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Princes Prinzessinnen: Janelle Monáe und Lizzo kommen mit ihrem knalligen, blitzklugem Pop nach Berlin

Die US-Sängerinnen Janelle Monáe und Lizzo waren Darlings des 2016 verstorbenen Prince. Beide verwalten sein Erbe genial und auf höchst unterschiedliche Art – und stehen doch mit beiden Beinen in der Gegenwart

Janelle Monáe, Foto: JUKO

Wir wollen nicht zu metaphysisch werden. Aber wenn es einen Moment gab, der einer Geisterbeschwörung des 2016 verstorbenen Großmeisters Prince nahekam, dann war es der Abend des 12. April dieses Jahres. Da nämlich trat die US-Sängerin Janelle Monáe auf dem Coachella-Festival auf, Amerikas Klassentreffen der Schönen und Sendungsbewussten. Monáe trug, wie so gern, einen Tschako auf dem Kopf, mit dem sie aussah wie die Anführerin eines intergalaktischen Spielmannszugs, als sie während der Performance ihre Kollegin Lizzo zu sich holte. Die Rapperin, Sängerin und Flötistin enterte die Bühne in Fransenfummel, twerkte entschlossen und feierte: sich selbst. Janelle Monáe und Lizzo, vereint im stolzen Popowackeln. Zwei Popstars der Stunde, die Princes lustvolle, unverschämte Freude am Viel-zu-viel-von-allem-Sein auf eine Bühne der Gegenwart holten.

Natürlich greift es viel zu kurz, zwei Künstlerinnen, die so hell leuchtend für weibliches, schwarzes Selbstbewusstsein stehen wie Janelle Monáe und Lizzo, schlicht als Wiedergängerinnen eines Maestros abzutun. Und doch fällt Princes Name immer wieder als Referenz, wenn es um Monáe und Lizzo geht. Schließlich beschwören nicht nur beide seine schillernde Extravaganz; Prince protegierte beide Stars, die gerade am entscheidenden Punkt ihrer Karriere angekommen sind, zu Beginn ihrer Karriere.

Lizzo, 1988 geboren in Detroit und wohnhaft in Los Angeles, hat sogar ein paar Jahre in Princes Heimatstadt Minneapolis gelebt. Mit ihrem Debüt „Lizzobangers“ von 2013 wurde Prince auf sie aufmerksam und lud sie ein, an seinem Album „Plectrumelectrum“ mitzuarbeiten – kurz, bevor Lizzo mit einer auf Youtube hochgeladenen Selbstermächtigungsansprache ihren ersten kleinen Hype auslöste: In einem Video sprach sie offen und emotional darüber, wie sie ihren dicken Körper lieben lernte. Die grellrote Perücke, die sie zu Beginn noch trug, sollte sie später ablegen; zum Vorschein kam ihr natürliches, krauses Haar.

Lizzo, Foto: Luke_Gilford

Lizzos Botschaft seit jeher: Wir alle sind nicht nur okay, wie wir sind – sondern absolutely fabulous. Das Wort „big“ ist für Lizzo dabei mehr als ein Attribut, um ihren Körper zu beschreiben; vielmehr umreißt es ihr Selbstverständnis als schwarze Frau, die keine Lust hat, sich klein zu machen – sondern fordernd und raumgreifend auftritt. „No, I’m not a snack at all / I’m the whole damn meal“, singt sie in „Juice“ – Ich bin kein Imbiss, ich bin die ganze verdammte Mahlzeit –, um im Refrain zu ihrem Mantra zu finden: „If I’m shinin’, everybody gonna shine.“ Wenn ich strahle, strahlen alle. Zwei Lizzo-Songs, und man glaubt ihr jedes Wort.

Denn so unerschütterlich die Persona ­Lizzo auftritt, so mächtig und mitreißend klingt die Musik, mit der sie ihre Ideen in die Welt schickt. Auf ihrem im April veröffentlichten Album „Cuz I Love You“ knallt sie uns Songs zwischen Soul, Rap, altmodischem Blues und Disco um die Ohren, mit einer Wucht, die keine Zeit zum Verschnaufen lässt. Lizzo zieht ihre Show mit ganz großem Diva-Gestus ab – aber auch immer mit viel Humor: Die Videos sind oft slapstickhaft und überdreht, ihre Querflöte hat Lizzo, in Anlehnung an Beyoncés Alter Ego Sasha Fierce, „Sasha Flute“ genannt.

Lizzos Selbstironie geht Janelle Monáe ab; die große Revue liebt das queere Mädchen, 1985 in eine streng gläubige Familie in Kansas City geboren, trotzdem. Auch Monáes Potential erkannte Prince früh: Er nahm sie mit auf Tour und schaute bei ihrem Album „Electric Lady” von 2013 als Gast vorbei. Während sie sich auf ihrem Debüt „The ArchAndroids” von 2010 noch hinter einem transhumanen Alias versteckte, der Menschmaschine Cindi Mayweather, hat sie sich auf ihrer dritten Platte „Dirty Computer“ aus dem letzten Jahr von Netz und doppeltem Boden verabschiedet: Miss Monáe höchstselbst singt und rappt nun über Rassismus und Geschlechterverhältnisse, in ihren so eleganten wie knalligen, blitzklugen Songs zwischen R’n’B, HipHop, aber eben auch Funk und Synthesizer-Pop, der Papa Prince mächtig stolz gemacht hätte.

Aber trotz Turn zum Nahbaren bewahrt Monáe, ganz Inszenierungsprofi, die auch in Filmen wie dem preisgekrönten „Moonlight” als Schauspielerin zu sehen war, eine Art aristokratischer Würde und Selbstbeherrschung. Sogar, wenn sie und ihre Garde im längst ikonischen Video zu ihrem Song „Pynk”, einer Hymne auf die lesbische Liebe und den weiblichen Intimbereich, durch eine zartrosafarben leuchtende Landschaft tanzen – gekleidet in Pluderhosen, die wie Vulvalippen geformt sind.

Während die intuitivere Lizzo die überbordende Erotik ihres Mentors Prince gepachtet hat, guckt sich Janelle Monáe seine Kunstsinnigkeit und uhrwerkgleiche Präzision als Performer ab. Obwohl Princes Geist also sowohl „Dirty Computer“ als auch „Cuz I Love You” beseelt, obwohl Monáe und Lizzo geschichtsbewusste Künstlerinnen sind, stehen sie doch beide für eine schöne, gerechtere Version der Zukunft. Und vielleicht sogar der Gegenwart. Denn beide schaffen es mittels Zeichensprache, komplexe Themen wie Trans-Inklusivität, Rassismus und Körperbewusstsein – große identitätspolitische Baustellen unserer Zeit – in beflügelnde Popsongs aufgehen zu lassen, die ganz universell verständlich sind. „If you feel like a girl / Then you real like a girl“: So simpel fasst Lizzo das Verhältnis von Sex und Gender zusammen. Monáe leistet Ähnliches. In ihrem „Pynk”-Video trugen manche Tänzerinnen keine Vulva-Hosen – weil man eben keine Vulva braucht, um eine Frau zu sein, wie sie dieses entscheidende Detail kommentierte. So easy, so schön, so hoffnungsvoll stimmend: Wenn sie strahlen, strahlen alle.

Lizzo Mo 8.7., 20 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2, Kreuzberg, ausverkauft

Janelle Monáe Di 9.7., 19 Uhr, Columbiahalle, Columbiadamm 13–21, Tempelhof, ausverkauft

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