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Wintersemester digital: Studierende über Fluch und Segen des Uni-Alltags

Sie vermissen den Austausch mit Kommiliton*innen. Ebenso wie die ansteckende Arbeitsatmosphäre in Bibliotheken, in denen sie alles sehr viel schneller gebacken bekommen als daheim. Und sogar das Risotto der Mensa, das immer so aussah, als hätte es jemand schon gegessen. Drei Student*innen berichten vom Corona-Semester. Von langwierigen Bachelorarbeiten und Kettenrauchen. Von rauchenden Köpfen und plötzlichen Freiheiten. Und: unverhofften Lichtblicken.

Verzweifelt und schläfrig am heimischen Laptop. Foto: Imago Images/Panthermedia

Die Bachelorarbeit: Zuhause ist es doch nicht am schönsten

25 geworden, also entrissenes Kindergeld und Selbstversicherung bei der Krankenkasse. Alles nicht so richtig leicht. Und dazu kommt ein verwirrendes Corona-Semester, das für alle schwierig ist, die sich, wie ich, Haare raufend und kettenrauchend an die Arbeit zuhause gewöhnen müssen – und gleichzeitig mit ihrer non-existenten Selbstdisziplin konfrontiert werden. Immerhin: Ich wurde von aller Einarbeitung in identisch klingende Online-Programme verschont, die Studierende plötzlich beherrschen sollen, weil ich schon meine Bachelorarbeit schreibe – und keine Kurse besuche.

Dem Mittagschlaf so nah. Der Bachelorarbeit so fern. Foto: Privat

Allerdings habe ich keinen Schreibtisch. Das Lesen, Schreiben und Grübeln aus dem Bett heraus ist am ersten Tag total gemütlich. Die restlichen Wochen allerdings einschläfernd und mühselig. Im Wohnzimmer gibt’s einen Tisch, dahin flüchte ich mich also, um der Effizienz zu frönen, aber das Wohnzimmer ist das Raucher-Zimmer. Kurz fühle ich mich also wie Simone de Beauvoir, nur leider ist die einzige Gemeinsamkeit das exzessive Rauchen und nicht der ständige intellektuelle Erguss.

Draußen wird gebaut, ich kann mich nicht konzentrieren und schreibe am Tag ein paar klägliche Sätze, die ich am nächsten Tag eigentlich wieder löschen will. Dafür komme ich endlich mal zum Saugen und Kochen. Dazu erzählen meine Mitbewohnerin und ich uns im Raucher-Wohnzimmer unsere Träume nach. Stressträume, also rauchen wir.

Die große, in Bademäntel gehüllte Produktivität des Semesters Zuhause. Foto: Privat

In Jogginghosen gehüllt stürzen wir abwechselnd in kleine Krisen – mir fehlt Literatur, die ich zwischendurch rucksackweise aus der wiedereröffneten Bibliothek nach Hause schleppe. Ich bin müde geworden und trinke viel zu viel Kaffee, während die Mitbewohnerin und beste Freundin daran scheitert die entsprechenden Online-Räume für ihre Seminare zu finden.

Das Tolle am Uni-Online-Leben, höre ich eine Professorin aus ihrem Laptop sagen, ist, dass keine zu spät kommenden Studierenden mehr angeschnauzt werden müssen, wenn sie die Seminare oder Vorlesungen stören. Und dass alles ja sowieso nur noch besser werden kann, wenn es gerade so scheiße ist. Eine tolle Aussicht.

  • Emma, letztes Semester Europäische Ethnologie/Kunstgeschichte an der HU

Für Manche ein Segen: Das Zoom-Semester

Im Seminarraum schonmal fürs Online-Semester trainieren. Foto: Privat

Jeder Mensch nimmt Erlebnisse oder den Mangel daran unterschiedlich wahr. Da war dann also plötzlich das Online-Semester, notdürftig zusammengezimmert, wie es sich für eine Kunsthochschule gehört. Irgendwie auch sympathisch, die Dozent*innen haderten mitunter mit sich, wir mit uns selbst. 

Während manchen Kommiliton*innen alsbald die Decke auf den Kopf zu fallen schien, fand ichs erst einmal prima. Im Semester zuvor hatte ich Tage, an denen der Weg zur Uni, das Betreten der Uni plötzlich zur Hürde wurde, nun kam die Uni zu mir. Zur Not im Bett liegenbleiben und die Kamera aus, es mag zynisch anmuten, aber das Zoom-Semester war mir in erster Linie ein Segen. Nebenher kochen, mich von unterwegs zuschalten, in Zweisamkeit Seminaren folgen, obwohl an unterschiedlichen Unis – gelebte Utopie.

Natürlich fehlte die direkte Interaktion mit denen, die ich liebgewonnen hatte. Der Praxistag zuhaus beim Dozenten, im Garten seiner Stadtvilla, war umso schöner. Pauken in der Hollywoodschaukel oder zwischen Blumen, anschließend gemeinsam essen, mit zwei Metern Abstand zwischen den Stühlen. Dennoch erschien mir das unbedingte Streben nach Präsenzunterricht im Wintersemester etwas vorschnell und kurzsichtig.

Mit der zweiten Welle kommt auch die zweite Konferenzwelle, ein neues Videoprogramm, noch mehr sich aufhängende Streams und ein gewisser Gewöhnungseffekt. Alles remote, alles beim alten, irgendwie. Nur grauer. Und dunkler. Und einsamer. Wird schon schiefgehen.

  • Ben-Robin König, 5. Semester Kulturjournalismus an der UdK Berlin

Die Liste der positiven Aspekte ist gar nicht so kurz: Ich starte motiviert in das Online-Semester

Eigentlich sollte dieses Semester ein Hybrides werden. Eine Mischung aus Präsenz- und Online-Lehrveranstaltungen. Aufgrund der unabsehbaren Restriktionen, die mit dem Kampf gegen das Virus auf uns zukommen, findet das Semester nun doch ausschließlich online statt.

Profs laden ihre Vorlesungen jetzt entweder im Voraus auf E-Learning-Plattformen oder halten ihre Lehrveranstaltungen über Video-Kommunikationsdienste wie WebEx und Zoom ab. Studierende tauschen sich jetzt, so wie vor Corona auch schon, digital aus. Nur wird der digitale Raum jetzt tatsächlich für den Austausch rund um das Studium genutzt. Das ist gar nicht so schlecht. Wichtige Inhalte können dadurch beliebig oft abgerufen werden. Und es gibt eine ständige Kommunikation unter Studierenden.

Ein aufgeräumter Schreibtisch, gut funktionierendes W-Lan und Pflanzen halten mich dieses Semester bei Laune. Foto: Yahya Oesterreicher Santos

Natürlich ist es schade, dass der physische Kontakt ausfallen muss. Und dieser kann lebensrettend sein, wenn es um mathematiklastige Module, etwa Statistik, geht. Doch es ist, wie es ist. Dieses Semester ausschließlich digital stattfinden zu lassen, ist sicher kein Traum. Aber es ist notwenig, sinnvoll und es ist machbar. Und wer nicht das Beste daraus macht, kriegt auch nicht das Bestmögliche raus.

Der Weg zum Schreibtisch kostet mich aktuell eine Minute. Und plötzlich ist eine Stunde am Morgen auch völlig ausreichend, um ausgiebig zu frühstücken, Nachrichten zu hören, ein Lied unter der Dusche zu trällern und dann noch pünktlich zur Vorlesung um zehn Uhr – fertig zum Mitschreiben und Mitdenken – zu erscheinen. Ich starte motiviert in das Online-Semester. 

  • Jasmin Darr, 1. Semester Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin

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