Steglitz lohnt sich. Der Berliner Südwesten steht nicht unbedingt auf den To-Do-Listen von Tourist:innen in Berlin, und auch viele Locals vernachlässigen ja alles, was außerhalb des Rings liegt. Was es umso entspannter für die Steglitzer:innen macht. Schließlich lässt es sich dort gut aushalten, von Parks über Läden, Cafés und Kulturzentren hat der Bezirk vieles, was man für ein gutes Leben braucht. Na gut, vielleicht keine Clubs, aber immerhin coole Bars. Wer auf Wohnungssuche ist, die Stadt besser kennenlernen oder einfach mal was Neues erleben möchte, sollte Steglitz im Blick behalten. Hier sind 12 Gründe, warum.
Der Bierpinsel eignet sich immer für ein Fotoshooting
Liebevoll als „Bierpinsel“ bezeichnet, kennen viele Berliner:innen Steglitz vor allem seinetwegen. Das Gebäude gehört zu den spektakulärsten der Stadt und eignet sich immer für ein Fotoshooting. Das 47 Meter hohe architektonische Markenzeichen des Bezirks steht unter Denkmalschutz. Demnächst ist ein Anstrich im ursprünglichen Ochsenblut-Rot sowie eine Bepflanzung geplant. Götz Fluck, der aktuelle Eigentümer des Bierpinsels, plant unter Anderem eine Büronutzung, sowie im obersten Stockwerk einen Gastronomiebereich, im Idealfall mit Dachterrasse. Die Begrünung scheint für ihn zentral zu sein, da er sich als Namen für das Gebäude eher etwas wie „Lebensbaum“ statt Bierpinsel wünscht. Den Spitznamen findet er „despektierlich“. Ob sich das durchsetzen wird, sei dahingestellt. Bis das alles umgesetzt wird – wenn überhaupt – dürfte noch einige Zeit vergehen. Bis dahin bestünden grundsätzlich auch Chancen und die Bereitschaft zur Zwischennutzung. Apropos…
Steglitz hat ein temporäres Kulturzentrum: Den „ZiK-Kulturspäti“
Selbst wer Steglitz nicht so gut kennt, hat wohl schon vom Steglitzer Kreisel gehört. Ein Problemkind der Berliner Immobilien-Landschaft: Asbest, Skandale, Leerstand. Nachdem im Sockel des Hochhauses zuletzt wieder Leerstand herrschte, organisiert aktuell eine Initiative die Zwischennutzung des ehemaligen Globetrotter-Geschäfts. Die Veranstalter des „ZiK“ haben die ehemalige Filiale des Outdoor-Ausstatters in ein temporäres Kulturzentrum verwandelt. Die Initiative liefert ein Konzept, teuren Leerstand zu minimieren und die jeweilige Fläche kulturell zu beleben, wie diesmal als „Kulturspäti, Galerie, Eventspace & Roller Disco“. Der Name „ZiK“ bedeutet sowohl „Zentrum für internationale Künste“ als auch „Zeit ist Knapp“. Die Genehmigung zur Zwischennutzung gilt zunächst bis Juli, also nichts wie hin da.
- ZiK (Zeit ist knapp/Zentrum für internationale Künste) Schloßstr. 20, Steglitz, weitere Infos zu Öffnungszeiten und Events hier
Café Baier: Frühling auf der Terrasse des Jugendstilcafés
Das kann Steglitz wirklich: Café-Kultur. Eine Institution im Berliner Süden ist zum Beispiel das Café Baier, eine kleine Flucht zwischen den vielen Shoppingläden auf der Schloßstraße: Eine blaue Markise zeigt den Weg ins Café, eine schmale Treppe führt nach oben in den stuckverzierten Raum. Unter Kronleuchtern sitzend könnt ihr ausgiebig Frühstücken, Mittagessen, Kaffee trinken. Das Publikum ist bunt gemischt, das erste Date von aufgeregten Student:innen findet hier nur einen Tisch weiter statt vom hundertsten des berenteten Pärchens. Die Einrichtung und Energie des Ortes erinnern ein bisschen an die legendären Wiener Kaffeehäuser – wobei es nicht ganz so weitläufig ist. Das macht andererseits auch seinen gemütlichen Charme aus. Noch mehr Platz gibt es auf der zugehörigen Terrasse, die mit Efeu bewachsen ist. Dadurch ein sehr guter Ort für die ersten warmen Tage.
- Café Baier Schloßstr. 26, Steglitz, Mo–Fr 9–20 Uhr, Sa 10–20 Uhr, So 10–18 Uhr, mehr Infos hier
Neuer Konzertsaal in Steglitz: Tonhain-Kollektiv mischt Berliner Kammermusikszene auf
Sogar der Vorstand besteht aus einem jungem, internationalen Team – an Spitzenmusiker:innen. Das Tonhain Kollektiv hat sich zur Aufgabe gemacht, das Image der Kammermusik aufzubessern und einen Raum an der Schnittstelle von klassischer Musik mit Kunst, Digitalisierung und anderen Bereichen zu schaffen. In dem ehemaligen Steglitzer Kino finden in einem etwa 200 Quadratmeter großen Saal Konzerte statt. Einerseits wollen die jungen Musiker:innen zu Gesprächen anregen, indem sie futuristische oder unbekannte Stücke präsentieren, andererseits suchen sie eine Balance mit beliebten Stücken, die einfach Spaß machen. Hier finden regelmäßig Konzerte statt, ob experimentell oder klassisch könnt ihr euch aussuchen. Die Umbauarbeiten sind gerade erst fertig: Bisher fahren vor allem richtige Kenner:innen hin, der Ausflug ist also eine Chance, von Anfang an mitzureden.
- Tonhain Thorwaldsenstr. 26, Steglitz, mehr Infos hier
Hamburg-Feeling am Steglitzer Hafen
Mit ein bisschen Fantasie kommen Urlaubsgefühle auf. Oder mit ein bisschen Vorbereitung. So könntet ihr euch zum Beispiel einen Picknickkorb packen, einen Liegestuhl schnappen und euch damit für eine Nachmittags-Limo oder einen Aperitif ans Ufer setzen. Der Steglitzer Hafen kann zwar nicht mit dem Wannsee mithalten, geschweige denn mit den eindrucksvollen Kränen vom Hamburger Hafen, aber mit Blick auf alte Industriegebäude (Tipp folgt gleich) und Abendsonne, die sich im Teltowkanal spiegelt, kann man nicht meckern. Und es gibt ja doch einige Orte in Berlin, die sich echt norddeutsch anfühlen.
- Steglitzer Hafen Teltowkanal, Steglitz
Lost Places sehen, bevor sich doch etwas verändert
Offiziell stehen viele „Lost Places“ ja unter Denkmalsschutz, aber so ganz sicher sein kann man sich nie. Die Abrissbirne wartet in dieser Stadt oftmals schon sehnsüchtig auf ihren Einsatz. Auch in Steglitz existieren einige besondere Orte, die nicht abgerissen werden sollten, weil sie wirklich besonders sind. Das ehemalige Stadtbad Steglitz steht seit mehr als 20 Jahren leer, trotz einzigartigem Charme. Einige dürften das große Schwimmbad mit Kuppelbau aus der Serie Babylon Berlin kennen, wo es in einer Szene als Kulisse diente. Außerdem sehenswert, bevor sie vollends verfällt, ist die Villa Hinderer. Die alte Backsteinvilla bröckelt unter Efeuranken wie ein Märchenschloss vor sich hin, und wird wohl kaum vor der Zersetzung gerettet werden. Weitere besondere Villen in Berlin findet ihr hier. Zuletzt lohnt sich ein Besuch des ehemaligen Kraftwerks am eben erwähnten Teltowkanal, das früher der Stromversorgung des Bezirks diente. Dessen Schicksal ist ebenfalls unklar. Neugierig geworden? Das sind spannende Lost Places in Berlin.
- Stadtbad Steglitz Bergstraße 90, Steglitz
- Villa Hinderer Beymestraße 16, Steglitz
- Kraftwerk Steglitz Birkbuschstraße 40–44, Lankwitz
Geheime Familienrezepte seit 1949: Currywurst vom „Zur Bratpfanne“-Imbiss
Vom RBB zum Kultimbiss Nummer 1 gekürt, hält „Zur Bratpfanne“ in Steglitz seit 1949 stabil die Stellung. Ganz wichtig ist dabei natürlich der Ketchup nach streng geheimen Familienrezept. Als Spezialität verkaufen sie die Currywurst „ohne“, aber auch wer „mit“ will, bekommt das natürlich. Oder doch eine Rostbratwurst? Diese muss den Betreiber:innen zufolge aber natürlich gegrillt, nicht gebraten, werden. So oder so, hier gibt’s das Original und wie in ihren 10 Geboten steht „ordentlich was auf den Teller für’s Geld“.
- Zur Bratpfanne Lepsiusstr. 36, Mo–Sa 10–1 Uhr, Sa 13–21 Uhr, mehr Infos hier
Ehrlich Retro: Sport Discount
Auch dieser Laden hält, was er verspricht. Schon das Ladenschild passt genau zu der Innenausstattung. Stöbern zwischen Adidas und Nike, Ellesse und Fila. In dem Geschäft kann man genauso eine gemütliche Jogginghose wie besondere Sneaker finden. Und weil es eben kein exklusiver Vintage-Pop-Up ist, sondern ein Marken-Discount, findet ihr mit etwas Glück auch coole T-Shirts aus den 80ern und 90ern für wenig Geld. Immer mehr junge Student:innen und Künstler:innen ziehen nach Steglitz, also lohnt sich bestimmt ein Besuch, bevor die besten Stücke weg sind!
- Sportdiscount Berlin Rheinstr. 49, Mo–Fr 10–18.30 Uhr, Sa 10–16 Uhr, mehr Infos hier
Dosenwerfen und Achterbahn bei der Steglitzer Woche
Berlin hat nicht genügend Volksfeste. Finden wir jedenfalls. Jahrmarkt, Kirmes, wie auch immer sie genannt werden – sind nicht besonders im Stadtbild vertreten. Dabei kann es wirklich Spaß machen, in der Nachmittagssonne über die zum Rummel verwandelten Wiesen oder Parkplätze zu schlendern. Steglitz kümmert sich drum: Im Mai steht traditionell die Steglitzer Woche an, wie die meisten Jahrmärkte etwas skurril, aber super lustig. Zwischen Wilder Maus und Achterbahn könnt ihr Bowle trinken und Zuckerwatte essen.
- Steglitzer Festwoche 2025 Festpark am Teltowkanal (Bäkestraße), 23.5.–9.6., mehr Infos hier
Irish Pubs: Pubcrawl zum May Day oder einfach jederzeit
Klar, Steglitz ist nicht Kreuzberg und die Bardichte lässt manchmal zu wünschen übrig. Aber eines kann die Gegend wirklich – und das sind Irish Pubs. Gleich mehrere befinden sich in Laufnähe voneinander und laden so geradezu zu einer Pub-Crawl ein. Am ersten Mai wird in Irland May Day gefeiert, ein guter Anlass also, um feierlustige Iren und Irinnen auf ihrem Streifzug zu begleiten.
Dieser könnte zum Beispiel beim Finnegan’s beginnen, wo ihr im Biergarten sogar warme Gerichte bekommt. Nach ein paar Guinness geht’s dann weiter ins General Post Office, wo es acht verschiedene Biersorten und Livesport- Übertragungen gibt. Zum Abschluss empfehlen wir das Celtic Cottage, was 1979 gegründet zu den ältesten Irish Pubs Deutschlands gehört. Auf den Holzmöbeln der Terrasse könnt ihr in der Abendsonne sitzen. Wenn es dann frisch wird, geht es nach drinnen.
Jeden Montag findet im legendären Celtic Cottage das Pub Quiz statt. Um 19.30 Uhr beginnt das große Fragen und Antworten mit Aussicht auf eine Flasche Baileys, Jameson oder Jägermeister für das Gewinnerteam. Aber wie es immer heißt, geht es ja nicht ums Gewinnen. Zumal es manchmal auch keine objektiv richtige Antwort gibt, sondern darum geht, was der Quizmaster für richtig hält. „Der Quizmaster hat immer Recht”. Wer in den drei Hauptrunden noch keinen Erfolg hatte, hat in der Jackpot-Runde die Chance, alle gesammelten Teilnahmegebühren abzuräumen. Dazu müssen allerdings alle fünf Fragen richtig beantwortet werden.
Immer Lust auf Stout und Pie? Das sind die besten Irish Pubs in Berlin.
- Finnegan’s Irish Pub Bergstr. 8, So–Do 10–17 Uhr, Fr+Sa 17–3 Uhr
- General Post Office Zimmermannstr. 22, Mo–Do 16–0 Uhr, Fr+Sa 16–2 Uhr, So 16–22 Uhr
- Celtic Cottage Markelstr. 13, So–Do 15–1 Uhr, Fr+Sa 15–2 Uhr, Pub Quiz jeden Mo 19.30 Uhr, Teilnahme 1 €, mehr Infos hier
Filmfrühstück im historischen Adria Kino
Egal ob religiös oder nicht, für viele Menschen ist der Sonntag irgendwie heilig. Durch die Stadt schlendern, Bekannte treffen, vielleicht einen Marktausflug machen. Vielleicht auch etwas, das man sich unter der Woche nicht erlauben würde oder kann – zum Beispiel den Luxus vom morgens Fernsehen. Aber damit es besonders bleibt, hat sich das Adria Filmtheater etwas überlegt: Jeden Sonntag veranstalten die Betreiber:innen das Filmfrühstück. Bei frischem Kaffee und Croissants wird ein ausgewählter Film in dem historischen 50er-Jahre Kino gezeigt. Dabei variieren sie zwischen aktuellen Produktionen und Klassikern. Anschließend steht noch der ganze Sonntag bevor. Vielleicht ja danach noch auf den Markt? Er ist direkt um die Ecke.
- Adria Filmtheater Schloßstr. 48, Steglitz, Filmfrühstück So 10/11 Uhr, 11-15.50€, mehr Infos hier
Am schönsten im Frühling: Markt auf dem Hermann-Ehlers-Platz
Der Steglitzer Trödelmarkt ist immer einen Besuch wert. Zwischen alten Mänteln und Plattenspielern könnt ihr bestimmt auch gute Bücher, edles Silberbesteck oder eine Designerlampe finden. Schließlich ist es ja immer noch Steglitz. Und wer nicht fündig wurde, kann direkt auf der angrenzenden Schloßstraße weiterschlendern. Die unzähligen Läden sind schließlich einer der bekanntesten Gründe – egal wann – nach Steglitz zu fahren.
- Hermann-Ehlers-Platz sonntags, kostenfrei, mehr Infos hier
Außerdem gibt es hier noch weitere tolle Steglitzer Orte. Und neben dem Adria gibt es natürlich noch weitere Steglitzer Kinos. Für den heiligen Sonntag sind hier Berliner Wochenmärkte. Endlich öffnet auch der Thaimarkt wieder. Wem es dort zu voll ist: Auf diesen Liegewiesen entspannt ihr mitten in Berlin. Außerdem kann Berlin zur entsprechenden Zeit mit Kirschblüten angeben. Das lässt sich gut mit einem langen Frühlingsspaziergang in der Stadt verbinden. Vielleicht ja im neuen Park an der Zitadelle Spandau? Denn wie gesagt, Berlin existiert auch außerhalb des Rings und ist auch dort – in Teilen – wirklich sehr sehenswert – wie diese 12 Gründe, jetzt nach Friedenau zu fahren, beweisen.