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50 Jahre Fernsehturm

So nahmen Menschen aus Ost und West den Fernsehturm wahr

Foto: Imago Images / Jürgen Ritter

Zu DDR-Zeiten konnte man nur vom Fernsehturm aus in den Westen hineinschauen. Inzwischen gibt es Westdeutschland auch im Osten zu sehen, in der Mercedes-Benz Arena zum Beispiel. Da wird schon am 3. Oktober „30 Jahre Mauerfall“ gefeiert, es kommen alle Stars, die der Westen nicht mehr braucht: Dieter Bohlen, DJ Ötzi, Jürgen Drews, Roberto Blanco. Weit weniger trashig wird das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit rund ums Brandenburger Tor – mit Musik, Comedy, Poetry-Slam und Theater. Der arme Fernsehturm hingegen wird zu seinem 50. Geburtstag eher stiefmütterlich geehrt. Für die Öffentlichkeit gibt es kaum mehr als Kinderschminken und Tombola. Wir vom tip Berlin holen das nach! Zwei unserer Redakteure – einer aus dem Osten, einer aus dem Westen – erinnern sich daran, wie der Fernsehturm vor dem Mauerfall auf sie gewirkt hat.

Ost-Berlin 1972. Foto: Imago Images / Gerhard Leber

Diese Narbe durch die Stadt, von oben weithin sichtbar

von Erik Heier

In meiner Erinnerung gibt es dieses helle, schmale Band, das sich durch die Stadt zieht, es muss ein früher Winterabend gewesen sein, Anfang oder Mitte der 80er-Jahre. Dieses Band, das die Stadt in einen helleren und einen dunkleren Teil dieser riesigen Fläche teilt, dieser Fläche die sich zu meinen Füßen erstreckt wie ein unstet gewebter Teppich. Und ich, ein Kind noch, ein früher Teenager vielleicht, drücke mir die Nase an den Scheiben der Aussichts-Etage platt, für das Café haben wir wahrscheinlich keinen Platz mehr bekommen, diese Drehplattform, die eigentlich für den zeitgleich gebauten Dresdner Fernsehturm bestimmt war, wie meine Eltern immer erzählen.

Von oben sehe ich das Brandenburger Tor. Dort endet die Stadt meiner Kindheit, die Hauptstadt der DDR. Dort endet das Land, nein, es endet nicht, es macht eine Pause, auf den Karten ist es oft nur eine weiße Fläche, eine Leerstelle.

Erik Heier

Alles liegt mir zu Füßen an diesem Abend, der Alexanderplatz, das Centrum Warenhaus, das Hotel Stadt Berlin, die Kongresshalle. Und die S-Bahn zieht ihre Bahnen, es sieht aus wie die TT-Eisenbahn, die immer im Winter im Wohnzimmer meiner Eltern aufgebaut wird. Gleise, Weichen, Ampeln, Bahnhöfe. Und Menschen, all die kleinen Menschen. Und mein kindlicher, vielleicht frühjugendlicher Blick folgt der Straße, die nach Karl Liebknecht heißt, dann einen leichten Rechtsknick macht, zum Boulevard Unter den Linden wird, und bis zum Brandenburger Tor reicht. Dort endet die Stadt des Kindes, die Hauptstadt der DDR. Dort endet das Land, nein, es endet nicht, es macht eine Pause, auf den Karten ist es oft nur eine weiße Fläche, eine Leerstelle, dieses „besondere politische Territorium Westberlin“. Von oben, von Fernsehturm, bekommt es ein Gesicht. Und vor dem Brandenburger Tor, wenige Meter davor nur, zieht sich dieses helle Band entlang, die Mauer im Laternenlicht, die, das kann das Kind, der Jugendliche, der ich bin, an diesem Abend nicht erkennen, am Brandenburger Tor so breit ist, dass Jahre später, eine Epoche darauf, sich Menschen auf dieser Mauer in den Armen liegen werden. Aber das ist an diesem Abend nicht mal Zukunftsmusik, es ist unvorstellbar für mich. Aber die Aussicht von hier oben, die ist schon toll, war es wahrscheinlich schon immer, jetzt sind es auf den Tag genau 50 Jahre, dass es den Fernsehturm gibt, diese Aussicht wird immer eine besondere sein. Nur das helle Band in der aufkommenden Nacht, diese Narbe durch die Stadt, das ist jetzt, und zum Glück: Geschichte.

Blick von West-Berlin in Richtung Osten. Foto: Imago Images / Jürgen Ritter

Duell in den Wolken

von Martin Schwarz

Ein Aufeinandertreffen an herausragender Stelle! Es muss so 1996/97 gewesen sein, da hatte die Theaterredaktion unseres Schwestermagazins Zitty eine blendende Idee: ein Streitgespräch zweier wortgewaltiger Linker und Gallionsfiguren der Kleinkunst. Antreten sollten der Ostberliner Puppenspieler Peter Waschinsky gegen den Vorlesepapst Dr. Seltsam aus dem Westen. Ort des Gesprächs: Das sich drehende Café oben im Fernsehturm am Alex. Tja, wie soll man sagen: Die Idee war gut, aber die Welt noch nicht bereit – im Laufe des eher mauen Gesprächs stellte sich heraus, dass sich die beiden gar nicht so sehr aneinander rieben, wie wir das gehofft hatten. Das Duell an herausragender Stelle fiel leider aus.

Mich inspiriert der Anblick des Funkturms an der Avus immer noch mehr als der lange Stab mit der Christbaumkugel.

Martin Schwarz

Vor dem Mauerfall interessierte die Menschen im Westteil der Alex-Fernsehturm nur wenig, schließlich lag er quasi auf einem anderen Planeten. Heute dient er hauptsächlich zur Orientierung aus allen Himmelsrichtungen. Und ich muss feststellen, dass mich der Anblick des Funkturms an der Avus immer noch mehr inspiriert als der lange Stab mit der Christbaumkugel oben drauf.

Technoalpinsten aus Dresden untersuchen 1989 die Außenhaut des Berliner Fersehturms. Foto: Imago Images / Ulli Winkler

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