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Stadtleben

An diesen 12 Orten in Berlin treffen Welten aufeinander

Berlin ist eine Stadt, in der Gegensätze nebeneinander leben. Es gibt aber Orte, da sind Kontraste besonders auffällig, da treffen Welten aufeinander. Wir haben 12 solcher Orte zusammengestellt, zum Beispiel jene, wo arm auf reich trifft, Natur auf Beton oder Subkultur auf Wirtschaftsinteressen.


Im Mauerpark

Der Mauerpark als Ort der Gegensätze: An kaum einem Ort treffen so viele unterschiedliche Menschen aufeinander wie hier.
Der Mauerpark: An kaum einem Ort treffen so viele unterschiedliche Menschen aufeinander wie hier. Foto: Imago/ Bildgehege

Einst verlief durch den Mauerpark eine der bedeutendsten Trennlinien der Menschheitsgeschichte: die Berliner Mauer. Der Mauerstreifen brannte eine Narbe in die Stadt, die heute in weiten Teilen mit neuen Gebäuden bebaut ist – außer im Mauerpark. Und während der Park allein durch seine Existenz an die Geschichte der geteilten Stadt erinnert, ist er gleichzeitig ein Ort, an dem die verschiedensten Gruppen und Schichten zusammenkommen, um ihre Freizeit zu genießen.

Zum einen liegt das an der Umgebung: Der Mauerpark grenzt an den bourgeoisen Prenzlauer Berg auf der einen und das einkommensschwächere Brunnenviertel auf der anderen Seite. Im Mauerpark laufen sich deshalb dauertelefonierende Geschäftsleute und Großfamilien mit Grill, eingelegtem Fleisch und Armadas an Klappstühlen über den Weg. Zum anderen ist es ein Ort, an dem mit Sicherheit, an dem sich mit Sicherheit Touris und alteingesessene Berliner:innen über den Weg laufen – und das nicht nur am Sonntag.


Am Streichelzoo im Görlitzer Park

Hier treffen Welten und Gegensätze aufeinander: der Görli.
Hier treffen Welten und Gegensätze aufeinander: der Görli. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Der Görlitzer Park ist berühmt, auch weit über Berlins Grenzen hinaus. Er ist einer der Orte in der Stadt, anhand derer Häuslebauer aus BaWü, BMW-Fahrerinnen aus München und AfD-Ekel von überall veranschaulichen, was für ein failed Bundesland Berlin doch ist. Verdorbene Stadt Berlin, in der sich Kinder auf Laufrädern zwischen den Beinen von Dealern durchschlängeln! Die Kritik dieser Menschen ist für gewöhnlich eindimensional und ihre Lösungen sind immer irgendwie menschenfeindlich. Die stumpfen Diskurse ändern aber nichts daran, dass im Görlitzer Park tatsächlich Welten clashen. Ganz besonders offensichtlich wird das rund um den Streichelzoo im Park. Während drinnen Kleinkinder Ziegen Getreide reichen, verkaufen draußen die Dealer schlechtes Gras an Touris und Gelegenheitskiffer:innen. Zwei Arten von Übergaben und definitiv auch zwei ganz unterschiedliche Lebenswelten.


Zwischen Potsdamer Platz und Tiergarten

Zwei Gegensätze, Beton und Natur, kommen sich am Potsdamer Platz nahe.
Zwei Gegensätze, Beton und Natur, kommen sich am Potsdamer Platz nahe. Foto: Imago/Dirk Sattler

Berlin hat weder Skyline noch Skyscraper, so wie alle anderen Städte in Deutschland außer Frankfurt am Main. Den Tiergarten als Central Park Berlins zu bezeichnen, ergibt deswegen angesichts des fehlenden Kontrasts zwischen Hochhäusern und knorrigen Bäumen, glatten Fassaden und Blättermeer keinen Sinn. Einen Ort allerdings gibt es, der ansatzweise an das ikonische Bild des von Büro- und Wohntürmen eingerahmten Parks herankommt. Es ist der vielgehasste seelenlose langweilige nachts menschenleere Potsdamer Platz. Aber auch wenn die Stadtplaner:innen an diesem unbebauten Stück Stadt einen Ort geschaffen haben, mit dem die meisten Berliner:innen und auch die meisten Touris nichts anfangen können: Der abrupte Übergang zwischen Natur und Beton ist in seiner Intensität doch einzigartig in Berlin und erinnert tatsächlich an Bilder von der grünen Lunge New Yorks.


Rund um die Europacity

Durch die Lage der Europacity kommen sich die von der Gesellschaft geschassten und die, die viel haben, nahe. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Lange war nördlich vom Hauptbahnhof zwischen Schifffahrtskanal und Bahngleisen einfach nichts. In den vergangenen Jahren aber ist um die Heidestraße ein Quartier namens Europacity entstanden. Die Europacity könnte überall stehen, wo gut verdienende Büromenschen wohnen: im Berlin einer dystopischen Zukunft, in einer extraterrestrischen Siedlung auf dem Mond, in London, in Frankfurt. Nach Kiez und Lebensqualität sieht es rund um die Heidestraße nicht aus, dafür ist der Hauptbahnhof nah. Nah ist auch die Lehrter Straße und damit das Hauptquartier der Stadtmission, der kleine Tiergarten ist auch nicht weit. An der Invalidenstraße treffen deshalb die von der Gesellschaft Marginalisierten, Verdrängten und Vergessenen auf die neuen Bewohner:innen der Heidestraße.


Am Nettelbeckplatz

Der Nettelbeckplatz und das Ernst: Hier trifft sehr unterschiedliches Klientel aufeinander.
Der Nettelbeckplatz und das Ernst: Hier trifft sehr unterschiedliches Klientel aufeinander. Foto: Imago/Joko

Für ein Feierabendbier eignet sich der Nettelbeckplatz wunderbar: Es ist immer was los, selbst nach einem Feierabend um 15 Uhr trinkt man nie alleine und wenn einem trotz des Trubels mal langweilig wird, kann man immer noch das Wasser betrachten, das vom Brunnen auf die arme Figur am Klavier hinunter prasselt. Der Nettelbeckplatz ist einer jener Orte, an denen man das Wesen des alten Arbeiterbezirks unmittelbar spürt. Niemand muss sich hier verstellen. Umso mehr wie ein Ufo aus einer anderen sehr reichen Galaxie wirkt das Nobelrestaurant Ernst an der Gerichtstraße. Gut betuchte Foodies reisen aus Charlottenburg an, um auf einem der acht Tresenhocker im Ernst Platz zu nehmen, den Köchen beim Kochen zuzugucken und Gerichte im Wert von Dutzenden Sternis zu verspeisen. Währenddessen pladdert draußen nicht selten Kotze auf das Kopfsteinpflaster.


Auf der Swinemünder Brücke

Die Swinemünder Brücke verbindet zwei Stadtteile – und mitunter auch sehr unterschiedliche Menschen. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Auf der einen Seite der Swinemünder Brücke liegt Gesundbrunnen (also der Wedding) auf der anderen Mitte und der Prenzlauer Berg. Tatsächlich wirkt es, als wollten die Häuser auf beiden Seiten der Brücke Klischees repräsentieren. Da sind die Blocks in der Behmstraße, grau und das Blech der Balkongeländer verblichen, so brutalistisch im Stil, dass sie ihre eigene Ästhetik haben. Das haben sich wohl auch die Macher:innen der ZDF-Satireserie Familie Braun gedacht, als sie die Häuser als Drehort auswählten. Und da sind die Altbauten in der Graunstraße, die bald an der Gleimstraße in neu gebaute Luxuswohnungen übergehen – solche mit bodentiefen Fenstern und Balkonen, auf denen nichts oder höchstens eine Topfpflanze steht.


Paul-Lincke-Ufer/Ecke Kottbusser Damm

In Berlin leben die, die viel haben und die, die nichts haben oft sehr nah beieinander, wie hier am Paul-Lincke-Ufer. Foto: Imago/Schöning

Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Übergang zwischen Paul-Lincke-Ufer und Kottbusser Damm ein fließender. Doch Berlin hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten ganz schön verändert. Die Mieten sind immer weiter gestiegen, während die Zahl der Menschen, die sich eine Wohnung an pittoresken Straßen wie dem Paul-Lincke-Ufer leisten können, kontinuierlich gesunken ist. Wer keinen alten Mietvertrag hat, der muss dort fürs Wohnen monatlich tausende von Euros hinblättern. Geradezu absurd wirkt da der Kontrast zu den obdachlosen und süchtigen Menschen, die sich zwischen Kottbusser Tor, Schönleinstraße und Hermannplatz bewegen, oft auch auf dem Kottbusser Damm.


Auf dem Schöneberger Südgelände

Hier treffen Gegensätze aufeinander: auf dem Schöneberger Südgelände
Krumme Äste gegen gerade Linien, Kleingarten-Architektur gegen Neues Bauen. Foto: Slaski

Auf dem Schöneberger Südgelände, dem Areal zwischen den Trassen der Wannseebahn und der Bahnstrecke Berlin–Dresden, für das es bereits zahlreiche Masterpläne gab und bei dem sich Nichtstun als der allerbeste Masterplan herausgestellt hat, befindet sich der Matthäifriedhof. Er ist eingefasst von Kleingartenanlagen; das Schöneberger Südgelände vereint mehr als 2600 Parzellen in 26 Gartenkolonien. Auf dem Friedhof befindet sich eine Kapelle. Ein Architekt hat sie gekauft und an ihre Seite einen schmucklosen schlichten Kubus gesetzt. Der teure Bau, der innen bestimmt durch reduziertes Design besticht, steht in krassem Kontrast zu der alten Kapelle einerseits, vor allem aber zu den Kleingartenanlagen mit teils runtergekommenen Hütten, die ihn umgeben. Und selbst wenn nicht: Ungleicher könnten Stile nicht sein: der von den Mini-Datschen in Kleingartensiedlungen und der Kubus auf dem Friedhof.


Vor dem SchwuZ

Schillernde Queers gegenüber performativer Männlichkeit: Vor dem SchwuZ treffen Welten aufeinander.
Schillernde Queers gegenüber performativer Männlichkeit: Vor dem SchwuZ treffen Welten aufeinander. Foto: Luka Godec

Das SchwuZ ist das Zentrum schillernden queeren Nachtlebens in Berlin. Hier performen Drag Queens mit pompösen Frisuren, zentimeterlangen falschen Wimpern und High Heels, für die ein Waffenschein nicht abwegig wäre. Musikalische und unmusikalische schmettern Songs beim Karaoke-Abend. Es läuft Britney Spears, Dolly Parton und Madonna. Die Stimmung ist grandios. Wenn die Kings and Queens aber ankommen, spielen sich mitunter interessante Szenen ab. Dann stöckeln nämlich manchmal aufgebrezelte Queers zwischen geparkten AMG-Mercedessen hindurch, in denen aufgepumpte hyper-maskuline Typen sitzen, die alles dafür tun um gefährlich zu wirken – ein Aufeinandertreffen extrem unterschiedlicher Welten.


Entlang der Alten Jakobstraße

Die Alte Jakobstraße ist nicht besonders lebendig – und doch treffen hier Welten aufeinander. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Mitten im Zentrum Berlins – also in Mitte – befinden sich ganze Viertel, die die meisten Berliner:innen für gewöhnlich eher nicht betreten, es sei denn, sie besuchen dort jemanden oder fahren hindurch. Meistens sind es Wohnviertel, die wenig kiezig sind, wenig Spätis haben, kaum Geschäfte, Restaurants und Cafés. Am südlichen Teil der Alten Jakobstraße etwa ist es so. Überquert man die Oranienstraße und passiert die Bundesdruckerei, wird es nicht viel lebendiger. Und doch fängt hier eine andere Welt an. Nicht Blocks säumen hier die Alte Jakobstraße, sondern edle Altbauten, in denen nicht selten schicke Büroräume sind und dazwischen Hotels, Lunch-Restaurants oder Galerien.


An der Friedrichstraße

Der Friedrichstraße der Friedrichstraße im Süden will so gar nicht zum nördlichen Teil passen. Foto: Imago/Imagebroker, Imago/Schöning

Wer als Berlin-Neuling vom Halleschen Tor aus die wichtigste Nord-Süd-Achse der Stadt entlang läuft, der Friedrichsstraße, dürfte von ihrem Wandel überrumpelt werden. Denn an ihrem südlichen Ende steht der Mehringplatz mit architektonisch hochinteressanten, aber heruntergekommenen Gebäuden. Ähnlich abgerockt wirkt der Beginn der Friedrichstraße. Da stehen Läden leer, fegt der Wind Müll über die Bürgersteige, säumen dubiose Geschäfte die Straße. Nur wenige hundert Meter weiter nördlich präsentiert sich die Straße in repräsentativem Gewand. Da stehen der Friedrichstadt-Palast und die Galeries Lafayettes, das Internationale Handelszentrum und das Berliner Westin Grand Hotel. Reiche Touris mit Louis-Vuitton-Taschen flanieren über die Bürgersteige einer Straße, die zwar zahlreiche Shopping-Optionen für den großen Geldbeutel bietet, aber wenig anziehend wirkt – selbst dann, wenn man für viel Geld einkaufen möchte. Eine Zeitreise entlang der Geschichte der Friedrichstraße machen wir hier.


In Zukunft: In Treptow entlang der A100

Wenn die A100 sich bis zum Treptower Park gefressen hat, treffen hier Welten aufeinander. Foto: Imago/POP-EYE/Ben Kriemann

Im März 2022 schlug die Nachricht wie ein Blitz in Berlin ein: Das FDP-geführte Bundesministerium für Verkehr will die Verlängerung der Stadtautobahn von Treptow bis zum südlichen Ende von Prenzlauer Berg durchsetzen. Der Weiterbau der A100 gehört zu den umstrittensten Projekten in Berlin. Schon der Abschnitt, an dem derzeit gebaut wird, steht in der Kritik, allein schon deswegen, weil es dort jeder gebaute Meter 218.000 Euro kostet – die A100 ist damit die teuerste Straße Deutschlands. Hinzu kommen die mahnenden Stimmen, die anmerken, dass es wohl kaum zeitgemäß sei, eine weitere Betonschneise für CO2-emittierende Autos in die Stadt zu fräsen. Bereits für Abschnitt 16, der bis 2024 fertig gestellt wird, muss einiges weichen: ein Stück Treptower Park, der Club Else, Kleingartenanlagen. Noch ist es nicht soweit, aber wenn die A100 weiter vorgerückt ist, treffen am Treptower Park Gegensätze aufeinander: Grün auf Asphaltgrau, gute Luft auf schlechte, Subkultur auf die Macht der Autolobby.


Mehr Berlin

Die Menschen in Berlin lieben meistens ihre Stadt, aber sie lästern auch gerne – manchmal unberechtigt. Diese Dinge sind in Berlin underrated. Manche Sachen kriegen aber auch mit Recht ihr Fett weg. Diese Dinge in Berlin sind total overrated. Und dann gibt es noch die Dinge, die typisch Berlin, aber eben auch speziell: An diese Dinge müssen sich Zugezogene erstmal gewöhnen. Ihr wollt lieber noch ein bisschen scrollen? Immer neue interessante Storys aus Berlins Stadtleben gibt es hier.

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