Collagen

Peter Piller bei Capitain Petzel

Kryptisches aus der Steinzeithöhle: Fotograf Peter Piller macht bei Capitain Petzel Geduld hörbar und Zerbrechlichkeit sichtbar

© Peter Piller/ VG Bildkunst, Bonn, Courtesy Capitain Petzel, Berlin

Seit mehr als zehn Jahren zeigen Gisela Capitain und ihr New Yorker Partner Frederick Petzel in der Karl-Marx-Allee im ehemaligen „Ibiza-Club“ immer wieder Ausstellungen auf Weltniveau. Auch aktuell lohnt der Weg in die elegant modernistischen Räume, in denen mit „Geduld“ eine sehenswerte Ausstellung des in Hamburg lebenden Künstlers Peter Piller zu entdecken ist. Der eigentlich als „Peripheriewanderer“ und akribischer Archivar des provinziellen BRD-Alltags bekannte Künstler, der gerne aus Regionalzeitungen schräges Material zu Themen wie „Wurstkontrolle“ oder „Bauerwartungsflächen“ extrahiert, hat sich für diese Ausstellung auf Recherchereise nach Südwestfrankreich begeben, um sich mit der Kultur einer komplett anderen Ära auseinanderzusetzen – der Frühsteinzeit und ihren Höhlenzeichnungen.

Sein besonderes Interesse gilt dabei den „unbestimmten Linien“, die er in frühen wissenschaftlichen Publikationen gefunden hat und nun inklusive ihrer Unschärfen und Fehler reproduziert. Ihnen gegenübergestellt sind vor Ort entstandene Bleistift- und Federzeichnungen des Künstlers, die sich nicht einmal bemühen, wissenschaftliche Objektivität vorzutäuschen. Stattdessen berühren diese eigenwilligen, mit kryptischer Hand gestalteten „Ortszeichnungen“ durch ihre Zerbrechlichkeit und Subjektivität und zeigen ganz nebenbei, wie Erinnerung individuell konstruiert wird. Das komplexe Wechselspiel der verschiedenen Medien und Formate offenbart sich dabei nicht spontan. Es bewusst wahrzunehmen, bedarf – wie der Ausstellungstitel erahnen lässt – Geduld. Diese unterbewerte Tugend kommt im Untergeschoss in der ersten Klanginstallation zu ihrem Recht: In einer minimalistischen Klang-Collage versammelt Piller das in verschiedenen Bach-Kantaten gesungene Wort „Geduld“ – und macht es hörbar an einem Ort, an dem um die Jahrtausendwende die Intensität des Augenblicks gefeiert wurde, als gäbe es kein Morgen.

Capitain Petzel Karl-Marx-Allee 45, Mitte, Di–Sa 11-18 Uhr, bis 3.8

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