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Corona und Miete: Vermieter bleiben verschont, Mieter haben (noch) das Nachsehen. Schutzschirm gefordert

Die Corona-Pandemie trifft alle hart, auch in Berlin. Ganze Branchen sind bedroht, nur die Vermieter sind bislang verschont geblieben – und der Mieter könnte das Nachsehen haben. Dagegen erheben sich erste Stimmen aus Verbänden und Politik. Wie der Immobilienmarkt mit der Krise umgehen wird und wie viel Druck die Politik ausüben kann, wird sich zeigen.

Leeres Restaurant in Berlin. Wegen Corona finden das öffentliche Leben fast nicht mehr statt.
Corona in Berlin: Restaurants sind geschlossen oder bleiben leer, dennoch müssen die Betreiber Miete zahlen. Das treibt sie schnell in den Bankrott. Foto: imago images / Emmanuele Contini

Die Stadt steht still, Gastronomen, Hotelbetreiber, Ladenbesitzer, Galeristen und Freiberufler bangen um die Existenz. Auch viele Berliner mit fester Anstellung machen sich Sorgen. Kurzarbeit steht bevor, die Zukunft ist ungewiss. Nicht wenige Unternehmen werden mehr als lädiert aus der Corona-Zeit herauskommen. Andere werden es vielleicht gar nicht schaffen.

Doch eine Branche ist bislang nahezu komplett verschon geblieben: Immobilien. Einem Vermieter kann schließlich egal sein, ob der Mieter in seiner Wohnung krank im Bett liegt, gerade freigestellt wurde oder finanziell bedroht ist. Auch bei Gewerbetreibenden kann es dem Eigentümer der Büro- oder Ladenräume prinzipiell egal sein, was der Mieter in den Räumen tut oder eben nicht tut. Hauptsache, die Miete wird pünktlich bezahlt.

Corona-Krise zeigt, dass das Prinzip so nicht funktionieren kann – und darf

Dass dieses Prinzip so nicht mehr funktionieren kann, ja, nicht darf, zeigt die Corona-Krise bereits jetzt. Es kann wohl nicht angehen, dass nahezu die ganze Stadt wegen höherer Gewalt Verluste einfährt, die Vermieter aber beim „business as usual“ bleiben. Schon jetzt fordert Berlins Justiz- und Verbraucherschutz-Senator Dirk Behrendt (Grüne) daher einen Schutzschirm für Mieter. Behrendt macht klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die ersten Kündigungen ausgesprochen werden, weil die Leute als Folge von Corona die Miete nicht mehr zahlen können. Das darf nicht sein.

Die landeseigenen Vermieter haben bereits angekündigt, dass bei Mietzahlungen Rücksicht auf die Situation genommen wird. Parallel dazu fordern der Deutsche Mieterbund (DMB) und der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), dass Mieter, die aufgrund der Corona-Krise ihre Miete ganz oder teilweise nicht zahlen können, sich online an einen neu zu gründenden „Sicher-Wohnen-Fonds“ wenden können, um die Übernahme ihrer Mietzahlung zu beantragen. Damit sollen in diesem Zeitraum explizit auch Kündigungen ausgeschlossen werden.

Vermieter sollen auf einen Teil ihrer jährlichen Einnahmen verzichten

In den USA und Frankreich reagiert die Politik, doch Trumps Programm, um die Mieter zu schützen, wird wohl nicht ausreichen. Es hagelt jede Menge Kritik. Da ist Frankreichs Präsident Macron schon konsequenter: zumindest für Gewerbetreibende hat er einen Mietenstopp angekündigt. Das zeigt, dass radikale Lösungen erwogen werden. Für Privatpersonen gelten die Mietenstopps zwar nicht, aber ein Gesetz, das Zwangsräumungen im Winter verbietet, ist mittlerweile für die Zeit der Krise verlängert worden.

Auch in Deutschland sollte die Immobilienbranche in die Pflicht genommen werden. Es reicht nicht, dass man günstige Kredite oder die Stundung von Mieten fordert. Nein, die Vermieter müssen dazu verpflichtet werden, auf einen Teil ihrer jährlichen Mieteinnahmen zu verzichten. So wie alle anderen Branchen auch Einbußen bei Umsatz und Gewinn haben werden.

Das ist kein Akt von Solidarität, sondern reine Vernunft. Denn selbst wenn der Staat sich verpflichten sollte, für nicht entrichtete Mietzahlungen einzuspringen, würde die Branche doch nur wieder mit Steuergeld subventioniert werden. Das ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen.

Auch das Wohngeld ist im Prinzip ein politisches Instrument, das die Immobilienbranche subventioniert. Corona wird allen finanziell wehtun. Also sollen auch alle gleichermaßen an den negativen Auswirkungen beteiligt werden – selbst wenn man sie zwingen muss.

Kulanz der Vermieter? Darauf braucht man nicht zu hoffen

Auf Kulanz von Vermietern braucht man flächendeckend nicht zu hoffen. Obwohl es natürlich auch die netten und freundlichen Vermieter gibt, die in harten Zeiten mit Verständnis auf die Sorgen ihrer Mieter reagieren werden. Aber guter Wille allein ist kein Maßstab und nicht demokratisch. Sympathische Gesten sind keine Grundlage für einen gerechten Wohnungsmarkt.

So sollte ein Gemeinwesen nicht funktionieren, gerade nicht bei derart existenziellen Angelegenheiten wie der Wohnung. Die, das kann man in der Corona-Zeit gar nicht ernster nehmen, der Mittelpunkt des Lebens ist. Genau das gilt für viele kleine Unternehmer auch für ihren Gewerberaum. Es ist gut, dass die Politik das erkennt. Hoffentlich schafft sie es auch, die richtigen Schritte zu unternehmen.


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