• Stadtleben
  • Charité Berlin: Die traditionsreiche Spitzenklinik der Hauptstadt

Berlin verstehen

Charité Berlin: Die traditionsreiche Spitzenklinik der Hauptstadt

Die Charité Berlin genießt einen Weltruf und ist das größte Universitätsklinikum Europas. Nicht weniger beeindruckend ist die Geschichte des Krankenhauses. Warum sich auch ohne Krankheitsanzeichen ein Besuch auf dem Klinikgelände lohnt, erzählen wir euch hier.

300 Jahre Charité-Geschichte spiegel sich auch in der Architektur wieder. Foto: Imago/Ulli Winkler
300 Jahre Charité-Geschichte spiegelt sich auch in der Architektur wider. Foto: Imago/Ulli Winkler

Charité: Vom Pesthaus zur Königlichen Klinik

Geschichte Das 1710 als Pesthaus gegründete Krankenhaus ist das älteste von Berlin. Damals stand der Schwarze Tod vor den Toren der Stadt. Preußens König Friedrich I. ließ das „Lazareth-Haus“ auf einer grünen Wiese nordwestlich der Dorotheenstadt errichten. Berlin hatte jedoch Glück und wurde von der Seuche verschont, sodass das Haus in den folgenden Jahren als Hospiz für arme Alte, als Arbeitshaus für Bettler*innen und als Geburtshaus für unehelich Schwangere genutzt wurde. 1727 ließ König Friedrich Wilhelm I. das Pesthaus zu einem Lazarett und Hospital sowie zur Lehranstalt für angehende Militärärzte umwandeln. Auf den Preußenkönig geht auch der Name „Charité“ zurück, was aus dem Französischen übersetzt „Barmherzigkeit“ heißt.

Mit der wachsenden Bevölkerung Berlins Ende des 18. Jahrunderts nahm auch der Krankenstand zu. Durch die zu vielen Patient*innen wurden die Mittel in der Charité immer knapper, die hygienischen Verhältnisse ließen zu wünschen übrig. Schließlich wurde die Charité neu gebaut.

Die Charité mauserte sich vom Lazarett zur großzügigen Klinik. Foto: Imago/Arkivi
Die Charité mauserte sich vom Lazarett zur großzügigen Klinik. Foto: Imago/Arkivi

Anstelle des abgerissenen Pesthauses entstand von 1785 bis 1800 ein spätbarocker Dreiflügelbau mit 680 Betten – später „Alte Charité“ genannt. Die Charité entwickelte sich zu einer modernen Klinik und wurde der 1809 gegründeten Universität zu Berlin angeschlossen. Durch bahnbrechende Entwicklungen wie der Anwendung von Narkose erlangte die Berliner Chirurgie in der zweiten Jahrhunderthälfte Weltruhm. Überhaupt forschten und praktizierten an dem Haus zahlreiche bedeutende Ärzt*innen wie der Pathologe Rudolf Virchow, der Virologe Robert Koch oder die erste Professorin Preußens, Rahel Hirsch. Mit ihren Erkenntnissen über die Entstehung und Behandlung von Krankheiten sowie Verbreitung von Infektionen legten die Spitzenforscher*innen die Grundsteine der modernen Medizin. Fotos aus der Geschichte der Charité zeigen wir euch hier.

Krankensaal im Institut für Infektionskrankheiten um 1892. Foto: Hermann Rückwardt/Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin
Krankensaal im Institut für Infektionskrankheiten um 1892. Foto: Hermann Rückwardt/Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin

Charité Berlin: Düstere Tage zur NS-Zeit

Das Jahr 1933 markierte einen radikalen Bruch. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten verloren ab 1933 über 145 Professor*innen und Dozent*innen im Krankenhaus und der Medizinischen Fakultät aus „rassischen“ oder politischen Gründen die Arbeitserlaubnis. Viele verließen das Land, nicht wenige wurden später in Konzentrationslager deportiert. Die verbliebenen Mitarbeiter waren Anhänger des Nazi-Regimes oder sogenannte Mitläufer. Der Psychiater und Neurologe Max de Crinis übernahm ab 1938 die Nachfolge des renommierten Psychiaters Karl Bonhoeffer an der Nervenklinik der Charité. Zusammen mit dem „Rassenhygieniker“ Fritz Lenz wirkte er an dem „Euthanasie“-Programm mit.

Allein der Pharmakologe Otto Krayer bewies als einziger sogenannter arischer Wissenschaftler Mut und lehnte einen, durch Vertreibung frei gewordenen, Lehrstuhl ab. Daraufhin erhielt er Lehrverbot und emigrierte in die USA.

Aufbruch in der DDR

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren 90 Prozent der Bausubstanz der Charité Berlin beschädigt. Allerdings kümmerte sich die sowjetischen Militäradministration sofort um den Wiederaufbau, und 1946 gingen auch der Lehrbetrieb sowie die medizinische Forschung wieder los.

Blick über die Spree zur Mauer auf der Ostseite das Charité Bettenhaus. Foto: Imao/Rolf Zöllner
Blick über die Spree zur Mauer auf der Ostseite das Bettenhaus der Charité Berlin. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Die DDR-Führung baute die Charité zur medizinischen Vorzeigeinstitution des sozialistischen Staates aus. Das Krankenhaus zählte bald 17 Kliniken und 16 Institute. Mit der Eingliederung aller medizinisch-theoretischen Institute im Jahr 1957 hieß das Krankenhaus offiziell „Medizinische Fakultät (Charité) der Humboldt-Universität zu Berlin“. Zusätzlich wurde ein Neubau mit mehr als 20 Geschossen errichtet und 1982 als „Chirurgisch orientiertes Zentrum“ von Staatschef Erich Honecker feierlich eröffnet. Neben dem Fernsehturm war dieses riesige Bettenhochhaus ein Prestigeprojekt mit sozialistischer Strahlkraft in den Westteil der Stadt.

Die Mauer fällt, die Charité Berlin wächst

Nach der Wende wurde die Charité aus ökonomischen Gründen ab Mitte der 1990er-Jahre mit dem Universitätsklinikum Rudolf Virchow, Ausbildungsstätte der Freien Universität (FU), der Robert-Rössle- sowie der Franz-Volhard-Klinik in Buch fusioniert. Im Jahr 2003 kam das Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Steglitz hinzu.

Das  2016 kernsanierte Bettenhaus der Charite strahlt mit seiner Aluminium-Fassabe über die Stadt. Foto: Imago/Reiner Zensen
Das 2016 kernsanierte Bettenhaus der Charité erstrahlt seither mit neuer Aluminium-Fassade. Foto: Imago/Reiner Zensen

Seit 2003 gehört die Charité gleichermaßen zur FU und zu HU. Mit mehr als 15.000 Mitarbeiter*innen und über 3000 Betten ist es nicht nur das größte Krankenhaus Deutschlands, sondern mit den vier Campi Charité Mitte (CCM), Virchow-Klinikum (CVK), Benjamin Franklin (CBF) und Berlin-Buch (CBB) auch das größte Universitätsklinikum Europas. Die Forschung und das Expertenwissen bildet weiterhin einen großen Schwerpunkt. So erklärt uns der Virologe Christian Drosten während der Corona-Pandemie regelmäßig, was es mit dem Virus auf sich hat und wie es sich entwickelt. 

Berühmt-berüchtigte Patienten

Politische Persönlichkeiten wie Alexei Nawalny sind keine Seltenheit an der Charité. Foto: Imago/ Itar-Tass
Politische Persönlichkeiten wie Alexei Nawalny sind keine Seltenheit an der Charité. Foto: Imago/ Itar-Tass

Besonderheiten Zahlreiche Kamerateams und Polizisten vor dem Hochhaus in Mitte im August 2020: Der russische Regierungskritiker Alexei Nawalny wurde nach einer möglichen Vergiftung in seinem Heimatland in die Berliner Charité eingeliefert. Mit berühmten oder berühmt-berüchtigten Patienten hat die Charité Erfahrung. So ließen sich hier die umstrittene ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko und der ehemalige irakische Präsident Dschalal Talabani behandeln.

Die Charité Berlin ist eine Klinik für internationale Patient*innen, sowohl Dissident*innen als auch Despot*innen werden hier medizinisch versorgt. Dafür werden unter Umständen Flure gesperrt ud bewaffnetes Sicherheitspersonal aufgestellt, aber in öffentlichen Stellungnahmen keine Details seitens der Klinik rausgerückt.

2012 verwandelten düstere Gestalten das Virchow-Klinikum im Wedding zur Festung, als der niedergeschossene Hells-Angels-Chef André Sommer dort behandelt wurde. Neben maskierten Spezialkräften der Bundespolizei sah man auch Rockerbanden rund um das Krankenhaus.

Museen

 DNA- und Chromosomen-Modell im Medizinhistorischen Museum der Charité Berlin. Foto: Imago/Sabine Gudath
DNA- und Chromosomen-Modell im Medizinhistorischen Museum der Charité Berlin. Foto: Imago/Sabine Gudath

Im Berliner Medizinhistorischen Museum der Charité auf dem Campus Mitte könnt ihr durch 300 Jahre Medizingeschichte wandeln. „Dem Leben auf der Spur“ heißt die Dauerausstellung und beinhaltet spannende bis schaurige Exponate wie medizinischen Geräten oder in Formaldehyd eingelegte Körperteile. Zusätzlich widmen sich Sonderausstellungen Themen, die im weiteren Sinne mit Medizin zu tun haben und Bezüge zur Gegenwart schaffen. Beim Museumsservice könnt ihr ebenfalls Touren über das weitläufige Klinikgelände buchen.

Empfehlenswert ist auch das Tieranatomische Theater auf dem Gelände des Campus Nord der Humboldt-Universität. Eine permanente Ausstellung widmet sich mit vielen Exponaten den Jahrhunderten der Nutzung des beeindruckenden Gebäudes. Zudem finden hier regelmäßig experimentell und performativ ausgerichtete Ausstellungen statt.


Wichtige Infos für den Besuch

So bedeutsam das Krankenhaus auch ist, gehört die Charité eigentlich nicht wirklich zu den angesagtesten Locations der Stadt. Der Campus in Mitte mit seinem historischen Gebäudeensemble ist jedoch einen kleinen Abstecher Wert, der sich wunderbar mit einem Museumsbesuch kombinieren lässt.

  • Campus Charité Mitte, Charitéplatz 1

Mehr zum Thema

Die Ärzte haben zwar keine Approbation, aber 40 Jahre Punker-Geschichte hinter sich. Wir erzählen die Geschichte der Ärzte – der besten Band der Welt. Ganz schön erfolgreich ist auch die Serie „Charité“. Weitere tolle Berlin-Serien findet ihr in unserer Liste. Für alle Geschichtsnerds, Stadterkunder*innen und Eisenbahnfans haben wir Geschichten, Besonderheiten und großartige Fotos zu den vielen Berliner Bahnhöfen zusammengestellt.

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad