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Kommentar

Freizeit in Berlin: Der frühe Vogel kriegt noch ein Ticket

Ob Schwimmbad- oder Museumsbesuch: In Corona-Zeiten bestimmen Ticket-Vorverkauf und Zeitfenster die Freizeitgestaltung in Berlin. Man kann zwar überall dabei sein – aber nur, wenn man schnell und gut organisiert ist. Ein Kommentar von Ina Hildebrandt.

Wer nicht rechtzeitig ein Ticket gebucht hat, hat bei der Gestaltung seiner Freizeit in Berlin das Nachsehen. Foto: imago images/Camera 4
Wer nicht rechtzeitig ein Ticket gebucht hat, hat bei der Gestaltung seiner Freizeit in Berlin oft das Nachsehen. Foto: imago images/Camera 4

„Hat jemand ein Ticket für das Prinzenbad heute übrig? Für Humboldthain?? Für das Insulaner???“  – verzweifelte Hilfsgesuche meiner Freunde auf Instagram. Derweil bequatsche ich die Mitarbeiterin vom Radialsystem am Telefon, ob ich nicht doch irgendwie Tickets für die kommende Ausstellung am Wochenende bekommen kann. Keine Chance. Alle Zeitfenster während der viertägigen Präsentation seien bereits seit Wochen ausgebucht. Auch für eine andere Veranstaltung am übernächsten Tag bekomme ich per E-Mail eine Absage: zu voll.

Willkommen in der Corona-Freizeit-Normalität. Hier zählen Schnelligkeit und Planungstalent.

Die Corona-Lockerungen und die damit einhergehenden Hygienekonzepte machen’s möglich, dass wir wieder in das Freibad gehen, Ausstellungen besuchen oder sogar in unseren Lieblingsclubs abhängen können.

In Anbetracht der Tatsache, dass wir nach wie vor von diesem Virus umgeben sind und in anderen Ländern krasse Ausnahmezustände herrschen, können wir uns ganz schön glücklich schätzen. Aber Jammern liegt in der Natur des Menschen und in der deutschen wohl besonders. Und es ist nun mal wirklich nicht so einfach.

Beschränkte Kapazitäten erfordern einen Organisationsaufwand

Denn die Möglichkeiten der wunderbaren Berliner Freizeitwelt enden da, wo aufgrund der Abstandsregel die Gästekapazitäten beschränkt sein müssen. Daher koordinieren viele Veranstalter und Freizeiteinrichtungen ihre Besucherzahlen mit Ticketverkäufen. Das bedeutet für uns einen Verlust von Spontaneität – und nötigt zum ständigen Vorausplanen.

So sollte man am besten schon heute wissen, dass man in einer Woche in das Freibad seiner Wahl gehen möchte, sich dementsprechend mit Familie beziehungsweise Freunden absprechen und auf gutes Wetter hoffen. Denn bis zu sieben Tage im Voraus kann man sich für ein Zeitfenster online einbuchen und mittlerweile sind die meisten Bäder bis zum letzten Tag dieser Zeitspanne ausgebucht. Die Berliner Bäder-Betriebe werden sich schon etwas dabei gedacht haben. Aber es nervt halt, wenn man grundsätzlich nicht zum Menschenschlag der „Frühbucher*innen“ gehört.

Schlange stehen vor dem Sommerbad Kreuzberg – wer keine Karte vorab ergattern konnte, braucht gar nicht erst kommen. Foto: Imago Images/Contini

Eine kürzere Vorlaufzeit von drei, vier Tagen hätte es auch getan. Wenigstens kann man mit etwas Glück noch kurzfristig Eintrittskarten auf Ebay-Kleinanzeigen oder in Facebook-Gruppen finden – auch wenn es zu Beginn hieß, ein Wiederverkauf sei unerwünscht wegen der Hygienebstimmungen.

Freizeit in Berlin: Tickets besorgen oder elendig lange anstehen

Ebenfalls fatal: sich kein Ticket im Vorverkauf für das Open-Air besorgen und weder mit Türsteher*innen, Barpersonal noch Veranstalter*innen befreundet sein. Wir Berliner*innen sind zwar gut trainiert im Schlange-stehen. Laut Erfahrungsberichten aus dem näheren Umfeld gehen die Einlassprozeduren jedoch wegen der Hygienemaßnahmen recht langsam voran und irgendwann kommt eh nur noch jemand rein, wenn jemand anderes rausgeht.

Das wäre nicht so dramatisch – wenn nicht, wie momentan, spätestens um 22 Uhr die Musik abgedreht wird. Selbst das Feiern erfordert vorausschauendes Handeln.

In der kalten Jahreszeit wird sich die Situation verschärfen

Aber auch dort, wo wir es gewohnt sind, Tickets vorab zu kaufen, wird sich die Lage zuspitzen. Kinos und Theater werden zwar wieder eröffnen, aber mit deutlich reduzierter Zuschauerzahl. So stehen jetzt zum Beispiel im Berliner Ensemble von den rund 700 roten Klappstühlen nur noch 200 im Saal.

Und wenn schon an warmen Sommerabenden zu viele Leute sich Kunst in geschlossenen Räumen geben wollen, wie wird das erst im Herbst und Winter sein – wenn das Leben auf der Straße wieder abkühlt? Wenn die vielen Open-Air-Kinos auch wieder dicht machen? Und die Berliner Clubs ihre Gärten, die derzeit für Kunst und Party genutzt werden, wieder zusperren? Und gleichzeitig wieder mehr Tourist*innen kommen, die auch ihren Spaß haben wollen?

Womöglich werden wir eine neue Art von Freizeitstress erleben. Waren wir zuvor vom Druck getrieben überall, dabei sein zu wollen, wird es bald darum gehen, überhaupt irgendwo dabei zu sein. „Hat jemand noch eine Karte für’s Kino heute Abend übrig? Für’s Theater?? Für irgendetwas???“


Mehr Freizeit in Berlin

Wer keine Tickets fürs Freibad mehr bekommen hat, kann Berlin trotzdem im, am und auf dem Wasser erleben – auch ganz ohne Eintrittskarte. Ihr habt keine Ahnung, was los ist in der Stadt? Damit ihr nicht planlos dasteht und die besten Events nicht verpasst, haben wir für euch hier unsere wöchentlichen Veranstaltungstipps. Hier geht es weniger um Schnelligkeit, als um Glück: wir verlosen Eintrittskarten für den Saisonstart der Berliner Philharmoniker.

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