Carl Gotthard Langhans gilt als einer der bedeutendsten preußischen Bauherren, mit dem Brandenburger Tor schuf er ein Wahrzeichen für Berlin. Doch wer war Langhans, und warum begeistert sein Stil die Menschen noch heute? Wir stellen den Architekten vor, der ein Meister der Collage war und Vorbilder in den schönsten Städten fand.
Carl Gotthard Langhans durfte nicht zur Einweihung des Brandenburger Tors
Das Brandenburger Tor ist Berlins größte Berühmtheit, gefühlt jeder war schon einmal da und hat Fotos gemacht. Aber wer hat Deutschlands wichtigstes Wahrzeichen eigentlich entworfen? Der preußische Architekt und Leiter des Oberhofbauamtes war es, Carl Gotthard Langhans (1732–1808), im Auftrag des Hohenzollern-Herrschers Friedrich Wilhelm II. – und keineswegs zu dessen Zufriedenheit: Die angeblich lange Bauzeit (1788–1791) hat der König dem Architekten nicht verziehen – und ihn deshalb auch ausdrücklich von der Einweihung des Brandenburger Tores ausgeladen.
Besonders kreativ fand man den Entwurf des Tors seinerzeit auch nicht: Der Bildhauer Johann Gottfried Schadow, der die Quadriga-Skulptur entworfen hat, war ernüchtert davon, dass sich Langhans offenkundig von den Propyläen in Athen hat inspirieren lassen, dem altbekannten Torbau der Akropolis. Die Hinwendung zum Griechischen war dabei durchaus ungewöhnlich: Zuvor schielten architektonische Antike-Fans auch in deutschen Landen eher nach Rom als nach Athen. Auch die dorischen Säulen hat Langhans im Vergleich zum Vorbild deutlich schmaler gestaltet, damit der Blick freier in den Tiergarten dahinter schweifen kann. Hier verraten wir euch alles über das Brandenburger Tor als wichtiges Symbol dieser Stadt.
Carl Gotthard Langhans ließ sich von Büchern und Zeichnungen inspirieren
Erstaunlicherweise hat Carl Gotthard Langhans, einer der wichtigsten preußischen Architekten in Berlin, niemals Griechenland bereist, all sein Wissen diesbezüglich stammte aus Zeichnungen und Büchern. In England und Italien jedoch war er wirklich. Architektur studiert hatte er ursprünglich auch nicht, sondern Jura, Sprachen und Mathematik. Die Kenntnisse zur Architektur hatte sich der junge Mann aus dem schlesischen Landeshut (heute Kamienna Góra, unweit der heutigen Grenze zwischen Tschechien und Polen) derweil nebenbei selbst angelesen. Die Karriere begann 1766 mit der Gestaltung von Muschelhaus und Treppenhaus im brandenburgischen Schloss Rheinsberg, das heutzutage seine große Bekanntheit sicher auch dem Umstand verdankt, dass Fontane und Tucholsky es literarisch verklärten.
In Berlin findet man noch heute vielerorts Spuren des Langhans’schen Schaffens, so hat er den Tanzsaal im Schloss Bellevue ausgestaltet, aber auch Theater und Orangerie des Schloss Charlottenburg entworfen. Ein besonderes Kleinod ist aber das gleichermaßen idyllische wie vornehme Teehaus, auch genannt „Teeschlösschen“, im Park des Charlottenburger Schlosses. Hier hat sich Friedrich Wilhelm II. nicht bloß Tee gegönnt, sondern auch private Kammerkonzerte aufführen lassen.
Die Vorwürfe, Langhans hätte ja gar nichts Neues erfunden, sondern bloß Altes wild zusammengewürfelt, werden seiner Baukunst freilich nicht gerecht: Tatsächlich kombinierte Langhans frech und durchaus modern Elemente aus Barock und Rokoko – und auch solche des seinerzeit gerade erst aufkeimenden Klassizismus. Langhans hatte auch gewisse Prioritäten, so war er verliebt in die venezianischen Fenster, wie man sie im Grassi-Palast findet, und seine architektonischen Entwürfe sind Liebesbriefe an diese schönen Formen. Dass aber beim Mixen so disparater Bausteine am Ende doch eine große visuelle, mitnichten beliebige Balance in seinen Gebäuden zu spüren ist, das beweist dann eben doch ein ganz herausragendes Gespür für Harmonie und gekonnte Collage.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit den von Langhans konstruierten Mohrenkolonnaden in der Mohrenstraße: Die standen ursprünglich auf einer Brücke und schmückten diese beidseitig, als Berlin noch eine Festung war und deshalb Brücken über den Festungsgraben führten. Später wurden die Gräben zugeschüttet, und die einstige Brückendekoration wurde mit den nun hinter ihnen errichteten Gebäuden verbunden. Die Kolonnaden waren jedoch weiterhin wunderbar geeignet, Krambuden in ihnen zu etablieren, wo Straßenhändler allerlei Waren anboten. In einem der Häuser an der Kolonnade wurde sogar der Lauf der Weltgeschichte radikal verändert: In der Mohrenstraße 36–37 im DDR-Pressezentrum hat Günter Schabowski am 9. November 1989, mehr oder weniger unfreiwillig, den Fall der Berliner Mauer eingeleitet.
Langhans’ herausragendes Gespür für Harmonie und Collage
Einer der schönsten Langhans-Bauten in Berlin erstrahlt seit der Restaurierung 2012 wieder in alter Glorie: das Tieranatomische Theater auf dem Charité-Campus. Theater wird und wurde da nie gespielt, sondern der wunderschöne Bau mit Glasfenster hoch oben in der prächtigen Kuppel diente dazu, Tierärzte auszubilden. Wohlausgebildete Rossärzte waren damals ein wichtiger Faktor der militärischen Streitkräfte Preußens. Im Theater, wo das Tageslicht vortrefflich auf den höhenverstellbaren Seziertisch im Zentrum fällt, ließen sich die Mechanismen des Lebendigen lehren. Selbst komplette Pferde konnten auf dem großen Tisch seziert werden. Mittlerweile ist in dem Tieranatomischen Theater zeitgenössische Kunst zu sehen. Den Ort erreicht ihr, wenn ihr das Charité-Gelände betretet, es liegt versteckt in einem Hinterhof. An dieser Stelle laden wir euch ein, die Hinterhöfe in Mitte besser kennenzulernen.
Die Architektur von Carl Gotthard Langhans ist nach wie vor lebendig. Nicht nur, weil Touristen aus alle Welt Selfies vor dem Brandenburger Tor machen, sondern weil die Kunst der kombinierenden Collage scheinbar gegensätzlicher Elemente wieder sehr aktuell ist.
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Vieles ist einfach nicht mehr da, so traurig es ist. Diese berühmten Berliner Gebäude existieren nicht mehr. Dafür gab’s viel Feedback, also haben wir direkt einen zweiten Teil erstellt: Noch mehr markante Häuser, die aus dem Stadtbild verschwunden sind. Wir blicken weiter in die Geschichte – und zeigen euch Berliner Theater, die nicht mehr existieren. Dass Berlin so aussieht, wie es aussieht, liegt nicht nur an den Architekt:innen. Die großen Konzepte der wichtigen Stadtplaner:innen stellen wir euch hier vor. Immer neue Texte findet ihr in unserer Architektur-Rubrik.