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Hobby Lockpicking: Der Spaß am Schlösserknacken

Marvin Reinhard* studiert Geschichte an der FU. Während der Pandemie hat der 30-Jährige ein altes Hobby wiederentdeckt: Lockpicking.

Bei Lockpicking geht es um die Kunst des Schlösserknackens - nicht um Einbrechen. Foto: imago images/Panthermedia
Bei Lockpicking geht es um die Kunst des Schlösserknackens – nicht um Einbrechen. Foto: Imago Images/Panthermedia

„Als Ende März in diesem Jahr der Lockdown beschlossen wurde und ich kaum noch einen Fuß aus meiner WG gesetzt habe, besann ich mich auf ein mir vertrautes Hobby: das Lockpicking. Dabei geht es darum, Schließmechanismen zerstörungsfrei zu überwinden.

Ich bezeichne es auch gerne als ‚Analoghacken‘. Im Mittelpunkt steht dabei, sich mit verschiedenen Schlössern vertraut zu machen und diese dann mithilfe feiner Blech-Werkzeuge, sogenannter „Picker“, zu knacken. Ich
sehe jedes Schloss als mehrdimensionales Puzzle, das es zu lösen gilt. Dabei ist es faszinierend, wie viel Kreativität in die Herstellung von Schlössern fließt – und in das Knacken derselben.

Beim Lockpicking geht es um die spielerische Herausforderung

Aber keine Sorge: Lockpicking hat nichts mit Einbrüchen oder sonstigen zwielichtigen Aktivitäten zu tun. Stattdessen wird das Knacken der Schlösser zu Hause am Tisch spielerisch vorgenommen. Für mich liegt der
Reiz auch in der sportlichen Herausforderung, im Gegensatz zu den meisten Dieben, die sich wohl kaum die Zeit nehmen werden, ein Schloss in einem mühevollen Geduldsspiel zu knacken – wenn sie es auch einfach zertrümmern können.

Auf das Lockpicking bin ich gekommen, als ich im Anschluss an eine Ausbildung zum Erzieher ein Jahr in einem Kinder- und Jugendzirkus gearbeitet habe und mich viel mit Zauberei beschäftigt habe. Dabei fand ich schon immer die Sideshows am spannendsten. Ich habe mir also Nägel in die Nase geschlagen und Glühwürmer gegessen. Oder mich aus verschlossenen Käfigen und Truhen befreit und gemerkt: Hey, es gibt echt abgefahrene Schlösser, das ist doch interessant!

Ein bisschen nerdig muss man als Lockpicker vielleicht schon sein. AUf jeden Fall smart und geduldig. Foto: Ralf Roletschek
Ein bisschen nerdig muss man als Lockpicker vielleicht schon sein. Auf jeden Fall smart und geduldig. Foto: Ralf Roletschek

So entdeckte ich die verschiedenen Schlosstypen: Die in den meisten Haustüren verbauten Stiftschlössern, bei denen mehrere, durch Federkraft in den Kern gedrückte Stiftpaare den Öffnungsmechanismus blockieren; die Scheibenschlösser, die verwendet werden, wenn eine geringe Bautiefe notwendig ist, also unter anderem in Möbeln. Oder die Zahlenschlösser für Fahrräder, die zumeist recht billig fabriziert und schnell zu knacken sind.

Ein analoges Hobby als Gegenpol zum digitalen Uni-Alltag

Trotzdem war das Hobby ein wenig eingeschlafen, bevor ich es zu Beginn der Corona-Pandemie wiederentdeckt habe. Mein Studienfach ist sowieso schon sehr leseintensiv, aber durch die Online-Uni ist das Lesepensum nochmal deutlich größer geworden, so dass ich in meiner freien Zeit keine Lust mehr hatte, mir noch irgendwas in den Kopf zu drücken. Das Lockpicking fordert das handwerkliche Geschick und Fingerspitzengefühl
heraus und bietet damit einen Gegenpol zum digitalen Uni-Alltag.

Zugleich ist es niedrigschwellig. Manche Werkzeuge, wie die wichtigen Hooks, kann man sich prima aus alten Sägeblättern herstellen. Ansonsten lassen sie sich, genauso wie die Schlösser, online bestellen.
Als Werkbank taugt der heimische WG-Küchentisch. Ich würde auch sagen, dass ich mich mittlerweile beim Lockpicking verbessert habe. So habe ich mich mit neuen Werkzeugen, wie der technisch etwas herausfordernderen
Picking-Pistole, vertraut gemacht und bin bei einigen Schlosstypen schneller geworden.

Demnächst werde ich das Lockpicking sicherlich weiter vertiefen, denn auch wenn ich auf ein weiteres digitales Semester gerne verzichtet hätte, bietet es wenigstens einen Vorteil: Bei Online-Vorlesungen kann mich niemand kritisch beäugen, wenn ich nebenbei ein paar Schlösser
knacke.“

* Name von der Redaktion geändert

Dieser Beitrag stammt aus dem neuen Campus, den ihr hier runterladen könnt.


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