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BER-Showdown

Protest zur BER-Eröffnung: Taxifahrer und Umwelt-Aktivisten sind sauer

Berlins Taxifahrer*innen bangen um tausende Arbeitsplätze, Klima- und Umweltaktivist*innen wollen den Flughafen lahmlegen: Die lang ersehnte BER-Eröffnung wird von Protesten überschattet sein.

Vieles, das 2020 passiert, ist kaum zu glauben, aber eben doch wahr. Zwei Beispiele, die keiner 2019 geglaubt hätte: Die Welt wird von einer Pandemie regiert. Und der BER, der Berliner Pannenflughafen, wird am 31. Oktober 2020 endlich öffnen – nach mittlerweile 14 Jahre anhaltendem Theater. Dass bald die ersten Flugzeuge mit Passagieren an Bord über die Landebahn rollen, könnte als Grund zur Freude anmuten. Aber was die einen freut, ärgert die anderen: Zur Eröffnung des BERs sind zahlreiche Protestaktionen geplant.

BER-Eröffnung Endlich soll der BER öffnen. Die Meinungen zum Berliner Prestige-Flughafen gehen aber auseinander.
Endlich soll der BER öffnen. Die Meinungen zum Berliner Prestige-Flughafen gehen aber auseinander. Foto: imago images/Gudath

Kaum Berliner Taxis zugelassen: Tausend Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Es ist das Ende der Ära Dauerbaustelle, in der der Berliner Willy-Brandt-Flughafen nach über einer Dekade vom Prestige-Projekt zur Lachnummer und zum Luftschloss verkommen ist. Für Berlins Taxifahrer ist es trotzdem keine gute Nachricht, dass der BER an diesem Samstag, dem 31.Oktober 2020, offiziell Eröffnung feiert – und Tegel nun endgültig geschlossen wird.

Denn nur 300 der insgesamt 7300 Taxis in Berlin haben eine sogenannte Ladeberechtigung am BER. Das heißt, sie dürfen ankommende Fluggäste vom neuen Flughafen abholen und nach Berlin fahren. Den restlichen 7000 Taxis bleibt dies verwehrt. Sie können, oder vielmehr müssen Personen aufgrund der Beförderungspflicht jedoch zum neuen Flughafen hin befördern. Danach sind sie gezwungen leer, also ohne Fahrgäste, in die Stadt zurückzufahren.

Taxi-Planung kommt für Branche einer Bankrotterklärung gleich

Insgesamt 600 Taxis sollen künftig am neuen Flughafen bereitstehen, 300 aus Berlin und 300 aus dem Landkreis Dahme-Spreewald. Das Taxi-Kontingent kann bei Bedarf auf 1100 Taxis erweitert werden. Doch auch diese Zahl mutet angesichts der zu erwartenden Fluggastzahlen am neuen BER unlogisch an.

2019 haben sich 6000 Taxifahrer*innen um rund 24 Millionen Fluggäste in Tegel gekümmert. Künftig sollen jetzt also 600 beziehungsweise 1100 Taxis schätzungsweise 34 Millionen Fluggäste jährlich bedienen.

Die leeren Taxifahrten sind ökologisch bedenklich und bedeuten eine mittlere Bankrotterklärung für die Berliner Taxibranche. Tausende Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

Ihre Ängste und Forderungen hat die Taxigruppe Berlin Bürgermeister Michael Müller bereits in einem Brief nahegelegt. Am Tag der Eröffnung selbst wollen nun 2000 Berliner Taxifahrer am BER selbst ein Zeichen setzen.

Taxi-Demo-Organisator: „Eine Blamage für Berlin“

Hüsamettin Ülgen ist einer der Taxifahrer*innen, der die Sternfahrt zum neuen Flughafen organisiert, um die prekäre Situation zu unterstreichen. Geplant ist eine „symbolische Fahrt“ vom alten Flughafen Tegel zum BER. Vor Ort wollen die 2000 Fahrerinnen dann eine Kundgebung abhalten.

BER-Eröffnung Taxis am Berliner Flughafen Tegel: 5000 zugelassene Taxis haben 2019 "gerade einmal so gereicht".
Taxis am Berliner Flughafen Tegel: 5000 zugelassene Taxis haben 2019 „gerade einmal so gereicht“. Foto: imago images/Zeitz

Taxifahrer Ülgen betont, 5000 Taxis hätten das Passagieraufkommen am alten Flughafen Tegel „gerade einmal so“ bewältigen können. Die Taxi-Verordnung des BERs werde in ihrer jetzigen Form also sicher „eine neue Blamage für Berlin“.

Umwelt-Aktivist*innen wollen BER-Eröffnung „massiv stören“

Nicht glücklich über die geplante Eröffnung des BER, wenn auch aus anderen Gründen, sind Berliner Umwelt-Aktivist*innen. Der Interessenverband „Am Boden bleiben“ hat für den Eröffnungstag zu einer Aktion zivilen Ungehorsams augerufen.

Unter dem Motto „Die coolsten Vögel bleiben am Boden“ wollen in Pinguin-Kostüme gekleidete Aktivist*innen die BER-Eröffnung torpedieren. Laut Lena Tucnak, der Sprecherin von Am Boden bleiben, erwarte man mehrere Hundert Gleichgesinnte.

Die Demo-Aktion wird derzeit über einen geheimen Telegram-Kanal organisiert. „Unser Ziel ist es, dass der breiten Bevölkerung bewusst wird, wie schädlich Flugverkehr für unser Klima ist“, sagt Tucnak.

Extinction Rebellion und Berliner Umwelt-Bund demonstrieren auch

Und noch weitere Protestaktionen sind in Planung. So ruft die Berliner Jugend des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zu einer Demonstration auf, die am S-Bahnhof Schönefeld starten soll. Weitere Initiatoren der Demo sind die Aktivisten von Extinction Rebellion und Fridays for Future Berlin. Gefordert wird „ein Ende der klimaschädlichen Subventionen der Flugindustrie“.

Parallel soll am Berliner Platz der Luftbrücke vormittags eine Fahrrad-Demo starten, zu der auch explizit von der Initiative Am Boden bleiben und den Berliner Aktivist*innen von Extinction Rebellion Berlin aufgerufen wird.

Es ist das denkbar ungünstigste Jahr, dass sich die Flughafenleitung für die BER-Eröffnung hätte aussuchen können. Der Flugverkehr wird weltweit durch Corona eingeschränkt, Menschen sind in Aufruhr, bangen um ihre Existenz.

Bleibt abzuwarten, wie feierlich die Eröffnung am 31. Oktober ausfallen wird. Taxifahrer Hüsamettin Ülgen ist jedenfalls nicht zum Feiern zumute. „Der BER gehört zu Berlin“, sagt er. Er kann nur hoffen, dass der Protest am Samstag etwas für ihn und seine Kolleg*innen bewirkt.


Der Flughafen Tegel schließt am 7. November 2020, zu diesem Anlass bieten manche Airlines Abschiedsrundflüge an. tip-Autorin Xenia Balzereit findet Nostalgie auf Kosten der Umwelt unverantwortlich. Der tip-Autor Max Müller sieht es anders – für ihn ist so ein Rundflug vor allem eins: Vergnügen. Für Berlins Taxifahrer war 2019 wegen Corona schon schwierig.

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