Musik

Soultrade in Neukölln – Ein Plattenladen mit Seele

Das Soultrade in der Sanderstraße in Neukölln ist eine Anlaufstelle für Vinyl-Liebhaber aus aller Welt. Doch Inhaber Christian Abel berät nicht nur Fans in Sachen Soul, Funk und Jazz, sein Plattenladen ist tief verwurzelt mit dem Kiez.

Soultrade-Chef Christian Abel kann so manch spannende Anekdote aus dem Berliner Nachtleben erzählen.
Soultrade-Chef Christian Abel kann so manch spannende Anekdote aus dem Berliner Nachtleben erzählen. Foto: Dirk Teuber

Vor Jahren sorgte die Digitalisierung dafür, dass sich viele Menschen von ihren Schallplattensammlungen trennten. Musik war schließlich überall konsumierbar – das beste Album der Lieblingsband gab es auch bei Itunes, später bei Spotify, oder es wurde zu Hause auf die Festplatte gezogen. Wozu sollten also Schallplatten und CDs noch als Staubfänger im Regal Platz wegnehmen?

Inzwischen hat ein Umdenken eingesetzt. Einige trauern ihrer Kollektion hinterher und versuchen, sie wieder zu vervollständigen. Sie suchen dann Rat bei Christian Abel. Mit seinem Laden „Soultrade“ ist er seit 1993 an der Sanderstraße zu finden. Hier entdecken Liebhaber von Soul, R&B, Blues, vor allem aber von Jazz, Funk und Hip-Hop, eine große Auswahl – und das ausschließlich auf Vinyl.

Die Stammkunden verlassen sich auf Christian Abels Fachwissen

Seinen ersten Plattenladen eröffnete Christian Abel bereits 1984 an der Dieffenbachstraße. Bereits im „Trash“ pflegte er vorwiegend seine musikalischen Vorlieben für Soul- und Jazz-Schallplatten. Weil das Geschäft gut lief, kam „Scratch Records“ hinzu. Dieser Laden befand sich an der Bergmannstraße, am Kottbusser und schließlich an der Zossener Straße. Hier verkaufte Abel vor allem Punkrock und New-Wave-­Scheiben. 

Nach dem Mauerfall florierte das Geschäft. Nicht nur, dass aus dem Ostteil der Stadt Kunden kamen, die erst jetzt die Gelegenheit hatten, sich endlich die Lieblingsscheiben zu kaufen – durch das Aufkommen der CD erwarben Sammler die gleichen Platten noch einmal in der digitalen Ausgabe.

Ab 1993 begann Christian Abel, Partys zu veranstalten. „Gangster Groove“ hieß die Reihe, bei der er unter anderm im Pfefferberg Soul, Funk und Hip-Hop auflegte. Bis zu 1000 Gäste kamen pro Party. Durch den Easy-Listening- und Trip-Hop-Boom war zudem die Nachfrage nach altem Vinyl enorm. „Das waren goldene Zeiten“, so Abel.

Plattenfirmen fragten nach, ob Hip-Hop- und Soul-Newcomer auf seinen Partys auftreten durften. „Da gab es Autogrammstunden mit den noch unbekannten Black Eyed Peas in meinem Plattenladen“, erzählt Abel schmunzelnd, „die waren dann Jahre später Superstars.“

Auch international eine bekannte Adresse: „Soultrade“ an der Sanderstraße genießt einen hervorragenden Ruf bei Plattensammlern.
Auch international eine bekannte Adresse: „Soultrade“ an der Sanderstraße genießt einen hervorragenden Ruf bei Plattensammlern. Foto: Dirk Teuber

Bis 2015 unterhielt er mit dem „Bohannon“ in Mitte zudem einen eigenen Club. Er war der Treffpunkt der Soul- und Funkszene der Stadt. Er wundert sich noch heute, wie er dies alles neben dem Tagesgeschäft mit seiner Plattenläden schaffte. „Da gehört viel Disziplin dazu“, so Abel.

Doch mit den Streaming-Diensten, bei der Musik im Abo praktisch immer und überall abrufbar ist, verlor der Tonträger, egal ob auf Vinyl oder CD, an Bedeutung. Es kam zu einem dramatischen Einbruch bei der Nachfrage. Das Ende von Schallplatte und CD schien praktisch besiegelt. Nach und nach schlossen die Plattenläden.

Was nützt es, rare Platten überteuert anzubieten?

Anders für Christian Abel und seinem Laden „Soultrade“. 40 Prozent seiner Besucher sind Stammkunden. „Die wissen ganz genau, was sie wollen“, sagt Abel. Es gibt auch Kunden, die nur in den Grabbelkisten nach besonders günstigen Angeboten suchen. Ob Musik-Nerd, Gelegenheitskäufer oder Tourist – jeder bekommt die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt. Zudem erlebt das Vinyl seit einiger Zeit wieder eine Renaissance.

Und die Preise sind bei „Soultrade“ moderat. „Was nützt es, rare Platten überteuert anzubieten?“, fragt Abel und fährt fort: „Wenn die Kunden spüren, dass sie nicht abgezockt werden, kommen sie wieder.“ Dazu kommt sein Fachwissen, das besonders seine Stammkunden schätzen: „Sie verlassen sich einfach auf unser Urteil“, freut sich Abel. Inzwischen kommen auch viele Touristen extra für den Laden nach Berlin.

Kurz vor dem Lockdown war Christian Abel sehr überrascht: „Viele wussten, dass ich vorübergehend schließen muss, und haben extra noch einmal Platten oder Gutscheine gekauft“, sagt er gerührt. Es ist ein Plattenladen mit Seele.

Soultrade Sanderstraße 29, Neukölln, Tel. 694 52 57, Mo–Fr 12–20 Uhr,
Sa 11–18 Uhr


Mehr Musik in Berlin

Soultrade ist nicht der einzige nette Plattenladen in Berlin. Konzerte finden bisher nur wenige statt – und besonderen Bedingungen. Auch deshalb haben nun Kulturschaffende eine neue Initiative gegründet – „One Berlin“. Auch in den Clubs der Stadt treten derzeit keine Musiker*innen auf – dafür gibt es neue Konzepte in Zeiten der Krise. Ganz die Hoffnung aufgeben wollen wir aber noch nicht. 2020 sind durchaus noch einige tolle Shows geplant. Und wenn es wider Erwarten doch so gar nicht mehr wird – diese Konzerte sollten uns 2021 Freude bereiten.

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