Architektur

Mäusebunker: Modellverfahren für die Zukunft der Brutalismus-Ikone

Mäusebunker, so heißt das exzentrisch gestaltete ehemalige Zentrale Tierlaboratorium der Freien Universität Berlin umgangssprachlich. Von 2003 bis 2019 befand sich im Betonkoloss in Lichterfelde der Hauptsitz der Forschungseinrichtung für experimentelle Medizin der Charité, danach sollte eigentlich der Abriss erfolgen. Eine vielbeachtete Petition wollte den polarisierenden Bau retten, und tatsächlich könnte er unter Denkmalschutz gestellt werden. Ideen für den langfristigen Erhalt und die Nachnutzung werden nun im Modellverfahren Mäusebunker gebündelt.

Wie ein altes Schlachtschiff aus Beton: das Mäusebunker genannte ehemalige FU-Tierversuchslabor in Lichterfelde. Foto: Neue Langeweile, 2021

Der Mäusebunker war von Anfang an kontrovers

Wie ein auf Grund gelaufenes Schlachtschiff sieht der Mäusebunker aus, mit Belüftungsrohren, die an Kanonen erinnern, scharfen Kanten und zackigen Fenstern, die den martialischen Eindruck noch verstärken. Die Planungen für die Einrichtung begannen bereits in den 1960er-Jahren, doch erst 1981 war das vollständig mit Sichtbeton verkleidete Gebäude des Architektur-Ehepaars Magdalena und Gerd Häska fertiggestellt. Schon damals war der Bau umstritten: Kritisiert wurden die Nutzung für Tierversuche, aber auch die hohen Kosten – und natürlich die exzentrische Architektur selbst.

Eigentlich sollte der Mäusebunker längst abgerissen sein, doch die Pläne wurden gestoppt, was nicht zuletzt daran liegen dürfte, dass das öffentliche Interesse an Brutalismus in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Das benachbarte Hygieneinstitut steht schon seit Anfang des Jahres unter Denkmalschutz. Das Landesdenkmalamt sieht die Kriterien auch beim Mäusebunker erfüllt.

Von der Seite sieht der Mäusebunker immer noch imposant, aber weitaus weniger bedrohlich aus. Foto: Neue Langeweile, 2021

Waren die wuchtigen, kargen Gebäude im Stil des Brutalismus als Bausünden der 1970er-Jahre verschrien, haben sie längst eine beträchtliche Fangemeinde. Vielleicht, weil Brutalismus nicht nur Zweckbauten und spröde Verwaltungsarchitektur hervorbrachte, sondern auch sozialen Wohnungsbau in einer Größenordnung, die angesichts eines Jahr für Jahr katastrophaleren Wohnungsmarktes utopisch wirkt. Oder weil brutalistische Architektur sich heute umso mehr im Stadtbild behaupten kann, als Neubauten vornehmlich vollverglast daherkommen oder aussehen, als hätte man klassische Moderne auf Wish bestellt.

Die Nachnutzungspläne für den Mäusebunker waren vielfältig: Berliner Studierende schlugen etwa den Umbau zu einer Kletteranlage vor, als spektakuläre Ergänzung zu anderen Berliner Orten zum Bouldern. Und der Galerist Johann König wünschte sich einen Ausstellungsort im Mäusebunker. Erfahrung damit hat er: Die König Galerie an der Alexandrinenstraße ist in einer brutalistischen ehemaligen Kirche untergebracht – eine der spannendsten Sehenswürdigkeiten in Kreuzberg.

Modellverfahren vom Landesdenkmalamt

Das Landesdenkmalamt hat nun eine Plattform gestartet, um die Zukunft des Mäusebunkers langfristig zu gestalten. „Modellverfahren Mäusebunker“ ist der Titel des Projektes, das klären soll, welche Zukunft das Hänska-Gebäude in Lichterfelde hat. Zunächst ist eine Website live gegangen, die über Hintergründe des Prozesses aufklärt und auf Veranstaltungen aufmerksam macht.

Dass Brutalismus in der Kunst- und Architekturwelt einen neuen Stellenwert hat, bewies nicht nur der internationale Aufschrei, als dem Mäusebunker die Abrissbirne drohte. Auch eine Ausstellung im Rahmen der venezianischen Architekturbiennale würdigt das Gebäude und dessen beeindruckendes ästhetisches Konzept: „Experimental Setup BERLIN. Architetture di G+M Hänska I Fehling + Gogel“ ist in Venedig zu sehen, kuratiert von Ludwig Heimbach.

Die Zukunft bringt Debatten und offene Fragen

Programm gibt es jedoch nicht nur in Italien, sondern natürlich auch in Berlin. Zunächst mit einem Talk unter dem Titel „Mäusebunker und Hygieneinstitut. Das solistische Ensemble: Ein städtebaulicher Exkurs“ am 10. September. Zu den Teilnehmer:innen gehören Kultursenator Klaus Lederer, Landeskonservator Christoph Rauhut, Ludwig Heimbach, die beiden Initatoren der Petition zur Rettung des Mäusebunkers Gunnar Klack und Felix Torkar und viele weitere. Auch beim Tag des offenen Denkmals am 11. und 12. September wird der Mäusebunker eine Rolle spielen.

Schon jetzt gibt die vom Landesdenkmalamt lancierte Website jedoch einen gelungenen Überblick über Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Bauwerks in Lichterfelde. Neben Gutachten und Planmaterialien für den Themenkomplex Denkmalschutz gehen die Inhalte allerdings weit darüber hinaus. Dass Abriss und Neubau schon aus ökologischer Sicht nicht die verantwortungsvollste Lösung sein könnten, scheint da fast selbstverständlich. Wie im Einklang mit der Umwelt und im Kontext der Stadtentwicklung zukünftige Nutzungen möglich werden, wird die Zukunft zeigen.


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