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50 Jahre Flughafen Tegel: So geht es weiter mit der Architekturikone

Die Architektur des Flughafen Tegels galt als Avantgarde des Flughafenbaus. 50 Jahre nach der Eröffnung des Zentralgebäudes zeigt nun die Ausstellung „Material Culture Berlin TXL 2024“, was die Architektur des Flughafens so revolutionär machte. Bis Ende November können Berliner:innen in die Vergangenheit eintauchen und einen Blick auf die zukünftige Entwicklung des Areals werfen. 

Trügerische Ruhe: Das Areal des Flughafen Tegel wird in den nächsten Jahren zu einem Innovationsstandort. Foto: Imago/Schöning

„Material Culture Berlin TXL 2024“: Deshalb war der Flughafen Tegel seiner Zeit voraus 

Eine neue Ausstellung mit dem Titel „Material Culture Berlin TXL 2024“ im Infocenter Berlin TXL erzählt die Historie der Zentralbauten des Flughafen Tegels und richtet den Blick auf die Zukunft des Areals. Das Flughafengelände wird aktuell zu einem Innovationspark für urbane Technologien entwickelt – der Urban Tech Republic. In direkter Nachbarschaft entsteht mit dem Kurt Schumacher Quartier ein neuer Stadtteil in Holzbauweise für mehr als 10.000 Menschen. Doch die Zentralbauten des Architekturbüros GMP um die Architekten Volkwin Marg und Meinhard von Gerkan sind nicht nur Kulisse der ambitionierten Pläne: Die Urban Tech Republic entsteht ganz im Dialog mit dem architektonischen Leitbild des Flughafengebäudes. Das zeigt bis Ende November eine Sonderausstellung auf dem Areal.

Um zu verstehen, was die Architektur des Flughafen Tegel so revolutionär machte, braucht es einen Sprung in die späten 1960er Jahre: Westberlin war eingemauert, es dominierte das Leitbild der autogerechten Stadt. Dann gewannen zwei Architekturstudenten, Volkwin Marg und Meinhard von Gerkan, den internationalen Wettbewerb für den Flughafen Berlin Tegel – ohne selbst jemals ein Bauprojekt verwirklicht zu haben. Ihr architektonisches Prinzip: Verkehrsbauten in der Stadt nicht nur als Zweckbauten zu begreifen, sondern auch lebensfreundlich und identitätsstiftend zu gestalten. Zwar war auch das Zentralgebäude des Flughafen Tegel dem Diktum des Automobils unterworfen und ließ sich als Drive-In-Airport direkt mit dem Auto ansteuern. Dennoch wollten Marg und von Gerkan einen einzigartigen Ort schaffen, der für Menschen synästhetische und emotionale Qualität hat, wie Marija Marchuk, Kuratorin der Ausstellung „Material Culture Berlin TXL 2024“, erklärt.

Luftbild aus dem Jahr 2006 auf das Zentralgebäude und seine markante, hexagonale Struktur. Foto: Imago/blickwinkel

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„Besonders ist, dass Form und Funktion auf sinnliche und elegante Weise zusammengeführt wurden.“ Marchuk erläutert das am Beispiel der hexagonalen Form des Zentralgebäudes: Die Wabenstruktur der Raumaufteilung ermöglichte es den Passagier:innen, sehr schnell im Kreis zu jedem Gate zu gelangen. Doch es blieb nicht bei der reinen Funktionalität: Das Sechseck zog sich als Design-Element auf den verschiedensten Skalen durch den Flughafen, von kleinen Kunstwerken bis hin zu wabenförmigen Sitzgelegenheiten im Wartebereich.

Ausstellung zeigt die Originalpläne der GMP-Architekten

Wie die GMP-Architekten den Flughafen im Detail konzipierten, lässt sich nun in der Ausstellung im Infocenter Berlin TXL begutachten: Dort liegen quadratmetergroße Originalpläne aus, Ausgrabungsfunde, die von der Nutzung des ehemaligen Militärübungsplatzes erzählen. Auch zum Kunststoffdesign des Designers und Ingenieurs Wolfgang Feierbach, der unter anderem TXL mit den gelben Check-In-Schaltern ausstattete, zeigt die Ausstellung einige Exponate.

Ein Blick in die Ausstellung Material Culture Berlin TXL 2024. Foto: Tegel Projekt GmbH

Seit 2020 der letzte Flieger einer Air France-Maschine nach Paris abhob, ist der Flughafen keineswegs in einen Dornröschenschlaf gefallen. Schon 2012 beauftragte das Land Berlin die Tegel GmbH, das 500 Hektar große Areal zu entwickeln – hin zur Urban Tech Republic, einem Forschungs- und Innovationspark. Schon jetzt ist einiges los auf dem Gelände: Das Berliner Telefahr-Unternehmen Vay etwa testet seine autonomen Fahrzeuge auf dem Flughafengelände. Und nebenbei organisiert das Turbulence Kollektiv seit 2023 kostenlose Techno-Raves auf einem Teil des Geländes. Alles was ihr zu dem Turbulence Club wissen müsst, erfahrt ihr hier.

So soll die Urban Tech Republic einmal aussehen. Rendering: Tegel Projekt GmbH / gmp-architekten

Die Pläne für die Urban Tech Republic sind ehrgeizig: Bis zu 1000 Unternehmen soll der Innovationspark einmal beherbergen, rund 20.000 Arbeitsplätze schaffen. Die Berliner Hochschule für Technik bekommt einen neuen Campus im Bereich der urbanen Technologien. Und im ehemaligen Terminal B entsteht ein Gründungs- und Innovationszentrum: Etwa 2500 Studierende sollen hier ab 2028 in Laboren, Maker- und Co-Working-Spaces arbeiten.

Was die Architektur des Flughafengebäudes mit den neuen Plänen zu tun hat

So könnte die Dachterrasse des Flughafengebäudes einmal genutzt werden. Rendering: Tegel Projekt GmbH / gmp-architekten

„Material Culture“-Kuratorin Marija Marchuk leitet seit 2023 das Innovationszentrum. Die architektonische Idee von Marg und von Gerkan, Disziplinen wie Außenarchitektur, Innenarchitektur und Design zusammenzudenken, lässt sie nicht los: „Dieses Leitbild, Systeme im Zusammenhang zu denken, soll auch zukünftige Generationen inspirieren, die in dem Gebäude arbeiten“, sagt sie. Gleichzeitig stünde die brutalistische Architektur von Tegel im Dialog mit dem Ansatz des zirkulären Bauens der Urban Tech Republic. Marchuk erklärt: „Konventionelle Baustoffe wie Beton, Stahl und Glas sind in der Flughafenarchitektur sehr präsent – erfordern aber zugleich einen Sprung in die heutige Welt und zur Notwendigkeit von emissionsarmen Werkstoffen“. Davon zeugt die zweite Ausstellungsfläche im Untergeschoss: Hier lassen sich verschiedene Forschungsprojekte um biobasierte Werkstoffe entdecken – und ganz in der Tradition von Marg und von Gerkan werden auch hier Wissenschaft, Design und Kunst zusammengedacht. Im Jahr 2024 ist der Geist von Tegel aktueller denn je.

  • Infocenter Berlin TXL Material Culture Berlin TXL 2024. Ein Bauwerk für die Zukunft, Flughafen Tegel 1, Tegel, 7.9-30.11., Eröffnungswochenende am 07.+08.9., weitere Infos zum Programm am Eröffnungswochenende hier.

Mehr zum Thema

Auch der Flughafen Tegel ist dabei: Diese Orte solltet ihr am Tag des offenen Denkmals besuchen. Das Zentralgebäude des Flughafen Tegel öffnete im Oktober 1974. Wie sich der Flughafen Tegel in den Jahrzehnten darauf entwickelt hat, könnt ihr hier in der Geschichte von TXL in Bildern nachverfolgen. Mittlerweile ist der Flugbetrieb eingestellt: Welche 12 Dinge uns am Flughafen Tegel fehlen werden, findet lest ihr hier. Schon mal vom Flugplatz Johannisthal oder Flughafen Gatow gehört? Alles zu (fast) vergessenen Flugplätzen, der Ära des Flughafen Schönefelds bis hin zum Skandalprojekt BER findet ihr in unser Geschichte der Berliner Flughäfen. Der Stadtteil Tegel hat noch viel mehr als den ehemaligen Flughafen zu bieten: Alles Weitere zum Stadtteil hier.

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