Baukunst

12 Architektur-Höhepunkte in Berlin von Poelzig bis Chipperfield

Mit Architektur ist es fast wie mit der Gastronomie: Wovon der eine kaum genug bekommen kann, erzeugt beim anderen das nackte Grausen. Die Frage, welche Bauwerke denn nun Meisterwerke sind, kann ungefähr so heftig diskutiert werden wie die Frage, ob Ananas auf die Pizza gehört – oder eben nicht. Das Gute in Berlin: Es gibt in beiden Bereichen so viel Auswahl, dass jeder etwas findet. Und in Sachen Architektur hat die Hauptstadt ja nun auch einiges zu bieten.

Von Poelzig bis Chipperfield: Die Liste bedeutender Architekten, die hier ihre Spuren hinterließen, ist lang. Preußische Baumeister prägten die Hauptstadt im 18. und 19. Jahrhundert, im 20. und 21. Jahrhundert sind es dann die großen Architekten mit Weltrenommee, die Berlin erst ihr Nachkriegs- und dann ihr Nachwende-Gesicht gaben. Wir haben Gebäude und auch so manche Viertel aufgelistet, die Architektur-Fans in Berlin gesehen haben müssen.


Das Einfache nicht mit dem Simplen verwechseln: Mies van der Rohe schuf die Neue Nationalgalerie

Klare Formen und Reduktion auf das Wesentliche zeichnen die Neue Nationalgalerie aus. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Nach vier Jahren Bauzeit ist die Sanierung der Neuen Nationalgalerie abgeschlossen. Sie zeigt sich nun wieder in altem Glanz. Mit rostfreiem Stahl und einer Glasfront, deren 3,60 Meter mal acht Meter große Scheiben eigens für das imposante Bauwerk in China produziert wurden. Das 1968 fertiggestellte Ausstellungshaus gilt als bedeutendstes Berliner Bauwerk des renommierten Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), es entstammt seiner späten Schaffensphase. Bis zur Schließung 2015 beherbergte es eine Sammlung wichtiger Meister des 20. Jahrhunderts, unter anderem das Gemälde „Potsdamer Platz“ von Ernst Ludwig Kirchner, „Die Skatspieler“ von Otto Dix oder „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue IV“ von Barnett Newman. Die Neue Nationalgalerie: So gut sieht das sanierte Museum aus.

  • Neue Nationalgalerie Potsdamer Straße 50, Tiergarten

Daniel Libeskinds zick-zack-förmiger Museumsbau in Kreuzberg

Moderne und klassische Architektur nebeneinander: Kollegienhaus und Libeskind-Bau in Berlin. Foto: imago/Hoch Zwei Stock/Angerer
Moderne und klassische Architektur nebeneinander: Kollegienhaus und Libeskind-Bau in Berlin. Foto: imago/Hoch Zwei Stock/Angerer

Das Jüdische Museum erstreckt sich über mehrere Gebäude. Die strenge Formsprache des Kollegienhauses, über das man die Institution betritt, wird durch den Libeskind-Bau aufgebrochen. Bereits 1989 gewann der amerikanisch-polnische Architekt Daniel Libeskind (*1946) die Ausschreibung für den Erweiterungsbau, der die Dauerausstellung beherbergt. „Between the Lines“ nennt Libeskind seinen zick-zack-förmigen, mit Titanzink verkleideten Bau, der je nach Betrachtung an einen Blitz oder, symbolisch gedeutet, an einen zerbrochenen Davidstern erinnert.

  • Jüdisches Museum Berlin Lindenstraße 9–14, Kreuzberg

Umlaufkanal: Ein Traum in Pink

Der Umlaufkanal wird im Volksmund auch "Rosa Röhre" genannt. Foto: Imago/Joko
Der Umlaufkanal wird im Volksmund auch „Rosa Röhre“ genannt. Foto: Imago/Joko

Von weithin sichtbar ist das am Rand des Tiergartens gelegene, monumentale Gebäude: „Rosa Röhre“ wird der Umlauftank UT2 der Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau Berlin deshalb auch im Volksmund genannt. Ludwig Leo (1924–2012) war der Architekt dieses 1976 an der Schleuseninsel gebauten Forschungshauses, das heute von Forscher*innen der Technischen Universität unter anderem dazu genutzt wird, Flach­was­ser­effekte zu messen oder Strö­mungs­turbinen zu testen. Einen ganz neuen Blick auf den Umlaufkanal hatte ein Kollege, der zur Abwechslung mal mit dem Kanu zur Arbeit beim tipBerlin paddelte – sein Bericht.

  • Umlaufkanal Schleuseninsel, Tiergarten

Brutalismus pur: Der Mäusebunker ist vom Abriss bedroht

Der Mäusebunker ist eine Ikone des Brutalismus – allerdings vom Abriss gefährdet. Foto: Imago/Hettrich
Der Mäusebunker ist eine Ikone des Brutalismus – allerdings vom Abriss gefährdet. Foto: Imago/Hettrich

Das Gebäude der Zentrale Tierlaboratorien der Charité, der sogenannte Mäusebunker, ist eine architektonische Legende: Es wird zu den zehn wichtigsten Beispielen für Brutalismus in Deutschland gezählt und zieht Architekturfans aus aller Welt an.

  • Mäusebunker Hindenburgdamm 26, Lichterfelde

DDR-Bonzen unter sich im ehemaligen Staatsratsgebäude

Nein, von diesem Balkon des ehemaligen Stadtschlosses rief Karl Liebknecht nicht die "sozialistische Republik" aus. Foto: Imago/Hoch Zwei Stock/Angerer
Nein, von diesem Balkon des ehemaligen Stadtschlosses rief Karl Liebknecht nicht die „sozialistische Republik“ aus. Foto: Imago/Hoch Zwei Stock/Angerer

Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Das Portal des Stadtschlosses, von dem Karl Liebknecht 1918 die „sozialistische Republik“ ausrief, wurde bei einer vermeintlich kontrollierten Sprengung zerstört. Um dennoch eine Art historische Legitimation des Staatsrates der DDR nachzuzeichnen, setzte man stattdessen das Portal IV in das neue Zentrum der Macht ein. Bis zur Wiedervereinigung arbeiteten hier die Vorsitzenden des Staatsrats wie Walter Ulbricht, Erich Honecker oder Egon Krenz. Heute hat sich eine private Wirtschaftshochschule eingemietet. Horrende Studiengebühren da, wo eigentlich einmal der Kommunismus verteidigt wurde. Eine merkwürdige Wendung der Geschichte. Wichtige DDR-Architekten in Berlin: Aufbau Ost von Platte bis Zuckerbäckerstil.

  • Staatsratsgebäude Schloßplatz 1, Mitte

Elegant, funktionell – und einzigartig: Die Philharmonie von Star-Architekt Hans Scharoun

Die Philharmonie gehört zu den wenigen Gebäuden, deretwegen Berliner*innen den Weg zum Potsdamer Platz auf sich nehmen. Foto: Imago/Jürgen Ritter
Die Philharmonie gehört zu den wenigen Gebäuden, deretwegen Berliner*innen den Weg zum Potsdamer Platz auf sich nehmen. Foto: Imago/Jürgen Ritter

Hans Scharoun gehört zu den prägendsten Architekten der Stadt. Ihm verdankt Berlin die Philharmonie und die Staatsbibliothek. Wer jemals im großen Saal der Philharmonie eine Symphonie von Bruckner oder Mahler gehört hat, weiß, was Klang sein kann – und dass sich Berlin als Kulturmetropole neben New York oder Paris nicht verstecken muss. Im Volksmund wird die Philharmonie auch scherzhaft „Zirkus Karajani“ oder „Konzertschachtel“ genannt. Philharmonie Berlin: Geschichte, Wissenswertes und Besucherinfos.

  • Berliner Philharmonie Herbert-von-Karajan-Straße 1, Tiergarten

Politikum und Veranstaltungsort: Das Haus der Kulturen der Welt

Das HKW wird auch gerne als "schwangere Auster" bezeichnet. Foto: Imago/POP-EYE
Das HKW wird auch gerne als „schwangere Auster“ bezeichnet. Foto: Imago/POP-EYE

Vor 40 Jahren ereignete sich ein Unglück, das sogar ein Menschenleben kostete. Das Dach des Hauses der Kulturen der Welt, von Berliner:innen entweder HKW abgekürzt oder als „Schwangere Auster“ betitelt, stürzte ein. Wer damals in West-Berlin lebte, wird sich daran sicherlich erinnern. Ohnehin war das HKW ein Politikum damals. Dass der Bundestag dort sporadisch tagte, stieß der DDR-Führungen ebenso auf wie die Redebeiträge von US-Präsidenten wie John F. Kennedy oder Jimmy Carter. Heute ist das Programm bunt gemischt. In dem von Hugh Stubbins (1912–2006) entworfenen Bau gibt es Ausstellungen, Konzerte, Lesungen. Ein Highlight jeden (coronafreien) Sommers: das Wassermusik-Festivals mit Stilrichtungen, die sonst nicht in Berlin abgefeiert werden.

  • HKW John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten

UNESCO Weltkulturerbe: Hufeisen- und Tuschkastensiedlung

Wer heute eine Wohnung in der Hufeisensiedlung hat, kann sich glücklich schätzen. Foto: Imago/Schöning
Wer heute eine Wohnung in der Hufeisensiedlung hat, kann sich glücklich schätzen. Foto: Imago/Schöning

Kaum ein Architekt prägte die Klassische Moderne stärker als Bruno Taut (1880–1938). Der Architekt sorgte dafür, dass es in Berlin „luftiger“ wurde, soll heißen: Er befreite die Menschen aus der Enge der Mietskasernen, indem er für sie kostengünstige Siedlungen am Stadtrand entwarf, wie die Hufeisensiedlung in Britz oder die Gartenstadt Falkenberg, die auch unter dem Namen Tuschkastensiedlung bekannt ist. Die Einzigartigkeit dieser Siedlungstypen hat auch die UNESCO anerkannt und sie als Weltkulturerbe deklariert. Berühmt, berüchtigt, dicht bebaut: Das sind Berlins Großwohnsiedlungen.

  • Hufeisensiedlung Britz
  • Tuschkastensiedlung Falkenberg

Bierpinsel: Futuristisches Design, schwer zu bewirtschaften

Steglitz' großes Wahrzeichen: Der Bierpinsel. Foto: Imago/Joko
Steglitz‘ großes Wahrzeichen: Der Bierpinsel. Foto: Imago/Joko

47 Meter hoch und (neben dem Kreisel) das Wahrzeichen von Steglitz: Der Bierpinsel von Ralf Schüler (1930–2011) und Ursulina Schüler-Witte (*1933) wirkt aufgrund seiner markanten Form noch heute futuristisch – und ist zuletzt als Ort für Kunst wiederentdeckt worden. Trotz seiner Einzigartigkeit war es bislang schwer, das Haus erfolgreich zu bewirtschaften. Pächter kamen und gingen. Neuester Plan: Co-Working-Spaces für hippe Start-ups. Der Gastronomiebetrieb indes könnte auf ein Minimum reduziert werden. Was in Steglitz noch so geht, erfahrt ihr übrigens hier.

  • Bierpinsel Schloßstraße 17, Steglitz

Markante Shed-Dächer prägen das Walter Gropius Bauhaus Archiv

Das Bauhaus-Archiv soll bis 2022 renoviert sein. Foto: Imago/agefotostock

Das Bauhaus-Archiv beherbergt die weltweit umfangreichste Sammlung zur Kunstschule. Leider ist das Museum aufgrund einer Grundinstandsetzung geschlossen. Das war 2019 doppelt ärgerlich, beging man doch deutschlandweit das große Jubiläum. Immerhin, von außen ist der (ursprünglich) von Walter Gropius (1883–1969) entworfene Bau zu bewundern. Besonders beeindruckend sind die markanten Shed-Dächer. Wir freuen uns auf die Wiedereröffnung.

  • Bauhaus Archiv Klingelhöferstraße 14, Tiergarten

Chipperfields James-Simon-Galerie: Ein schwieriges Unterfangen

Vom ursprünglichen Entwurf bis zur Fertigstellung vergingen 20 Jahre. Heute gilt die James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel als rundum gelungen. Foto: Imago Images/Zensen

Manche Wege sind steinig. Diese Erkenntnis musste auch David Chipperfield (* 1953) schlucken. Einen ersten Entwurf für die James-Simon-Galerie, das neue Besucherzentrum der Berliner Museumsinsel, reichte er 1999 ein – und gewann damit den Wettbewerb, so weit, so gut. Doch dann kamen erst die Probleme mit dem Untergrund (1200 Pfähle!), später stemmte sich eine Bürgerbewegung gegen die Pläne. Mittlerweile steht der Bau, und ist rundum gelungen, wie wir anlässlich der Eröffnung 2019 feststellten.

  • Museumsinsel Mitte

Haus des Rundfunks

Eine Klinkerfestung mit markanter Fassade: Hans Poelzigs Haus des Rundfunks. Foto: Imago/Pop-Eye
Eine Klinkerfestung mit markanter Fassade: Hans Poelzigs Haus des Rundfunks. Foto: Imago/Pop-Eye

Die klaren Formen signalisieren Sachlichkeit, aber die Hauptrolle spielt hier das Material. Das Haus des Rundfunks ist eine regelrechte Klinkerfestung mit seiner markanten Fassade: „Backsteinexpressionismus“ ist der Name des selten verwirklichten Stils. 1931 wurde das Gebäude errichtet, Architekt war Hans Poelzig (1869–1936). Sendeanstalten von vergleichbarer Größe gab es nicht, also wurde Poelzig erfinderisch. Die Studiokomplexe liegen fernab der Straße, um Störgeräusche zu vermindern. Tragend sind nur die Außenwände, sodass innen Wände und Räume beliebig angepasst werden können. Damals wie heute arbeiten dort Rundfunkredaktionen. In den großen Sälen finden Konzerte statt. Auch das Rundfunk-Sinfonieorchester probt dort noch. Und noch immer ist ein Paternoster in Betrieb.

  • Haus des Rundfunks Masurenallee 8-14, Westend

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