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Corona in Berlin

Risikogruppe: „Das System ist völlig unvorbereitet“. Raul Krauthausen über das Corona-Virus

Menschen mit Vorerkrankungen sind von dem Corona-Virus besonders gefährdet und gehören zur Risikogruppe. Wir haben mit dem Inklusions-Aktivisten Raul Krauthausen über seinen Alltag, die Situation in Berlin, Probleme und das überlastete System gesprochen

Der Berliner Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen bei einer Veranstaltung.
Corona-Virus: Der Berliner Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen macht sich für die Belange von Menschen mit Behinderungen stark. Foto: imago images / Becker&Bredel

„Ich spüre viel Angst“, sagt Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen und verweist auf die unklare Lage in Zeiten von Corona. Zwar treffen minütlich neue Nachrichten ein, doch so richtig weiß niemand etwas, die Informationen sind zu ungenau und gerade für Menschen mit Vorerkrankungen oder Behinderungen oft unzureichend.

Das Gespräch mit ihm führen wir über das Telefon, Krauthausen befindet sich in „selbstverhängter Quarantäne“, wie er sagt. „Ich habe noch Glück, ich wohne in einer Wohngemeinschaft und habe Assistenten, ich kann auf Homeoffice umstellen und bislang geht mein Leben wie gehabt weiter. Aber die Bedrohung ist spürbar“, fasst er seine Situation zusammen.

„Ich versuche, den Leuten erst einmal die irrationalen Ängste zu nehmen.“

Krauthausen bekommt täglich zahlreiche Anfragen von Journalisten, Betroffenen, Institutionen. Alle wollen von ihm wissen, was zu tun sei, wie man mit der Pandemie umgehen sollte, als jemand, der gefährdet ist. Das E-Mail-Postfach läuft über, Facebook- und Instagram-Nachrichten häufen sich, das Telefon klingelt. „Doch was soll ich sagen, ich bin kein Mediziner, ich weiß vieles einfach nicht“, sagt er. „Ich versuche, den Leuten erst einmal die irrationalen Ängste zu nehmen.“ Meist sind es Befürchtungen wie: was mit jemandem passiert, der auf Hilfe angewiesen ist und der selbst erkrankt oder was passiert, wenn die Helfer und Assistenten erkranken. Dann wird die Situation sehr ernst. Das weiß Krauthausen allzu gut.

Unter dem Hashtag #Risikogruppe machen Krauthausen und andere Aktivisten in den Sozialen Medien auf die besondere Bedrohung von Menschen mit Behinderungen aufmerksam. Im Netz bekommen sie dafür viel Zuspruch. Dennoch gehen weiterhin Leute unbesorgt in den Park und feiern Corona-Partys. An den schlimmsten Fall, also dass er oder jemand aus seinem unmittelbaren Umfeld sich selbst infizieren könnte, mag er noch nicht denken.

#Risikogruppe: Raul Krauthausen (oben rechts) und weitere Aktivisten machen angesichts der Corona-Pandemie auf die Gefahren für Menschen mit Behinderungen aufmerksam.

Die sozialen Kontakte sind auf ein Minimum beschränkt und Krauthausen konzentriert sich auf seine Arbeit. Was ihn empört, ist der Mangel an barrierefreier Information: „Es ist ein Problem, wenn etwa gehörlose Menschen nicht mit allen Informationen versorgt werden“, stellt er fest. In anderen Ländern in Europa ist das durchaus die Regel. Auch beschäftigt er sich mit den Problemen von Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Die Medien schüren die Angst. Wie soll aber jemand, der unter Angststörungen leidet, damit umgehen?“, auch hier sieht er viele Herausforderungen, die das System derzeit nicht erfüllt. „Das System ist völlig unvorbereitet“, schließt er ab und muss dann gleich zum nächsten Telefonat.

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