Das Gebäude der Zentrale Tierlaboratorien der Charité, der sogenannte Mäusebunker, ist eine architektonische Legende: es wird zu den zehn wichtigsten Beispielen für Brutalismus in Deutschland gezählt und zieht Architekturfans aus aller Welt an. Jetzt soll das Gebäude abgerissen werden – doch dagegen regt sich Widerstand.
Gefällig ist er nicht, der Mäusebunker. Hübsch schon gar nicht. Eigentlich weiß man auch nicht ganz, ob man noch in Dahlem ist oder gerade ein Star Wars-Raumschiff auftauchen sieht. Der Betonklotz mit den markanten, aus dem Bau herausragenden Rohren ist eines der bekanntesten Beispiele für Brutalismus in Deutschland. Die Ausstellung „SOS Brutalism“ im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt nannte das 1971 fertiggestellte Gebäude der Architekten Gerd und Magdalena Hänska gar eines der zehn „bedeutendsten brutalistischen Bauwerke Deutschlands“.
Der Mäusebunker, der eigentlich offiziell erst „Zentrale Tierlaboratorien“ hieß und heute „Forschungseinrichtung für Experimentelle Medizin“, und sein Nachbar, das Institut für Hygiene und Umweltmedizin, künden noch von einer anderen Zeit. Einer Zeit, in der „Wissenschaftsgebäude experimentell gebaut wurden“, erklärt Gunnar Klack. Klack, selbst Architekt, ist gemeinsam mit dem Kunsthistoriker Felix Torkar Initiator der Petition „Rettet den Mäusebunker und das ehemalige Institut für Hygiene und Mikrobiologie!“
Das Ensemble aus Mäusebunker und Hygieneinstitut ist in Gefahr
Denn das Ensemble ist in Gefahr: schon 2012 war beschlossen worden, den mittlerweile veralteten Standort aufzugeben. 2017 dann stellte der Besitzer, die Charité, einen Antrag auf Abriss des Gebäudes. Gerade der Mäusebunker, dessen Lüftungsrohre auch mit asbesthaltigem Material verkleidet sind, sei Havarie-gefährdet und eine Nachnutzung sei unwirtschaftlich bis unmöglich.
Stattdessen soll ein internationaler Forschungscampus dort errichtet werden. Klack, Torkar und die Unterzeichner der Petition dagegen fordern, dass beide Gebäude sofort unter Denkmalschutz gestellt werden und die Charité ihre Abrissplanungen stoppt.
„Es dürfte jedem klar sein, dass das Gebäude total einmalig ist und Seltenheitswert hat“, sagt Klack. Er selbst hat über das Hygieneinstitut promoviert und gemeinsam mit Torkar in den vergangenen Jahren Vorträge über das Gebäudeensemble gehalten. Überall versicherten ihnen Architekten und Stadtplaner, wie gut sie den Bau finden: „Wir dachten, dass schon jemand in die Öffentlichkeit treten wird“.
Mäusebunker: ein besonderes Stück Kulturerbe?
Für eine vom Bund Deutscher Architekten Berlin geplante Ausstellung über das Gebäudeensemble diesen August sammelte das Duo Materialien über die Bauten. Als im Zuge der Recherche klar wurde, dass diesen Sommer abgerissen werden soll und immer noch niemand öffentlich für die Gebäude eintrat, verließen sie ihre wissenschaftliche Position und starteten eine Petition für den Erhalt der brutalistischen Ikonen .
Architekten, Wissenschaftler, Stadtplaner und Galeristen aus Berlin und ganz Europa gehörten zu den Erstunterzeichnern. „Alle sind der Meinung, dass das ein besonderes Stück Kulturerbe ist“, führt Klack aus. Die Resonanz auf die Petition sei groß. Klack und Torkar erhalten sogar überraschenderweise keine Hatemail, sondern nur begeisterte Antworten: „Die Leute sind dankbar, dass jemand etwas macht.“
Die Charité sieht die Sache mit dem Denkmalschutz naturgemäß als Bauherrin etwas anders. Wobei ihre Position gar nicht so starr ist, wie es scheint. In Sachen Hygieneinstitut ist „ein Rückbau des Gebäudes seitens der Charité aktuell nicht geplant“. Nur beim Mäusebunker hält man noch daran fest.
Nachnutzungskonzepte zu kostspielig?
Diesen Sommer wird der Umzug in die neue Forschungseinrichtung experimentelle Medizin in Buch abgeschlossen sein und die Klimaanlage und Belüftung des Mäusebunkers werden abgeschaltet. Danach könne man das Gebäude eigentlich nur noch mit Sauerstoffmaske betreten, weil es sonst keine Luftzufuhr gebe. Das heißt aber nicht, dass diese Änderungen irreversibel sind, denn theoretisch könnte auch eine neue Belüftungsanlage eingebaut werden. Allerdings will die Charité auf solche Pläne nur eingehen, wenn es ein Nachnutzungskonzept gibt.
Auch dafür ist ein internationaler Ideenworkshop geplant, bei dem über die Zukunft des Geländes debattiert werden soll. Ein Erhalt wäre also durchaus möglich – doch, so warnt die Bauleitung der Charité, könnte das ein kostspieliger Spaß werden. Der „Mäusebunker“ sei ein hochspezialisierter Bau, heißt es seitens der Bauherrin. „Die besondere Baustruktur und die außerordentlich hohe technische Komplexität mit veralteter und havariegefährdeter Haustechnik, die komplett ersetzt werden muss, machen eine wirtschaftliche Sanierung oder eine wirtschaftliche Alternativnutzung für Wissenschaft und Forschung unmöglich.“
Zukunft des Mäusebunkers: „Alle müssen Kompromisse eingehen“
„Der Eigentümer muss den Wert des Gebäudes erkennen“, meint Gunnar Klack, nur so könne Denkmalpflege erfolgreich werden. Konkrete Nachnutzungspläne sind da der Schlüssel zum Erfolg, auch wenn die Charité solche noch als unwirtschaftlich ablehnt. Sowohl der Mäusebunker, als auch das Hygieneinstitut verfügten eine super Bausubstanz. Sie seien gebaut wie Bunker und damit, laut Klack „dankbar für jeden Bauherren“.
Gegen einen Umbau des Gebäudeinneren hat er nichts: „Alle müssen hier Kompromisse eingehen. Der Denkmalschutz muss erlauben, dass die nächste Nutzung auch an die Bausubstanz ran darf und die Charité muss sich darauf einlassen, das Gebäude zu erhalten.“ Überhaupt ist die gesellschaftliche Debatte über Erhalt oder Abriss vielleicht eines der wichtigsten Ergebnisse der Petition bisher, meint Klack: „Selbst wenn der Mäusebunker abgerissen wird, dann nicht ohne einen Aushandlungsprozess!“
Mehr Informationen zur Rettung des Mäusebunkers findet ihr hier. Die Petition könnt ihr hier unterschreiben.
Was ist Brutalismus? Kult am Bau sagt unsere Autorin Iris Braun. Noch mehr Kultur? Kunst gibt es jetzt im Internet: Museen und Galerien trotzen Corona. Und nicht nur die: unser digitaler Veranstaltungskalender hat Streams aus Clubs, Theatern und Wohnzimmern im Angebot.