Die Entscheidung, ob das Abitur 2020 in Berlin aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden oder nicht, fiel im letzten Moment. Am Donnerstag einigten sich Bund und Länder, die diesjährigen Abschlussprüfungen stattfinden zu lassen. Montag sollen die ersten Klausuren geschrieben werden. Wir haben mit den Zwillingen Nina und Mirja Luxat, die das Heinz-Berggruen-Gymnasium in Westend besuchen, über die anstehenden Prüfungen gesprochen. Abikalypse Now?
Ein mulmiges Gefühl haben Nina und Mirja Luxat. Und das liegt nicht allein an den bevorstehenden Abiturprüfungen, die das auslösen. Dass die Prüfungen wirklich stattfinden, erfuhren die Zwillinge aus dem Stufenchat. „In den vergangenen Tagen war dort schon viel spekuliert worden“, sagt Nina Luxat. Dann kam die Entscheidung, die die Mädchen parallel auf mehreren Medienportalen verfolgten: Die Prüfungen finden statt.
Auf die Berichterstattung folgte heute dann die offizielle Benachrichtigung. So langsam manchmal Institutionen sind, so schnell und professionell reagierte die Schule der beiden, das Heinz-Berggruen-Gymnasium in Westend. In der Mail des Oberstufenkoordinators waren auch schon erste Maßnahmen angekündigt. Die Prüfungen starten um 9 Uhr, die Schüler sollen gestaffelt kommen, kursweise, in fünfminütigen Abständen. Man solle doch versuchen, auf anschließende Unterredungen zu verzichten. Ob sich alle daran halten, ist indes ungewiss.
Nina und Mirja Luxat haben Glück im Unglück. Ihre erste Prüfung ist kommenden Freitag, andere Mitschüler*innen hat es da härter getroffen. Sie müssen direkt nach dem Wochenende ran. Am Montag wird die Prüfung im Fach Latein geschrieben.
Völlig unvorbereitet sind die Zwillinge nicht. Die Entscheidung, ob sie für die Prüfungen lernen oder nicht, haben sie nicht davon abhängig gemacht, wie sich die Politik entscheidet. „Dennoch war es natürlich nicht optimal“, sagt Mirja. „Wir wollten uns mit Freunden treffen, um gemeinsam zu lernen. Vielleicht auch nicht immer zu Hause, auch mal in der Bibliothek. Beides war nicht möglich.“
Abitur 2020 in Berlin: Chancengleichheit so gering wie nie
Immerhin: Die Lehrer*innen waren gut für die beiden Mädchen erreichbar, schickten Nina und Mirja Luxat zusätzlichen Lernstoff. Die Abiturientinnen besorgten sich zusätzlich Bücher zum Üben. „Es hat nicht am Material gemangelt. Die Ungewissheit war da erdrückender, die sich überschlagenden Nachrichten haben schon stark abgelenkt“, so Mirja Luxat.
Mirja und Nina Luxat haben Glück im Unglück: Sie kommen aus einem stabilen Elternhaus, sind technisch gut ausgestattet, haben Rückzugsorte und Erwachsene, die sie unterstützen. Das ist nicht überall der Fall.
Die Chancengleichheit konnte man schon vor Krisenzeiten infrage stellen. Jetzt offenbaren sich die eklatanten Unterschiede: Kein Wunder, dass es für die Entscheidung, die Abiturprüfungen und anschließend jene für den Mittleren Schulabschluss (MSA) stattfinden zu lassen, von Schüler*innen und Eltern harsche Kritik gab. Eine Berliner Abiturientin klagte gegen die anstehenden Prüfungen – das Berliner Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab.
Wenn man Nina und Mirja fragt, welche Entscheidung sie sich gewünscht hätten, kommen die Zwillinge ins Grübeln. Eine Verschiebung hätten sie nicht gewollt. Am ehesten hätten sie für einen Ausfall plädiert.
Ohnehin ist das diesjährige Abitur keines, das den normalen Standards entspricht. Die Zeit danach wird für Mirja und Nina nicht das Gefühl unbeschwerter Freiheit auslösen, dass man mit der Gewissheit verbindet, einen wichtigen Abschnitt im Leben gemeistert zu haben. Die Abschlussfeier, Abi-Ball und -Reise: Vermutlich fällt alles aus, auch wenn im Fall der Zwillinge noch keine offiziellen Absagen eingetroffen sind. Vorstellungen, die das mulmige Gefühl noch weiter verstärken dürften.
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Hier informiert die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Kultur über die bevorstehenden Prüfungen.