Ersparnisse oder die Unterstützung durch die Familie zurückgreifen, erzählt sie. Ganz klar: Das Problem mit den hohen Mieten hat sich in der Corona-Krise verschärft und bringt gerade Menschen in einem prekären Arbeitsverhältnis nun an ihre finanziellen Grenzen. Was also tun, wenn die Ersparnisse teilweise aufgebraucht sind und man die Familie nicht weiterhin bitten kann? Leopold prophezeit: „Wir denken, dass jetzt eine große Welle an Mietschulden kommen wird.“

Ein Mietstreik als letztes Mittel?

In Spanien befinden sich bereits seit April tausende Miet*innen in einem Mietstreik. Dort gab es zwar nicht die Möglichkeit einer Stundung und die Finanzkrise 2008 hat stärkere Strukturen hervorgebracht, die sich wohnpolitischen Anliegen widmen – dennoch auch eine Möglichkeit für Deutschland?

 „Für uns ist es durchaus denkbar, dieses Mittel als ein letztes einzusetzen, um unsere Forderungen durchzusetzen“, so Meyer. Neben einem Überblick über die aktuelle Situation der Mieter*innen in der Bundesrepublik wollen sie auch erfahren, inwiefern bei ihnen der  politische Wille vorhanden wäre, in einen Mietstreik zu treten.

Ein Mietstreik bedeutet, dass auch diejenigen in einem Wohnhaus oder ganzen Kiez nicht zahlen, die eigentlich könnten. Damit so ein Streik aus Sicht der Organisatoren erfolgreich wird, braucht es eine große Masse an Beteiligten und eine solide Organisation. Denn Mieter*innen erhalten eine Kündigung, wenn sie zwei Monate nicht gezahlt haben. Meyer und seinen Mitstreitern ist klar, dass sie dieses Risiko nur durch eine enorme Beteiligung und die damiteinhergehende öffentliche Aufmerksamkeit minimieren könnten und betont: „Wir wollen die Möglichkeit dieses Mittels zunächst in’s öffentliche Bewusstsein bringen, aber rufen keinesfalls jetzt zu einem Mietstreik auf.“

Zunächst gilt es, dass die Forderungen nach einer gerechten Verteilung der Krisenfolgen für Mieter*innen und Immobilienbesitzer in der Öffentlichkeit sichtbar werden. Die Wohnungsfrage wird wieder auf der Straße verhandelt.

  • Demonstration „Shut down Mietenwahnsinn – sicheres Zuhause für alle!“, 20. Juni, 16 Uhr, Potsdamer Platz, Tiergarten

Was die Stadt bewegt

Der CSD fand diesmal digital statt. Der Szene-Aktivist meldete kurzerhand eine eigene Pride Berlin 2020 an, um die Probleme der LGBTIQ*-Community wieder auf die Straße zu holen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen. Die Black-Lives-Matter Bewegung hat auch in Berlin ein gewaltiges Echo ausgelöst. Wir stellen Vereine, Initiativen und Kultureinrichtungen vor, die sich für Aufklärung und Empowerpent engagieren.

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