Selber Schrauben, Nähen, hämmern im REPAIR CAFЙ
Auf dem Tisch liegt ein aufgeschraubtes PC-Gehäuse, das den Blick auf Platinen und bunte Drähte freigibt. Über den „Patienten“ beugen sich zwei Frauen und ein Mann. Es sind Besucher des ersten Berliner Repair Cafйs, das vor rund einem Monat nach holländischem Vorbild und auf Initiative von „Kunst-Stoffe“, der Zentralstelle für wiederverwendbare Materialien e.V., entstanden ist. Denn die Problematik, die zu den Repair Cafйs geführt hat, ist in allen industrialisierten Ländern ähnlich: Die Gegenstände, mit denen wir uns im Alltag umgeben, gehen oft schon kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputt, Reparaturen in Profi-Werkstätten aber sind oft teurer als eine Neuanschaffung. Folge: Die Müllberge wachsen.
„Repair Cafйs sind Selbsthilfe-Werkstätten“, sagt Elisa Garrote Gasch. Die Künstlerin, in deren Atelier das Repair Cafй derzeit stattfindet, kennt sich mit Wiederverwertung aus: Ihre Kunstwerke kreiert sie aus ausgedienten Feuerzeugen oder Plastikdosen. Wobei es im Repair Cafй erst mal ganz pragmatisch um den Erhalt von Möbeln, Kleidung oder Haushaltselektronik geht. „Am besten, die Teilnehmer mailen vor dem nächsten Termin, was sie reparieren wollen“, sagt Garrote Gasch. „Wir fragen dann unsere ehrenamtliche Experten an, ob sie zur Unterstützung dazukommen.“
Text: Eva Apraku
Fotos: Oliver Wolff
Repair Cafй
jeden 1. Mo im Monat, nächster Termin: 4.3., 16–19 Uhr, Alexandrinenstraße 4, Kreuzberg, Teilnahme kostenlos, Kuchenspende erwünscht, [email protected]
Verflochten: Korbmöbel Reparatur bei KORB-JACOB
„Wenn ich sitze, will ich nicht sitzen, wie mein Sitzfleisch möchte, sondern wie mein Sitz-Geist sich, säße er, den Stuhl sich flöchte“, schrieb einst Christian Morgenstern in dem Gedicht „Der Ästhet“. Dieser Wunsch allerdings gestaltet sich manchmal schwierig. Etwa dann, wenn das Flechtwerk zerrissen ist oder dem Stuhl ein Bein fehlt.
Der 1918 gegründete Familienbetrieb Korb-Jacob, der inzwischen in dritter Generation von Werner Jacob betrieben wird, hat sich auf die Herstellung und Reparatur von Korbmöbeln und Stühlen spezialisiert. Das Schlimmste, was dem gelernten Korbflechter je untergekommen ist, war ein in 20 Einzelteile zerlegter Stuhl.
Bevor sich der Handwerker ans Werk macht, identifiziert er anhand einschlägiger Merkmale, ob es sich beispielsweise um einen Jugendstil- oder Chippendale-Stuhl handelt. „Jeder Stuhl hat andere Schmerzen“, sagt Jacob, und darum gebe es auch kein Patentrezept für die Reparatur, sondern sei Erfindungsreichtum gefragt. Ob sich die Reparatur lohnt, hängt vor allem vom ideellen Wert ab. Die Reparatur des Flechtwerks eines Biedermeier-Stuhls beispielsweise liegt bei circa 80 Euro. Die vollständige Wiederherstellung von Großvaters Schaukelstuhl mit allen Holz- und Lackarbeiten kann dagegen auf 1?500 Euro kommen. Möglich ist fast alles: Auch durch Holzwürmer beschädigte Stühle oder ramponierte Treppengeländer hat Werner Jacob wieder auf Vordermann gebracht.
Text: Lea-Maria Brinkschulte
Fotos: Oliver Wolff
Korb-Jacob
Habersaathstr. 32, Mitte, Tel. 281 36 50, www.korb-jacob.de
Mo–Do 9–18, Fr 9–16 Uhr
Scherbenwelt: Porzellan retten bei ERIKA HELD
Porzellanbrennen ist eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen – und genauso lange weiß er um die Zerbrechlichkeit des edlen Materials. Eigentlich. Was er nicht weiß, ist, warum es ausgerechnet die Teetasse aus Tokio sein muss, die der Hund vom Couchtisch wedelt – und nicht eine der Discounter-Tassen, die auch zur Auswahl standen. Der Mülltonne kann man das gute Stück nicht überlassen. Und nachbestellen ist in so einem Fall auch keine Option. Da kann man die zerdengelte Tasse doch besser Erika Held in die kundigen Hände geben, die in ihrer Porzellan-Werkstatt in Friedrichshain Liebhaber-, Sammler- und Erbstücke wieder heil macht.
Frau Held nimmt, nach einem klärenden Vorgespräch, gerne auch Porzellan-Problemfälle an. Sie fügt Teile wieder zusammen, baut Figuren neu auf und glättet poröse Oberflächen. Zum Schluss brennt sie alles nochmal. Danach kann Gebrauchsporzellan – wie die Lieblingstasse – weiter benutzt werden und muss nicht in der Vitrine verstauben. Erika Held hat transparente Festpreise. Und falls sie während der Arbeit doch noch weitere Problemstellen findet, wird der Kunde sofort informiert. Auf dieser Basis kann er immer abwägen, was ihm das geliebte Stück noch wert ist.
Text: Iris Braun
Fotos: Oliver Wolff
Porzellan Werkstatt Erika Held Gabelsberger Straße 11, Friedrichshain, Tel. 88 55 26 14
Di–Do, 14-16 Uhr (sowie nach Vereinbarung),
Guter Stoff: Kleidung reparieren im BIS ES MIR VOM LEIBE FÄLLT
Die Ärmel der Lieblingsjacke sind hoffnungslos verschlissen. Und der farbenfrohe Designer-Rock ist viel zu eng geworden. Was tun? Wegwerfen? Nein, findet Elisabeth Pranter. In ihrem Veränderungsatelier „Bis es mir vom Leibe fällt“ kümmert sich die Modedesignerin (Label: „Lisa D.“) mit ihren Mitarbeitern um reparaturbedürftige Lieblingstextilien oder um Stücke, die nicht mehr passen. Pranters Arbeit ist vielschichtig. Von der einfachen Reparatur bis zur totalen Transformation der Textilien ist alles möglich.
Ihrer Geschäftsidee liegt eine lange Auseinandersetzung mit der Massenproduktion und der Wegwerfgesellschaft zugrunde. Sie reizt die Herausforderung, aus dem scheinbar Unbrauchbaren wieder etwas Wertvolles zu machen. Ein Kunde habe etwa seine alten Sakkos und Hemden herangeschafft, um daraus iPad-Taschen machen zu lassen. Viele Stammkunden machen sich aber gar nicht mehr die Mühe, sich schöpferisch einzubringen. „Ihr seid’s so genial, macht’s was ihr wollt“, zitiert Elisabeth Pranter mit ihrem österreichischen Dialekt ihre Kundschaft. 2012 wurde „Bis es mir vom Leibe fällt“ übrigens mit dem Bundespreis für Ecodesign ausgezeichnet.
Text: Dina Herrler
Bis es mir vom Leibe fällt Hackesche Höfe, Hof 4, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte, (ab 1.3. in der Frankenstrasse 1, Schöneberg), www.lisad.com/bisesmirvomleibefaellt/
Mo–Fr 11-19 Uhr, Sa 11–19.30 Uhr
Spielzeug-Klinik
Onkel Philipp’s Spielzeugwerkstatt ist ein Sammelsurium aus alten und neuen Spielzeugen, die sich in drei Räumen stapeln. An der Decke hängen Flugzeuge, auf den Regalen warten Piratenschiffe aufs Ablegen, und Stoffdrachen könnten von hier aus die nächste Prinzessin rauben. Hinter einer kleinen „Geheimtür“ geht es eine kurze Wendeltreppe eine Etage tiefer zum „Friedhof der DDR-Spielzeuge“. Hier kann man Puppen, Eisenbahnen, Stofftiere und vieles mehr aus DDR-Produktionen bestaunen.
Philipp Scheunemann, der Inhaber des Ladens, sieht sein Geschäft als eine Art Recyclingstelle, mit der er der Wegwerfgesellschaft trotzt, indem er kostenlos altes und sogar kaputtes Spielzeug annimmt, dieses wieder herrichtet oder umfunktioniert und weiterverkauft.
Darüber hinaus aber repariert er auch auf Kundenwunsch. Wenn der Lieblingspuppe der Arm fehlt oder der ferngesteuerte Hubschrauber nicht mehr abhebt, lötet, schraubt, klebt und näht Onkel Philipp, wo es geht. Knifflige Reparaturen sind für ihn eine Herausforderung, die er mit Erfindungsreichtum und handwerklichem Geschick meistert. Damit ist er in den 16 Jahren, seit sein Geschäft existiert, zu einer wichtigen Anlaufstelle für Familien und Kinder geworden. Grundsätzlich lehnt Onkel Philipp zwar keine Reparaturen ab, solange er sie bewerkstelligen kann. Nur sollte der Reparaturaufwand im richtigen Verhältnis zum – auch ideellen – Wert des Spielzeugs stehen.
Text: Lea-Maria Brinkschulte
Fotos: Oliver Wolff
Onkel Philipp’s Spielzeugwerkstatt Choriner Straße 35, Prenzlauer Berg, Tel. 449 04 91, www.onkel-philipp.de
Di, Mi, Fr 9.30–18.30, Do 11–20, Sa 11–16 Uhr, Mo geschlossen,
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