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Analog fit werden mit virtuellen Programmen

Sinnvolles Training, gute Motivation: Katja Schmitt, HU-Professorin für Sportdidaktik, weiß, worauf es ankommt

lev dolgachov / Syda Productions / stock.adobe.com

In der dunklen Jahreszeit ist es nicht leicht, sich für Sport und Bewegung zu motivieren. Immer mehr Menschen lassen sich deshalb über Fitness-Tutorials aus dem Internet zum Sport in den heimischen vier Wänden anleiten. Die Videos sprechen vor allem jene an, die wenig Zeit oder Geld für Personal Trainer oder das Fitness-Studio haben. Andere haben keine Lust auf das Gruppen-Schwitzen und wollen unabhängig von festgelegten Zeiten und Orten unkompliziert sportlich aktiv werden. Auch Berliner Dance- und Fitness-Größen wie Detlef D. Soost oder Petair von den Flying Steps vermarkten ihre Angebote zunehmend im Netz, als „I make you sexy“-Programm beziehungsweise als „Breakletics“. Mit kurzen Einheiten, so das Versprechen, könne jeder – ob jung oder alt – in kurzer Zeit seine Fitness und sein Erscheinungsbild verbessern. Doch was ist vom virtuellen Fitness-Trend aus sportmedizinischer Sicht zu halten? Fünf Fragen an Katja Schmitt, Leiterin der Abteilung Sportdidaktik am Institut für Sportwissenschaft der Humboldt Universität.

tip Frau Schmitt, was halten Sie von Online-Fitness-Tutorials?

Katja Schmitt Wenn Sie zuhause Sport treiben wollen sind Online-Tutorials ein extrem niedrigschwelliges Angebot. Sie brauchen weder ein Auto noch eine S-Bahn, um zu dem Ort zu gelangen, wo Sie Sport machen. Das ist eindeutig ein Vorteil. Der Nachteil ist, dass Sie keinen Austausch haben. Gruppenprozesse tragen gerade beim Sport sehr zur Motivation bei. Genauso fehlt das Korrektiv. Es gibt niemanden, der Sie korrigiert, auf Fehlhaltungen hinweist.

tip Wäre es besser, wenigstens zu Anfang von Online-Fitness auch analoge Sportangebote zu nutzen?

Katja Schmitt Auf alle Fälle. Wer merkt, dass er nicht als Einzelsportler taugt, der sollte unbedingt ein Angebot suchen, wo er in Austausch treten kann mit anderen. In Berlin gibt es zum Beispiel die kostenlosen Angebote „Sport im Park“ oder „Bewegung draussen“. Da guckt man auf deren Internetseiten einfach, was angeboten wird, geht da hin und macht mit.

tip Wie vermeidet man Haltungsfehler und falsche Bewegungen bei den Tutorials?

Katja Schmitt Ich würde immer eine sportmedizinische Untersuchung vorschalten, beim Hausarzt, einem Sportmediziner oder einem Physiotherapeuten. Man sollte sich auf mögliche Schwachstellen durchchecken lassen. Viele Menschen haben Probleme mit dem Rücken, dem Nacken, der Halswirbelsäule. Man sollte sich also Angebote suchen, die diese Regionen besonders kräftigen oder dehnen. Das kann man selbst schwer einschätzen. Ein Experte kann individuelle Antworten auf die Frage geben, was ich wirklich brauche, um mich fit zu machen. Das ist wichtig, damit der Sport nicht mehr schädigt als dass er nutzt. Viele Online-Angebote setzen ein Fitness-Niveau und auch Beweglichkeit voraus, die nicht jeder mitbringt.

tip Was tun, wenn es beim Sport schmerzt?

Katja Schmitt Schmerz markiert auf meiner eigenen Skala schon das Ende. Ich würde schon davor aufhören. Wenn Schmerz auftritt, Finger weg. Schmerz ist kein Indikator dafür, ob Übungen wirken oder nicht. Die Altersspanne der Nutzer ist ja extrem und es gibt eben einen Unterschied zwischen ganz jungen Nutzern und 50+. Das sind ganz andere Kraft- und Ausdauer-Parameter. Nicht jedes Angebot ist für jeden gleich gut.

tip Unter den Online-Coaches sind auch Fitness-Influencer ohne Trainerausbildung.

Katja Schmitt Ich bin ja in der Lehrerausbildung tätig und habe da große Bedenken. Zum einen geht es um die Demonstration der Aufgaben, also das Didaktische. Wie stelle ich mich zur Gruppe, dass mich alle sehen können? Das andere ist die sportphysiologische und trainingswissenschaftliche Seite. Es braucht sportmedizinische Vorkenntnisse, um über die Intensität und Häufigkeit einer Übung Auskunft geben zu können. Das sollte man nicht Laien überlassen.

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