Berlin im Jahr 1995: Christo und Jeanne-Claude verhüllen im Sommer den Reichstag, kurz bevor der historische Bau vom Bundestag bezogen wurde. In den U-Bahnhöfen fertigen noch echte Menschen die Züge ab, es gibt noch innerstädtische Brachen, und ausrangierte Trabanten stehen vergessen auf den Straßen herum. Unter dem Brandenburger Tor fahren Autos hindurch und die PDS trifft sich zum Parteitag. Hier blicken wir auf Berlin im Jahr 1995 zurück.
Ein Kunstfest für Berlin: Reichstagsverhüllung 1995
Die Idee für die Verhüllung des Reichstags entwickelte der Konzeptkünstler Christo bereits um 1970. Ein Vierteljahrhundert später verwirklichte er seinen Traum. Er ließ im Sommer 1995, gemeinsam mit seiner Ehefrau Jeanne-Claude, das Gebäude mit einem speziell für den Zweck entwickelten Gewebe verkleiden. Der silbrigweiße Stoff betonte die Konturen des Baus und verwandelte ihn in ein visuelles Erlebnis. Die Kunstaktion strahlte auf die gesamte Stadt ab. Es meldeten sich hunderte Freiwillige, die bei der Verhüllung mithalfen. Kleine Viereckchen des Gewebes wurden verschenkt, und auf dem Gelände vor dem Reichstag entwickelte sich eine Festivalstimmung. Ein ähnliches Kunstprojekt, die Verhüllung des Triumphbogens in Paris im Jahr 2021, konnte Christo selbst nicht mehr erleben – er starb im Mai 2020.
Es gibt sie noch, die U-Bahn-Abfertiger
„Wir treffen uns beim DJ“, so hat man sich einst in Berlin auf U-Bahnhöfen verabredet und meinte damit die Häuschen der U-Bahn-Abfertiger, die an den meisten U-Bahnhöfen, schick uniformiert, die ein- und abfahrenden Züge an- und abmoderierten. Irgendwann waren die BVG-DJs verschwunden und das „Zurückbleiben, bitte“ schallt fortan mechanisch aus den Lautsprechern. Schade. Die Abfertiger und diese Dinge sind (fast) aus Berlin verschwunden.
Auf dem Friedhof der Geschichte: Trabanten
Um 1995 endete die Ära der Trabi-Leichen, denen man in Berlin der frühen 1990er immer wieder begegnete. Dieses mintgrüne Modell stand 1995 aber immer noch an einer Brandmauer herum, an die jemand „Es lebe der 1. Mai 93“ pinselte.
Charlotte von Mahlsdorf – bürgerlich und subversiv
Geboren 1928 in Berlin-Mahlsdorf packt Lothar Berfelde schon früh die Sammelleidenschaft, vor allem aus der Gründerzeit. Berfelde fühlt sich als Frau, übernimmt 1960 das ruinöse Gutshaus Mahlsdorf und baut es zum Gründerzeitmuseum aus. Die stets liebenswürdige Charlotte von Mahlsdorf sammelte fast zwei Dutzend komplette Zimmereinrichtungen, mit besonderem Schwerpunkt auf mechanischen Musikmaschinen – vieles davon ist heute noch im Gründerzeitmuseum zu sehen, welches seit 1972 unter Denkmalschutz steht. Sie rettete nebenbei auch noch die Mulackritze, die letzte vollständig erhaltene Berliner Kneipe des Scheunenviertels, vor dem Abriss und richtete im Untergeschoss des Gutshauses Mahlsdorf im Originalzustand ein. 1995 entstand diese Aufnahme von Charlotte von Mahlsdorf in ihrem Domizil. Mehr Berliner Originale: Legenden, die die Stadt einst prägten.
Stau unterm Brandenburger Tor
Am 9. November 1989 stand das Brandenburger Tor erneut im Mittelpunkt der deutschen Geschichte. Diesmal jedoch als Symbol der Freiheit. Als die Mauer fiel, feierten die Menschen aus Ost und West vor der historischen Kulisse und lagen sich lachend und weinend in den Armen. 1995 durften noch Autos durch das Brandenburger Tor hindurchfahren.
The Kelly Family gibt ein Konzert am Palast der Republik
1995 stand im Zeichen von The Kelly Family, tausende Fans versammelten sich am Palast der Republik, um der Pop-Familie zu lauschen. Hier sind 12 unvergessene Konzerte in Berlin – Legenden live von den Ärzten bis Seeed.
Die PDS und Sahra Wagenknecht
Die SED war Geschichte, 1994 starb Erich Honecker im Exil in Santiago de Chile. In Berlin organisierten 1995 die einstigen Genossen um Gregor Gysi und die heute umstrittene Sahra Wagenknecht einen Parteitag der Nachfolgepartei PDS. Die Linke und BSW waren da noch Zukunftsmusik. Die AfD auch.
Innerstädtische Brachen im Botschaftsviertel
Innerstädtische Brachen haben lange das Bild von Berlin bestimmt. Nach dem Krieg entstanden in vielen Bezirken Leerstellen, die aufgrund der politischen Situation nicht gleich aufgefüllt wurden. Zu Mauerzeiten blieben diese urbanen Narben bestehen. Innerstädtische Grundstücke lagen plötzlich am Stadtrand, und Investitionen in Einöden wollte man weder in Ost noch West tätigen. Potsdamer und Leipziger Platz wurden zu unwirtlichen Orte, alte Bahngelände verfielen, Brachen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg boten der Natur Raum zur Entfaltung. Andere wurden von Künstlern, Aussteigern oder der Partyszene genutzt.
Demo gegen Wohnungsleerstand Prenzlauer Berg
In Prenzlauer Berg stand schon vor dem 9. November 1989 viel leer, doch nach der Wende beschleunigte sich die Entwicklung. Kleine Läden hielten der neue Konkurrenz aus dem Westen nicht stand. Moderne Supermärkte und große Kaufhäuser machten sich breit. So gehörte Leerstand zum Alltag in Prenzlauer Berg der 1990er-Jahre dazu. 1995 organisierte sich eine Bürgerinitiative und machte darauf aufmerksam.
Abrissarbeiten und der Bau einer neuen Stadt
In den 1990er-Jahren schrumpfte Berlin, man schloss Schulen und die hoch verschuldete Stadt trennte sich schon bald von den landeseigenen Wohnungen. Auf der anderen Seite konnten findige Investoren in jener Zeit das Geschäft ihre Lebens machen. Wer den richtigen Riecher hatte, für den war der Prenzlauer Berg in den 1990er-Jahren eine Goldgrube.
Johannes Heisig inmitten seiner Werke
Der 1953 geborene Maler, Zeichner und Grafiker war lange mit seiner Geburtsstadt Leipzig verbunden, die vor allem auch sein Vater, der Maler Bernhard Heisig, als Vertreter der „Leipziger Schule“ prägte. Dann wurde Johannes Heisig Professor und Rektor der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. 1995 zog es ihn nach Berlin, wo er ein Atelier bezog, in dem das Foto entstand. Mehr Berliner Künstler und ihre Ateliers –Arbeiten in heiligen Hallen.
Schlittschuhläufer auf der zugefrorenen Havel
1995 war der Winter lang und kalt, sogar die Havel fror zu, viele Berliner trauten sich aufs Eis. Wo man sonst noch Schlittschuhlaufen kann: Wir zeigen euch die Berliner Eisbahnen, auf denen ihr euer Talent beim Schlittschuhlaufen unter Beweis stellen könnt. Schleift die Kufen und dann ab aufs Eis mit euch!
Ein Jahrzehnt zuvor: Berlin 1985 in Bildern: Lady Diana, Boris Becker und BUGA So sah es 20 Jahre zuvor in der Stadt so aus: Bilder von Berlin im Jahr 1975. So in den Sixties: Berlin 1965 in Bildern: Europa Center, Passierscheine und Kosmonauten und so noch einmal zehn Jahre früher: Berlin 1955 in Bildern: Charlottenburg, Willy Brandt und Sommerbäder. Und hier spüren wir legendären Berliner Bühnen nach: Theater und Opernhäuser, die es nicht mehr gibt. Wir erzählen die Geschichte vom Berliner Schloss zum Humboldt Forum in Fotos. Auch sehenswert ist die Fotogalerie mit Bildern vom Kriegsende 1945 und denselben Orten in der Gegenwart. Mehr zur Geschichte Berlins lest ihr in dieser Rubrik.