Berlin gilt nicht als die umgänglichste Stadt des Landes. Die stadteigene Schnauze hat einige typisch berlinische (oder berlinerische, hier streiten sich die Geister) Beleidigungen hervorgebracht. Unser Autor hat einige besonders schöne und spitze Kreationen gesammelt, damit ihr den nörgeligen Busfahrer das nächste Mal auch versteht.
Als Bebilderung diente uns der Sänger, Komponist und Schauspieler Jean Thome (1933-1980) aus, dessen mimische Begabung perfekt zu diesem Artikel passt. Der war zwar Düsseldorfer, aber wir hoffen, er verzeiht uns.
Aas

Freundlich ist der Berliner nicht unbedingt, was er aber wirklich nicht ausstehen kann, sind hinterhältige Typen. Die sind mehr als unbeliebt und werden gerne mal als „Aas“ bezeichnet. Ist der Mensch, über den man schimpft auch noch wohlhabend, dann kommt eine Portion Klassenbewusstsein hinzu: „So’n reichet Aas, dit stinkt zum Himmel.“
Backpfeifenjesicht


Manchmal steht einem einer gegenüber, da möchte man einfach nur reinschlagen. Der hat ein Gesicht, das bettelt geradezu nach einer saftigen Backpfeife. Dit is so’n richtges „Backpfeifenjesicht“. Interessanter Weise haben Die Ärzte, eine Berliner Band wie sie im Buche steht, einen Song mit eben diesem Titel veröffentlicht. So geht das Lied los: „Backpfeifengesicht. Wenn du glaubst, dass dich jemand mag, irrst du dich!“ Netter wird es später auch nicht.
Brubbelkopp


Es gibt den „Blubberkopp“. Das ist einer, der viel redet und dabei ziemlich aufgeregt tut. Und dann gibt es noch den „Brubbelkopp“, der quatscht auch viel, nuschelt und murmelt aber eher. Der „Brubbelkopp“ ist mit dem „Blubberkopp“ durchaus verwandt, auf den Geist gehen sie einem beide. Hier gilt die alte Weisheit: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
Falscher Fuffziger


Von der Wortherkunft her geht es um die Verwendung von gefälschten 50-Pfennig-Münzen. Andere Deutungen verorten den Ursprung des Begriffs auf die Mitte des 19. Jahrhunderts, als eine Fälscherbande selbstgedruckte 50-Taler-Scheine in Umlauf brachte. Aber natürlich geht es beim „Falscher Fuffziger“ eigentlich um einen verlogenen Menschen. Ähnlich dem „Aas“, mag der Berliner nun mal keine Lügner und zwielichtigen Gestalten.
Fatzke


Der „Fatzke“ ist ein aufgeblasener Wichtigtuer. „Dit is ja ‘n Fatzke“, stellt der Berliner dann lapidar fest und geht seiner Wege. Beeindrucken lässt man sich von so einer Flitzpiepe natürlich überhaupt nicht. Schön ist auch der Spruch, den man gerne mal im Alltag fallen lassen kann: „Wat kiekst’n so, Fatzke?“
Flitzpiepe


Und da wären wir schon bei der „Flitzpiepe“. Der ist nicht ganz weit weg vom Fatzke angesiedelt und einer, den man halt nicht wirklich ernst nehmen muss. Das kann ein Handwerker sein, dem man nicht über den Weg traut, oder ein dubioser Kerl, der in die Stammkneipe kommt und sich über die Bierpreise echauffiert. Deppen, über die man sich auch noch ärgert. Abgeschwächt kann man den Begriff auch auf Kinder anwenden, die Quatsch machen.
Graf Kacke


Ein Blender, ein Schwindler, das ist „Graf Kacke“. Jemand, der vornehmer tut, als er ist. In der Kneipe auf dicke Hose machen und ’ne Runde schmeißen, ohne dafür die nötigen Moneten auf Tasche zu haben. Eine Frechheit sondergleichen! Gibt es auch in der Abwandlung „Lord Kacke“ oder (auch sehr schön!): „Graf Rotz von der Popelsburg“. Da kommt der proletarische Berliner Gestus mitsamt Ständebewusstsein ins Spiel.
Jammalappm


„Jammalappm“ ist eigentlich klar, hier schimpft der Berliner über einen Jammerlappen. Jemanden, der sich beschwert und nörgelt und damit seiner Umwelt gehörig auf die Nerven geht. Da muss man halt durch, denkt sich der Berliner. Das Leben ist so. Oft beschissen. Da hilft das ganze Jammern auch nichts.
Krümelkacka


Wer pingelig ist und alles ausdiskutieren muss, der ist ein „Krümelkacka“. Der Berliner bezeichnet so gerne auch mal den Beamten, aber auch in der Partnerschaft kann man sich die Beschimpfung gerne mal an den Kopp werfen. Landesweit werden solche kleinlichen Menschen gerne auch als „Korinthenkacker“ bezeichnet.
Nieselpriem


Ein richtiger Langweiler, das ist ein „Nieselpriem“ und zugleich ein sehr schönes Exemplar aus dem bunten Strauß der berlinerischen Beleidigungen. Jemand, der vor sich hinschweigt, und wenn er mal was sagt, ist das dann auch noch uninteressant. Solche öden Gestalten haben den Spott des Berliners natürlich mehr als verdient. Kann auch manchmal den klassischen „Trottel“ meinen. Jedenfalls will man so jemanden nicht bei seiner Party dabeihaben.
(Das Foto passt hier nicht wirklich zum Begriff, aber Jean Thome war nun einmal alles andere als langweilig, und spielen konnte er einen „Nieselpriem“ leider auch nicht.)
Stänkafritze


Ein Stressmacher, jemand, der immer auf der Suche nach Ärger ist, das ist der „Stänkafritze“. Der Zank gehört durchaus zum Berliner Dasein dazu, aber was zuviel ist, ist zuviel. Wenn ein Spritti in die Stampe jeht und dit Maul janz weit aufreisst, dann is Dresche vorprogrammiert. Mit „Stänkafritzen“ wird nicht lang gefackelt. Ist halt so.
Trulla


Berlinerische Beleidigungen implizieren zumeist einen Mann und sind nicht wirklich geschlechtsneutral. Klar ist auch eine „StänkafritzIN“ oder eine „Fatzk:In“ denkbar. Aber das Gender-Sternchen und Berlinern, das passt einfach nicht gut zusammen. Da muss man den gesellschaftlichen Fortschritt auch mal gesellschaftlichen Fortschritt sein lassen. Doch die „Trulla“ ist mal eine Beschimpfung, die sich eigens an die Frauen richtet. Gemeint ist damit eine unsympathische weibliche Person.
(Die „Trulla“ konnte unser guter Jean Thome bei bestem Willen nicht verkörpern, da hat uns die Schauspielerin Marika Rökk aus der Bredouille geholfen.)
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