Architektur

Industriearchitektur in Berlin: Graue Riesen, markante Fabriken

Berlin wird von Industriearchitektur geprägt: Lagerhallen, Fabriken, Werke und Verladestationen stechen ins Auge. Als das Zeitalter der Industrialisierung begann, schossen Fabriken, Montagehallen und Lagerräume aus dem Boden. Die Luft verdunkelte sich vom Rauch, der aus den Schloten stieg, und es wurde produziert, was das Zeug hielt. Vor allem im Maschinenbau hatte Berlin die Nase vorn: Unternehmen wie Siemens, AEG und Borsig gehörten schon bald zu den Motoren der deutschen Wirtschaft. In Oberschöneweide, Reinickendorf und Neukölln entstanden Industriezonen, Mitte der 1930er-Jahre arbeiteten mehr als eine halbe Million Menschen im produzierenden Gewerbe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte sich die Situation, und die Teilung der Stadt wirkte sich auch auf die Industrie aus. Im Westteil versuchte man, den Standort durch Subventionen attraktiv zu halten, doch spätestens seit dem Bau der Mauer verlor West-Berlin nach und nach an Bedeutung für die Industrie. In Ost-Berlin setzte die zentral gesteuerte Planwirtschaft der Entwicklung zu, zudem verlagerte die SED die industriellen Zentren in den Süden des Arbeiter- und Bauernstaats.

Seit dem Mauerfall gelten die gewaltigen Industriebauten meist als historische Relikte, heute dienen sie nicht selten als Büro- oder Kulturräume. Die Spuren der Industrie sind aber noch sichtbar, und produziert wird in Berlin immer noch. Unter anderem sind Kekse, Motorräder, Kaffee und Zement „Made in Berlin“. Hier sind 12 Beispiele für Industriearchitektur in Berlin – Fabriken, Werke und Lagerhallen, die man kennen sollte.


Spenner Zementwerk

Der graue Riese in Rummelsburg – das Spenner Zementwerk ist ein Beispiel für Industriearchitektur in Berlin. Foto: Imago/Christian Thiel
Der graue Riese in Rummelsburg: Das Spenner Zementwerk ist ein Beispiel für Industriearchitektur in Berlin. Foto: Imago/Christian Thiel

Gegenüber vom Treptower Park ragt seit 1950 das Spenner Zementwerk über der Spree. Grau und massiv, aus zylinderförmigen Bauelementen geformt, versorgt das Werk die Stadt mit Zement, Trockenmörtel und Bindemitteln. Die Uferlage erlaubt es, das tonnenschwere Gut über den Wasserweg zu transportieren, und trotz der Veränderungen in der Umgebung, etwa den ungezählten Neubauten rund um die Rummelsburger Bucht und die Stralauer Halbinsel, rauchen an der Köpenicker Chaussee 9 die Schlote weiter. Wer hier unterwegs ist, kann viele weitere Industriebauten entdecken, etwa ein Heizkraftwerk oder die architektonisch sehenswerte Gaswerksiedlung.

  • Spenner Zementwerk Köpenicker Chaussee 9, Rummelsburg

BMW-Motorradwerk

Tor 1 des BMW-Motorradwerkes in Berlin. Foto: Imago/Schöning

Unser heimlicher Lieblingsbezirk Spandau ist eine der traditionsreichsten Industriezonen der Stadt, neben Siemens hat sich auch BMW mit dem Motorradwerk in dem Bezirk etabliert. Die Produktion der motorisierten Zweiräder in Berlin begann 1969. Damals gab es staatliche Subventionen für Unternehmen, die Mauerstadt brauchte prestigeträchtige Projekte. Da kam der bayerische Konzern gerade richtig. Los ging es mit dem Modell BMW R 75/5, 1973 lief bereits die 500.000. Maschine vom Stapel, 2019 war die Drei-Millionen-Marke geknackt. Seit 2014 werden auch elektrisch betriebene Scooter in Spandau produziert.

  • BMW Motorradwerk Am Juliusturm 14-38, Spandau

Westhafen

Industriearchitektur in Berlin: Lagerhalle im Westhafen. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Mit einer Fläche von 430.000 Quadratmetern ist der Westhafen in Moabit der größte Hafen Berlins. Pläne für den Bau des Westhafens gab es schon Anfang des 20. Jahrhunderts. Deren Umsetzung verzögerten sich jedoch unter anderem kriegsbedingt, sodass erst 1923 ein erster Teilbereich des heutigen Westhafens eingeweiht wurde. In den darauffolgenden Jahrzehnten erweiterte die Stadt Berlin den Hafen immer weiter, wodurch er temporär zum zweitgrößten Binnenhafen Deutschlands wurde.

  • Westhafen Westhafenstraße 1, Moabit

Bahlsen-Werk

Bahlsen Werk Berlin
Die Bahlsen-Keksfabrik vom Tempelhofer Feld aus gesehen. Foto: Imago/Stefan Zeitz

Industriearchitektur in Berlin riecht gut! Am südlichen Ende des Tempelhofer Felds strömt zuweilen ein herrlicher Duft über die Wiese. Es riecht nach frischen Schokokeksen, die im benachbarten Bahlsen-Werk produziert werden. Die Keksfabrik ist eine feste Größe im Tempelhofer Industrieareal, das sich zwischen Autobahn und Bahnschienen erstreckt. Und wer dem Geruch folgt und Lust auf Kekse bekommt, sollte sich beim Bahlsen-Outlet in der Ordensmeisterstraße 11 in Tempelhof mit fabrikfrischen Süßigkeiten versorgen. Geöffnet ist der Fabrikverkauf von Montag bis Samstag von 9 bis 18 Uhr.

  • Bahlsen-Werk Oberlandstraße 91-93, Tempelhof, online

AEG-Turbinenhalle

Höhepunkt der Industriearchitektur in Berlin: die AEG-Turbinenhalle. Foto: Imago/STPP

Der in Hamburg geborene Architekt Peter Behrens galt als Vorreiter der sachlichen Architektur, die klar den Zweck des Bauwerks betonte und sich vom parallel entstandenen Expressionismus abgrenzte. Aus dem Stil ist die Bauhaus-Architektur hervorgegangen. In Berlin baute Behrens, in dessen Büro spätere Architekturlegenden wie Mies van der Rohe, Walter Gropius und Le Corbusier arbeiteten, unter anderem mehrere U-Bahnhöfe der Linie 8 und 1909 die AEG-Turbinenfabrik an der Huttenstraße in Moabit, die als Berliner Ikone der modernen Architektur gilt.

  • AEG-Turbinenhalle Huttenstraße 12-16, Moabit

Siemens Messgerätewerk

Industriearchitektur in Berlin: Siemens Schaltgerätewerk
Die seit den 1920er-Jahren prägende Silhouette der großen Siemenswerke und des Schaltgerätewerks. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Die Geschichte Berlins ist eng mit der Geschichte von Siemens verbunden. Im Messgerätewerk in Spandau werden seit über 100 Jahren Schutzgeräte für Stromübertragungs- und Verteilungstechnik produziert. Das Gebäude, errichtet im Stil der Neuen Sachlichkeit, gehört zu den prägnanten Beispielen für Industriearchitektur rund um den Wernerwerkdamm. Wer in der Gegend unterwegs ist, sollte auch die Siemensstadt erkunden. Die Großsiedlung Siemensstadt zählt zum UNESCO-Welterbe, ab 1929 entstand sie als Wohnstadt für die Arbeiter:innen der Siemens-Fabriken. Die Siedlung ist ein Musterbeispiel für progressiven Wohnungsbau: Große Freiflächen und viel Grün bestimmen neben schlichten Formen das Bild.

  • Siemens Messgerätewerk Wernerwerkdamm 5, Spandau

KWO – Kabelwerk Oberschöneweide

Industriearchitektur in Berlin findet sich oftmals an der Spree, wie das ehemalige Kabelwerk Oberschöneweide – KWO. Foto: Imago/Imagebroker/Fotoatelier Berlin

Im späten 19. Jahrhundert begann die Geschichte des Industriestandorts Oberschöneweide. Im KWO, dem Kabelwerk Oberspree, wurden ab 1890 elektrische Kabel und Leitungen gefertigt, stellenweise arbeiteten in dem Werk bis zu 8000 Menschen. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Areal teilweise zerstört, doch auch nach 1945, anfangs unter sowjetischer Kontrolle, ging die Produktion weiter. Erst nach dem Mauerfall wurde es in den direkt am Spreeufer gelegenen Hallen ruhig. Heute befindet sich in dem denkmalgeschützten Bauensemble die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin.

  • KWO – Kabelwerk Oberspree Wilhelminenhofstraße 76, Oberschöneweide

Kabelwerk Köpenick

Kabelwerk Köpenick
Kabelwerk Köpenick, ehemals Zweigstelle des VEB Kabelwerk Oberspree. Foto: Imago/Pop-Eye

Das Kabelwerk Köpenick war einst eine Zweigstelle des Kabelwerks Oberschöneweide (KWO), auch hier wurden Starkstrom- und Telekommunikationskabel hergestellt. Der prächtige Industriebau aus rotem Klinkerstein befindet sich zwischen Allendebrücke und Alt-Köpenick, einst gab er dem „Mellowpark“ eine Heimat, dem legendären Skate-Areal für Kinder und Jugendliche. Heute steht es leer und bietet sich als Kulisse für Horrorfilme an, doch Investoren planen bereits einen Umbau des Komplexes in eine exklusive Wohngegend.

  • Kabelwerk Köpenick Friedrichshagener Straße 11, Köpenick

Borsigwerke

Eingang zu den Borsigwerken in Tegel. Foto: Imago/Jürgen Ritter

In dem beschaulichen Reinickendorfer Ortsteil Tegel begann die Industrialisierung der Stadt, dafür steht vor allem ein Name: Borsig. Das mächtige, denkmalgeschützte Borsigtor markiert den Eingang zu den Borsigwerken. 1837 gegründet, ist Borsig eine Berliner Traditionsfirma. Früher stellte das Maschinenbau-Unternehmen vor allem Dampflokomotiven her und war in der Ära der Eisenbahnen der größte Lokomotivenlieferant in Europa, weltweit schaffte es Borsig auf Platz Zwei. 2003 ging der Mutterkonzern von Borsig in Essen insolvent, obwohl Borsig in Berlin selbst profitabel wirtschaftete. Es folgten bewegte Jahre, heute beschäftigt die Borsig-Gruppe etwa 500 Mitarbeiter:innen. Herzstück des Geländes ist der Borsigturm, ein Höhepunkt der expressionistischen Architektur in Berlin.

  • Borsigwerke Am Borsigturm 1, Tegel

Jacobs-Fabrik

Jacobs Fabrik
Die Fabrik von Jacobs mit Werbung des Kaffee Krönung. Foto: Imago/Emmanuele Contini

Gar nicht so weit von der Jacobs-Fabrik produziert Bahlsen Schokokekse, damit sind Tempelhof und Neukölln in Sachen industrieller Fertigung von Kaffe und Keksen recht weit vorn und könnten sich im Falle eines Falles vermutlich komplett mit diesem beiden Produkten versorgen. Die Fabrik in der Chris-Gueffroy-Allee, direkt am Britzer Verbindungkanal gelegen, gehört zu den Industriebauten der West-Berliner Ära.

  • Jacobs-Fabrik Chris-Gueffroy-Allee 1, Neukölln

Philip Morris Manufacturing

Marlboro-Mann auf dem Dach der Philip Morris Manufacturing GmbH in Neukölln. Foto: Imago/Dirk Sattler

Und wem Kaffe und Kekse nicht reichen, sondern wer im Anschluss noch eine Zigarette rauchen will: Auch dafür hat Neukölln eine industrielle Antwort parat. Die Glimmstängel von Philip Morris werden seit 1970 in Berlin produziert, und auch wenn heute nicht mehr ganz so viel gequalmt wird wie einst und die Zigarettenwerbung aus dem Stadtbild verschwunden ist, verbreitet der Marlboro-Mann auf dem Dach der Tabakwarenfabrik eine nostalgische Stimmung.

  • Philip Morris Manufacturing Neuköllnische Allee 80, Neukölln

Leuchtenfabrik Oberschöneweide

Industriearchitektur in Berlin: Leuchtenfabrik Oberschöneweide
Die Leuchtenfabrik Oberschöneweide am Spreeufer. Foto: Imago/Imagebroker

Die Industriearchitektur in Berlin lässt sich auch an der Edisonstraße in Oberschöneweide bewundern. Das Gewerbehaus entstand um 1897, anfangs produzierte man dort Lampen, zwischenzeitlich galt der Standort gar als größte Lampenfabrik Europas. Nach dem das Unternehmen Konkurs angemeldet hat, zogen Hersteller von Luftfahrtbedarf und Nachrichtentechnik ein. Heute bieten die aufwendig sanierten „Spreehöfe“ Raum für Gastronomie, Büros, Arztpraxen, eine Musikschule und die Post.

  • Leuchtenfabrik Edisonstraße 63, Oberschöneweide

Mehr Architektur in Berlin

Wir haben euer Interesse geweckt? Dann legen wir euch unseren Guide der Berliner Architektur ans Herz, von Bauhaus bis Baller, von Top bis Flop. Die Bauwerke von Doris, Inken und Hinrich Baller stoßen nicht überall auf Gegenliebe. Bei einigen Häusern ist aber klar, dass sie zu den Bausünden in Berlin zählen. Die Architektur der Energie: Kraftwerke in Berlin. Was wird aus den Start-up-Hubs des 19. Jahrhunderts? Wir zeigen euch Berliner Gewerbehöfe. Immer neue Texte findet ihr in unserer Architektur-Rubrik.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin