Ludwig Mies van der Rohe zählt zu den bekanntesten Architekten der Moderne. In Berlin schuf er die Neue Nationalgalerie, sein wohl bekanntestes Werk in der Stadt – die voller Spuren des Architekten ist. Ein Überblick über sein Leben und sein Werk.
Ludwig Mies van der Rohe schuf die Neue Nationalgalerie
Die Neue Nationalgalerie sieht nach der Wiederöffnung aus wie immer. Nur eben sehr viel frischer. Same, same, but better. Kurz: Die Sanierung unter David Chipperfield ist wunderbar gelungen. Diese Nachricht hat uns 2021 sehr gefreut und auch beruhigt. Schließlich gilt das 1968 fertiggestellte Ausstellungshaus als bedeutendstes Berliner Bauwerk des renommierten Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969).
Es entstammt seiner späten Schaffensphase. Bis zur Schließung 2015 beherbergte es eine Sammlung wichtiger Meister des 20. Jahrhunderts, unter anderem das Gemälde „Potsdamer Platz“ von Ernst Ludwig Kirchner, „Die Skatspieler“ von Otto Dix oder „Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue IV“ von Barnett Newman. Die mit der Wiedereröffnung ebenfalls eingeweihte neue Dauerausstellung reüssiert unter dem Titel „Die Kunst der Gesellschaft“. Unser Autor Ronald Berg findet: Im restaurierten Mies-van-der-Rohe-Bau gibt die frisch geordnete Sammlungspräsentation Aufschluss über den veränderten Geist im Haus.
Die Neue Nationalgalerie ist aber bei weitem nicht das einzige Gebäude des umtriebigen Architekten, der als einer der wichtigsten der Moderne gilt. Spuren seines Schaffens finden sich überall im Stadtbild. Dabei sind es nicht die großen, über alles thronenden Häuser dieser Metropole, die Berlin ihm verdankt. Sein Erfolg begründet sich in seiner zukunftsorientierten Architektursprache. „Weniger ist mehr“ war die Formel seines Erfolgs, wenngleich er selbst mahnte, das Einfache nicht mit dem Simplen gleichzusetzen.
In Hohenschönhausen befindet sich das Mies-van-der-Rohe-Haus
In Hohenschönhausen etwa, jenem Berliner Ortsteil, der für seine Plattenbaudichte bekannt ist und von dem viele nicht wissen, dass es dort auch Villensiedlungen gibt, befindet sich auch das letzte Wohnhaus, das Mies van der Rohe entwarf. Das Haus am Obersee beherbergt heute ein Museum, das an den Architekten erinnert.
Das einstöckige, L-förmige Gebäude wurde ursprünglich für das Fabrikantenehepaar Martha und Karl Lemke gebaut, das das See-Grundstück 1930 erwarb und – nach einschlägigen Empfehlungen – schließlich Mies van der Rohe als Architekten engagierte. Die Unternehmer bezogen das Haus 1933. Fünf Jahre später verließ van der Rohe Nazi-Deutschland und emigrierte in die Vereinigten Staaten. Allein für die Neue Nationalgalerie, für die er im stolzen Alter von 76 Jahren den Auftrag erhielt, kehrte der Architekt doch noch einige Male nach Deutschland zurück.
Wer genauer hinschaut, entdeckt im Stadtbild in und um Berlin noch weitere Gebäude des Star-Architekten. So erlangte einer seiner ersten Entwürfe später in einem ganz anderen Zusammenhang Weltruhm. Zu Beginn seiner Karriere entwarf Mies van der Rohe für die Bankiersfamilie Urbig in Babelsberg ein Wohnhaus, damals noch im von Schinkel inspirierten Stil des Neoklassizismus. In ebenjener Villa residierte nach Ende des Zweiten Weltkriegs der britische Premier Winston S. Churchill, als dieser für die Potsdamer Konferenz auf Schloss Cecilienhof nach Deutschland kam.
Obwohl Mies van der Rohe kein Kommunist war, geht der Entwurf für das heute nicht mehr existente Revolutionsdenkmal auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde auf ihn zurück. Er sah diesen 1926 entstandenen Beitrag weniger als politische denn als künstlerische Arbeit. 1927, im gleichen Jahr, in dem der Architekt die weltbekannte Stuttgarter Weißenhofsiedlung plante, wurden auch im Arbeiterbezirk Wedding 88 neue Wohnungen nach seinen Plänen errichtet, man entdeckt sie im Afrikanischen Viertel.
Wäre die Geschichte anders verlaufen, stünden heute vielleicht noch mehr Wohn- und Geschäftshäuser des Architekten in Berlin. Ideen gab es viele. So hatte er in den 1920er-Jahren große Pläne, um der Friedrichstraße eine markante Skyline zu verpassen. Der Entwurf war allerdings schon deshalb nicht umsetzbar, weil damals die Technik fehlte.
Zum offiziellen Architekturwettbewerb war der Plan dann auch gar nicht erst zugelassen. Mies van der Rohe ersann einen verglasten Wolkenkratzer mit 20 Stockwerken. „Wabe“ war der Arbeitstitel, wegen der besonderen Struktur der Fassade. Wie visionär der Architekt dachte, wurde schon an diesem Entwurf sichtbar. Heute steht an dieser Stelle ein gedrungenes Ungetüm in Brauntönen. Am Spreedreieck hatte man zwar den Mythos Mies van der Rohe im Hinterkopf. Dessen Spuren sind dort jedoch verwischt.
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