Architektur

Diese Stadtplaner*innen prägten Berlin: Von Lenné über Hobrecht bis Lüscher

Von der Preußenzeit bis heute haben Stadtplaner*innen in Berlin ihre Visionen verwirklicht. Die Pläne waren und sind dabei ganz unterschiedlich: Berlin als menschenfreundliche, moderne, gigantomanische oder innovative Stadt. Wir haben einen Ritt durch die Geschichte unternommen und in die DNA der Stadt geschaut. Diese Stadtplaner*innen haben Berlin geprägt.


Peter Joseph Lenné

Luisenstädtischer Kanal um 1900, als das Kreuzberger Engelbecken mit Wasser gefüllt war. Die Anlage geht auf den Stadtplaner Lenné zurück. Foto: gemeinfrei
Luisenstädtischer Kanal um 1900, als das Kreuzberger Engelbecken mit Wasser gefüllt war. Die Anlage geht auf den Stadtplaner Lenné zurück. Foto: gemeinfrei

Peter Joseph Lenné hatte sich schon als Landschaftsarchitekt und
grandioser Gartengestalter in Preußen Verdient gemacht, als ihm König Friedrich Wilhelm IV. 1840 die städtebauliche Planung Berlins übertrug.

Sein Entwurf „Projectirte Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster
Umgebung“ verband die ökonomischen Erfordernisse eines stetig wachsenden Berlins mit den kulturellen und gesundheitlichen Bedürfnissen der Bevölkerung. Dafür sah der Plan zahlreiche Kanäle, Plätze, Grünanlagen und Promenaden für die Naherholung vor. Somit bildete er die Grundlage für Berlin, wie wir es heute kennen.


James Hobrecht

Übersichtskarte des Bebauungsplans der Umgebungen Berlins. Der Hobrechtplan prägte die Berliner Stadtplanung nachhaltig. Foto: gemeinfreiFoto: gemeinfrei
Übersichtskarte des Bebauungsplans der Umgebungen Berlins. Der Hobrechtplan prägte die Berliner Stadtplanung nachhaltig. Foto: gemeinfrei

Es ist laut, es stinkt und es ist viel zu eng: Als Berlin im Zuge der Industrialisierung einen Wirtsschafts- und Bevölkerungsboom erlebt, platzt die Stadt aus allen Nähten. Der preußische Stadtplaner James Hobrecht soll Ordnung in das Chaos bringen. Der sogenannte Hobrecht-Plan von 1862 prägt Berlin bis heute.

Der Generalplan stellte nur Baufluchten und Straßen dar, denen ein Raster von Ring- und Radialstraßen mit relativ großen Blockgrößen zu Grunde lag. Für die Ausgestaltung der Siedlungsblöcke schwebte dem sozialorientierten Hobrecht eine Mischung der Milieus vor: schicke Vorderhäuser für Handel, Gastronomie und Bürgertum, simplere Hinterhäuser mit Gewerbe sowie günstigem Wohnraum für die Arbeiterschaft. Dazwischen Grünanlagen, Gärten und Spielplätze für Kinder.

Bereits von Lenné angedacht und von Hobrecht übernommen: Der Generalszug. Die großzügig angelegte Straßen- und Platzfolge erinnert an die Generäle der Befreiungskriege 1813–1815 gegen Napoleon I. Foto: Emmridet/Wikimedia

Die zu schnelle anwachsende Bevölkerungszahl sowie das Profitstreben der Grundbesitzer führten jedoch dazu, dass die Blöcke nicht nur am Rand, sondern über mehrere Hinterhöfe bebaut wurden. Die so entstandenen dunklen, feuchten und engen Mietskasernen sowie die auf’s Minimum zusammengeschrumpften Höfe waren nicht in Hobrechts Sinne.

Immerhin gelang es dem Stadtplaner die hygienischen Bedingungen und damit die Gesundheit der Stadtbewohner erheblich zu verbessern. Mit dem von ihm konzipierte und umgesetzte Kanalisationssystem hatte Berlin Ende des 19. Jahrhunderts die modernste Entwässerung der Welt und galt als sauberste Stadt. Mehr zu James Hobrecht lest ihr hier.


Martin Wagner

Erholungsmöglichkeiten für die Bevölkerung gehörten für den Stadtplaner Martin Wagner zu einer modernen Metropole. Er ließ das Strandbad Wannsee errichten. Foto: Imago Images/Arkivi

Als sich Berlin in den 1920er-Jahren aufmachte, eine Metropole zu werden, sorgte Martin Wagner für ihr modernes Antlitz. Der Architekt, Stadtplaner und Theoretiker war mit Architekten wie Bruno Taut, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe oder Hans Scharoun befreundet und stand mit ihnen für eine zukunftsweisende, zugleich auf Gemeinnützigkeit ausgerichtete Stadtarchitektur.

Als Architekt war Wagner unter anderem an der Hufeisen-Siedlung in Britz (UNESCO-Weltkulturerbe) beteiligt. Zu seinen Projekten gehört auch die Splanemann-Siedlung in Friedrichsfelde, bei der die Häuser aus vorgefertigten Wandtafeln montiert wurden – Deutschlands erste Plattenbauten.

Der Stadtplaner Martin Wagner hat in Berlin zahlreiche Großsiedlungen bauen lassen, wie die Hufeisenssiedlung in Britz. Foto: Sebastian Trommer

In seiner Amtszeit als Berliner Stadtbaurat von 1926 bis 1933 entstanden weitere Großssiedlungen wie die Siemensstadt im Norden Charlottenburgs oder die Weiße Stadt in Reinickendorf. Sein Ziel, Berlin zu einer „Weltstadt“ zu machen, verfolgte er mit dem Ausbau der U-Bahn, der Planung für den Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude oder dem Umbau des Alexanderplatzes. Martin Wagner prägte auch den Begriff „Stadtring“, eine Ringstraße, die er vom Hobrechtplan in seine Planung übernahm – heute die unvollständige A100.


Albert Speer

Als Stadtplaner hatte Albert Speer den kompletten Umbau vor. Sein „Germania“ wurde nie verwirklicht. Foto: KaterBergemot/Wikimedia Commons

Adolf Hitler und sein Lieblingsarchitekt Albert Speer hatten große Pläne für Berlin, besser gesagt größenwahnsinnige. Als „Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt“ (GBI) war Speer mit der Umsetzung seiner gigantomanischen Umbaupläne für „Germania“ betraut. Einige Teile davon führte er mit der ihm unterstellten Behörde zwischen 1937 und 1943 aus.

Zentrale Elemente des Plans sahen eine Ost-West sowie Nord-Süd-Achse vor. An deren Kreuzung nahe dem Brandenburger Tor sollte sich sich die Große Halle erheben und den Kopf einer Prachtstraße bilden, die mit einem massiven Triumphbogen im Süden abschloss. Dafür wurden im Spreebogen und in Tempelhof ganze Stadtquartiere abgerissen. Die Stadtplanung war nicht auf das Wohl der Stadtbewohner*innen, sondern auf die Demonstration der nationalsozialistischen Weltmachtsansprüche ausgelegt.

Auch wenn Albert Speer einige Bauten in Berlin realisieren konnte, seine Germania-Pläne blieben durch Zweiten Weltkrieg größtenteils unverwirklicht. Einige Spuren davon sind dennoch zu finden. So entspricht der Straßenverlauf von der Heerstraße über die Bismarckstraße bis Ende der Straße des 17. Juni im Wesentlichen seiner Gestaltung. Außerdem ließ Speer die Siegessäule vom heutigen Platz der Republik vor dem Reichstag auf den Großen Stern versetzen.


Hans Scharoun

Das ausgebombte Berlin bot zahlreiche Möglichkeiten der Neugestaltung für Stadtplaner. Foto: Imago Images/United Archives
Das ausgebombte Berlin bot Stadtplaner*innen zahlreiche Möglichkeiten der Neugestaltung. Foto: Imago Images/United Archives

Nach Kriegsende war der bedeutende Architekt Hans Scharoun 1945 Stadtbaurat in den Magistrat von Groß-Berlin. „Die mechanische Auflockerung durch Bombenkrieg und Endkampf gibt uns jetzt die Möglichkeit einer großzügigen organischen und funktionellen Erneuerung“, erklärte er 1946. Sein „Kollektivplan“ sah eine grundlegende Neustrukturierung der Stadt und große autogerechte Trassen im Stadtbild.

Die Pläne wurden zwar nicht direkt umgesetzt, denn Scharouns Nachfolger Karl Bonatz hielt nicht von seinen Plänen und die Teilung Berlins machte einen Gesamtplan obsolet. Dennoch sollten seine Idee einer modernen, aufgelockerten und durchgrünten, aber auch autogerechten Stadtstruktur in die folgende Gestaltung Westberlins einfließen. Sehen kann man das heute am West-Berliner Prestigeprojekt Hansaviertel – eine der gelungensten Großwohnsiedlungen in Berlin. Der Mehringplatz sowie das Kulturforum mit der vom Architekten selbst entworfenen Berliner Philharmonie gehen direkt auf Scharouns Entwürfe zurück.


Egon Hartmann

Festumzug am Strausberger Platz während der Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jahrestages der DDR. Das Ensemble geht auf den Stadtplaner Egon Hartmann zurück. Foto: Imago Images/Stana F
Festumzug am Strausberger Platz während der Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jahrestages der DDR. Das Ensemble geht auf den Stadtplaner Egon Hartmann zurück. Foto: Imago Images/Stana F

Mit der Teilung Berlins entwickelten sich in Ost und West unterschiedliche stadtplanerische Visionen, wie der Wohnungsnot begegnet und wie aus einer Trümmerlandschaft entsprechend dem kapitalistischen beziehungsweise sozialistischen System die Stadt der Zukunft werden sollte.

Berlin war die Hauptstadt der DDR und sollte entsprechend Repräsentationscharakter haben. Der Architekt und Stadtplaner Egon Hartmann reichte 1951 seinen Entwurf für den Gestaltungswettbewerb für die Bebauung der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee, ab Frankfurter Tor Frankfurter Allee) ein. Er konnte mit seinem Plan zwar nicht komplett überzeugen, dieser wurde jedoch zur Grundlage einer Gesamtplanung der monumentalen Prachtstraße verwendet. Neben der breiten Straße und den großzügigen Boulvards beeindruckten Bauten des DDR-Architekten Hermann Henselmann, der Sozialistischen Klassizissmus mit der preußischen Schinkelschule verband.


Heinz Graffunder

Plattenbauten in Marzahn. Foto: Volker Hohlfeld

Als Chefarchitekt hatte Heinz Graffunder bedeutenden Einfluss auf die Wohnungsplanung Ost-Berlins in den 1970er- und 80er-Jahren. Er leitete das Entwurfkollektiv für den Palast der Republik, bevor er sich der Stadterweiterung des Nordostens von Berlin annahm. So plante und leitete er den Aufbau des Stadtbezirkes Marzahn-Hellersdorf . Wie bereits beim Palast der Republik zeigt sich hier sein Interesse an der industriellen Bauweise und ihrer Gestaltung.


Werner Düttmann

Der Stadtplaner Werner Düttmann konzipierte das Märkische Viertel, eins der größten Neubauviertel Deutschlands. Foto: Imago Images/Sven Simon
Der Stadtplaner Werner Düttmann konzipierte das Märkische Viertel, eins der größten Neubauviertel Deutschlands. Foto: Imago Images/Sven Simon

Kaum ein Architekt und Stadtplaner hat West-Berlin so geprägt wie Werner Düttmann. 1960 wurde der Scharoun-Schüler zum Senatsbaudirektor berufen und hatte damit eine Schlüsselposition der Stadtplanung inne. So war er maßgeblich an der Durchführung von großflächigen Sanierungsmaßnahmen in Kreuzberg beteiligt, insbesondere im Bereich um das Kottbusser Tor.

Er entwarf die Neugestaltung des Ernst-Reuter-Platzes und leitete zahlreiche soziale Wohnbauprojekte. Das berühmteste ist das Märkisches Viertel in Reinickendorf, das er zusammen mit den Architekten Hans Christian Müller und Georg Heinrichs realisierte.

Dabei orientierten sie sich an Scharouns Ideen von einer Stadtlandschaft mit Wohnhochhäusern, Einkaufs- und Dienstleistungszentren sowie Grünflächen. Die schlechte Verkehrsanbindung und mangelnde Kultur-sowie Freizeitangebote sorgten für ein schlechtes Image der Wohnanlage in den ersten Jahren – und offenbarten die Schwächen einer solchen Planung.


Hans Stimmann

An der Friedrichstraße lassen sich zwei Grundsätze des Stadtplaners Stimman erkennen: Traufhöhe bis 33 Meter und möglichst viel Stein. Foto: Imago Images/Bernd Friedel

Hans Stimmann hat in der Nachwendezeit das Stadtbild geprägt und war in den 1990er-Jahren für die Entwicklung des sogenannten Planwerk Innenstadt verantwortlich – dem wohl ersten Gesamtplan für Berlin seit Hobrecht. Dieser wurde 1999 vom Berliner Senat als städtebauliches Leitbild beschlossen.

Die von Autobahnfragmenten, Mauerstreifen, überbreiten Straßen, undefinierten Freiräumen und den unterschiedlichen Bauten der Moderne zerrissene Stadt sollte in ein ansprechendes Gesamtbild des historischen Zentrums und der City-West umgestaltet werden.

Stimmann setzte sich in Anbetracht der bauwütigen Inverstoren und gestaltungswilligen Stararchitekten mit ihren großen Bauvorhaben und innovativen Entwürfen für einen kontextuellen Städtebau ein. Dieser orientiert sich am historischen Stadtgrundriss und der jeweiligen lokalen Bautypen.

Das Planwerk Innenstadt wurde konstant überarbeitet und Anfang 2011 durch das Planwerk Innere Stadt abgelöst.


Regula Lüscher

Visualisierung vom Alexanderplatz der Zukunft. Die Stadtplanerin Regula Lüscher ist Senatsbaudirektorin Berlins und steht historischer Rekonstruktion skeptisch gegenüber. Foto: Covivio/Sauerbruch Hutton
Visualisierung vom Alexanderplatz der Zukunft. Die Stadtplanerin Regula Lüscher ist Senatsbaudirektorin Berlins und steht historischer Rekonstruktion skeptisch gegenüber. Foto: Covivio/Sauerbruch Hutton

Seit 2007 ist Regula Lüscher als Senatsbaudirektorin für die städtebauliche Entwicklung der Hauptstadt verantwortlich. Die Schweizerin steht für eine Stadtgestaltung, die sich am Neuen Bauen der Mitte des 20. Jahrhunderts orientiert. Damit erteilt sie historischen Bezügen zu Bautraditionen, der Kontextualisierung zum Stadtbild vor dem Zweiten Weltkrieg und Rekonstruktionen weitestgehend eine Absage.

Das Stadtschloss konnte sie zwar nicht verhindern, setzte jedoch eine minimalistische Umfeldgestaltung des Humboldt Forums durch. Diese besteht im Wesentlichen aus einer gepflasterten Fläche. Das bringe das 21. Jahrhundert an den Ort und außerdem müssten die vielen Reisebusse irgendwo parken, so Lüscher.

2020 wurde das unter Lüschers Leitung konzipierte Hochhausleitbild für Berlin verabschiedet. Inwiefern es die „Interessen zwischen dem Immobilienmarkt und den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger Berlins ausgleichen“ wird, so wie es der Senat verkündet hat, wird die Zukunft zeigen.


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