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Jazz-Revolution 

Angstfrei statt Kartoffelbrei: Der Universalkünstler Lonnie Holley spielt im Privatclub

Lonnie Holley war Tellerwäscher, Koch und Schrottsammler – bis er Bildender Künstler und dann auch Jazz-Musiker wurde. Crazy? Und so ziemlich der beste Geheimtipp

Lonnie Holley (Photo: Timothy Duffy)

„Mit meiner Musik will ich den Hörer von seinen Ängsten befreien. Die Beats sollen ihn auch zum Tanzen oder Rennen anregen – was immer ihm gerade gut tut. Bleib nicht wie ein ,fetter Kartoffelbrei‘ da sitzen, halte dich körperlich und geistig fit!“, sagte der Universalkünstler Lonnie Holley kürzlich in einem Interview. Angstfrei an sich arbeiten, sich entwickeln, ausdrücken und damit gegen alle Widerstände immer weiter machen. Das ist die Haltung, mit der Holley es weit gebracht hat. Heute ist er ein respektierter Bildhauer und Musiker. Nicht jeder hätte darauf gewettet, seine Ausgangssituation war denkbar schlecht. Auch damit setzt er sich in seinem Werk immer wieder auseinander – und mit der Ungerechtigkeit und Unterdrückung in seinem Heimatland, den USA.

Denn was macht es mit einem schwarzen Kind, das als eines von 27 Geschwistern in den rassistischen Südstaaten aufwächst? Das sich als Koch, Schrottsammler und Geschirrspüler durchschlägt, unter elenden Bedingungen haust, von Pflegefamilien aufgenommen und wieder verstoßen wird? Lonnie Holley, 1950 in Alabama geboren, nahm diese zerstörerischen Umstände, die ihn ohne weiteres in Drogen, Kriminalität und Bedeutungslosigkeit hätten reißen können, und verwandelte sie in einen scheinbar nie versiegenden Quell der Inspiration.

Improvisierend, experimentell, Grenzen überschreitend, übersetzt er seine Erfahrungen in Fotografien, Gemälde, Performances, Bildhauerei und seit einigen Jahren auch in Musik. Seine Skulpturen sind wilde, rohe Assemblagen aus gefundenen Materialen, Schrott und Müll. Amorphe Gebilde, die aus ihrer puren, scheinbar zufällig gewählten Materialität eine brutale Poetik entfalten.

Seit 2012 veröffentlicht er seine Musik auf Tonträgern, 2018 hat er mit „MITH“ das dritte Album vorgelegt hat. Er verfolgt darauf eine vergleichbare Strategie wie mit seiner Bildenden Kunst. Holley schöpft aus den freien Spielarten des Jazz, kombiniert sie mit futuristischen Klang­exkursionen und erweitert diese mit der sprachlichen Wucht des revolutionären Soul und frühem Hip-Hop. Ein energetisches Spannungsfeld zwischen Sun Ra, Last Poets und Gil Scott-Heron. Mit rauer, expressiver Stimme singt er, beschwört, betet, klagt an. Mystische Erlebnisse und universeller Humanismus prallen auf Gesellschaftskritik und die Empörung über politische Missstände. Man wünscht sich, Trump und seine Freunde würden einmal in ihrem Leben Holleys unfassbaren Ausbruch „I Woke Up in a Fucked-Up America“ hören. Die Welt wäre dann vielleicht eine etwas bessere. 

Privatclub Skalitzer Str. 85, Kreuzberg, Mi 24.4., 20 Uhr, VVK 19 €

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