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Kommentar

Atemlos durch die Nacht: Vom vergeblichen Versuch eines schnellen Corona-Tests

Ich hätte gedacht, ein Corona-Test in Berlin sei in einem konkreten Verdachtsfall schnell möglich. Weit gefehlt. Angesichts des Berliner Pandemie-Managements können wir nur hoffen, dass die zweite Welle ausbleibt.


Corona-Test Berlin Mit akuter Atemnot sollte man in Berlin nicht mehrere Tage auf einen Termin für einen Corona-Test warten müssen.
Mit akuter Atemnot sollte man in Berlin nicht mehrere Tage auf einen Termin für einen Corona-Test warten müssen. Foto: imago images/Panthermedia

Acht Tage Neapel – Pizza, Sonne, Trubel, Lebenslust. Zugegeben: In Corona-Zeiten war es vielleicht die nicht beste aller Ideen, Urlaub in Italien zu machen. Nur wenige Wochen ist es her, dass dort Corona-Notstand herrschte, dass Krankenhäuser überfüllt, Menschen sehr krank, überfordert und verzweifelt waren. Aber laut Robert-Koch-Institut war Italien kein Risikoland mehr, als ich meinen Handgepäck-Koffer am 10. September zum Terminal D rollte.

Die Lage war auch noch ruhig, als ich acht Tage später mit Schnappatmung im Ryan-Air-Flugzeug zurück nach Berlin saß. Bestimmt zuviel geraucht, zu dem ganzen Limoncello, sagte ich mir. An Corona dachte ich gar nicht. Dann wurde mir ein Dokument ausgehändigt, das ich vor der Einreise nach Deutschland auszufüllen hatte. Bitte kreuzen Sie an, ob Sie unter einem der folgenden Symptome leiden: Fieber? Husten? Geschmacksverlust? Atemnot? Mir kam es absurd vor, aber hatte ich mich vielleicht doch mit Corona infiziert? Zum Glück war der Platz im Flugzeug zwischen mir und meinem Sitznachbarn an diesem Tag frei. Für den Rest des Fluges rückte ich noch näher ans Fenster.

„Wir testen hier nicht auf Corona“

Als Reiserückkehrerin aus einem Nicht-Risikogebiet konnte ich mich am Flughafen Berlin Tegel nicht testen lassen. Seit dem 14. September würden nur noch Rückkehrer aus einem Risikogebiet ohne Corona-Symptome getestet. Rückkehrer mit Symptomen, ob aus einem Risiko-Gebiet kommend oder nicht, würden am Flughafen gar nicht mehr getestet – aus Kapazitätsgründen. Menschen mit Symptomen gar nicht? Aha. Dieser Sinn erschloss sich mir nicht wirklich.

Eine halbe Stunde Taxifahrt später hing ich dann gezwungenermaßen in der Warteschleife meines Hausarztes. Und wurde wieder enttäuscht. „Wir testen hier nicht auf Corona“, sagte mir die Sprechstundenhilfe am anderen Ende ganz aufgeregt. Als Kreuzbergerin hätte ich die Möglichkeit, mich in zwei Arztpraxen im Bezirk testen zu lassen, die sich auf Corona-Tests spezialisiert hätten.

Tegel hat ein Corona-Test-Center – Menschen mit Symptomen werden nicht mehr getestet. Foto: Imago Images/F. Anthea Schaap

Arztpraxis 1 war montags bis freitags nur in einem relativ kleinen, vierstündigen Zeitfenster erreichbar. Schließlich antwortete mir der Anrufbeantworter. Ich solle eine E-Mail mit meinen persönlichen Daten schicken. Eine Antwort vor Montag sei nicht zu erwarten. Was für ein Pandemie-Management.

In der anderen Praxis schlug man mir einen Termin für Dienstag vor. Vorher sei leider keiner verfügbar. Und in der Zwischenzeit? Keine Quarantäne-Verordnung? Nichts? Abgesehen davon, dass ich vor Dienstag aus Eigenverantwortung auf private Kontakte verzichten würde – hat das meiner Meinung nach wenig mit einer effektiven Handhabung von Risiko-Patienten zutun.

Corona-Hotline Berlin: Nichts vor Dienstag

Blieb mir nur noch die Corona-Hotline des Berliner Senats. Der Herr in der Leitung war ausgesprochen freundlich. Ein Termin vor Dienstag sei unrealistisch. Ich könne es noch bei der Charité versuchen, es sei nicht auszuschließen, dass man mich dort noch kurzfristig testen könne. Der Gang in die Charité? Als einzige Option einen kurzfristigen Corona-Test zu machen? Und nicht einmal dort die Gewissheit?

In den letzten Wochen war ich mit dem Auto an mindestens einem Dutzend Berliner Corona-Teststellen vorbeigefahren. Und nach meiner Landung in Berlin-Tegel war ich mir sicher gewesen: Angesichts der starken Präsenz von Corona in unserem Alltag, angesichts der Tatsache, dass ein nicht zu unterschätzendes Virus seit Monaten unser Leben bestimmt, und schließlich angesichts des Faktums, dass die erste Welle bereits hinter uns liegt, sollte, nein müsste es möglich zu sein, sich kurzfristig auf Corona testen zu lassen. Zumal ich es nicht mit einer laufenden Nase, sondern mit akuter Luftnot zutun hatte. Erlebnisse wie die einer Kollegin, die im März fünf Stunden auf den Corona-Test wartete, hielt ich für längst vergangen.

Weiterhin vielerorts Maskenpflicht: Industrielle Massenproduktion von FFP2 – Schutzmasken in Berlin. Foto: Imago Images/Friedel

Inzwischen war es 17.30 Uhr. Ein Gang zur Charité, vielleicht ein paar Stunden Wartezeit, ohne jede Gewissheit, kam für mich nicht in Frage. Ich freundete mich also mit dem Gedanken an, mir bis Dienstag in puncto Schnappatmung selbst weiterzuhelfen. Thymian-Kapseln, Kurkumawurzeln, Honig, alles half nur bedingt. Spät abends fuhr ich also in die Rettungsstelle des Vivantes Klinikums. Ein Corona-Test musste doch schneller möglich sein. Zumal ich mir Medikamente zur Unterstützung meiner Atmung wünschte. 

„Hören Sie am besten auf Theater zu machen“

Am Empfang maß man meine Temperatur und die Sauerstoff-Sättigung im Blut. Alle Werte unauffällig. Ob man nicht trotzdem einen Abstrich machen könne, wollte ich wissen. Meine Atemprobleme hatten mir den Tag und den Abend verdorben. „Mehr Sauerstoff könn wa dir nicht jeben“, war die Antwort. Und was nun? Nachhause gehen und nicht schlafen können?

Ich bestand darauf, einen Arzt zu sehen. Eine knappe Stunde später untersuchte dieser mich leicht genervt mit einem Stethoskop. Meine Lunge hörte sich „super“ an, ich solle mich am besten beruhigen und „aufhören Theater zu machen“.

Theater.

Seit meinem Besuch in der Charité habe ich mich in der Tat etwas beruhigt. Und viel mit Salzwasser inhaliert. Meine Symptome sind etwas zurückgegangen, aber immer noch anstrengend. Morgen-Vormittag steht mein Corona-Test an.

Ich war nicht viel draußen seit meiner Rückkehr, aber beim einzigen Gang in den Supermarkt fühlte ich mich schuldig. Gerne hätte ich schneller Gewissheit gehabt. Seit Monaten leben wir mit Auflagen. Private Kontakte sollen bewusst gewählt, wenn möglich vermieden, Verdachtsfälle sofort gemeldet werden. Ich bin weder jemand, der mit jeder kleinen Erkältung zum Doktor geht, noch ein Hypochonder.

Es geht mir um meine Verantwortung anderen gegenüber

Aber ich habe einen schnellen Corona-Test in meinem Fall für notwendig gehalten. Nicht nur aus Gründen meines persönlichen Wohlbefindens, sondern aus der Verantwortung gegenüber meiner Mitmenschen. Das Pandemie-Management des Berliner Senats enttäuscht mich. Insbesondere, wenn jemand mit erhöhter Temperatur als Verdachtsfall gilt, jemand mit Atemnot hingegen nicht…

Als ich mich während meines Ryan-Air-Rückflugs verunsichert ans Flugzeugfenster drückte, um den Abstand zwischen mir und meinem Sitznachbarn so groß wie möglich werden zu lassen, fragte mich dieser plötzlich: „Sorry, can I use your pencil?“ Was hätte ich sagen sollen? Nein, entschuldigen Sie, ich habe Atemnot? Wahrscheinlich war es ohnehin unbedenklich, ihm meinen Stift zu geben, schlecht fühlte ich mich trotzdem.

Morgen dann habe ich Gewissheit. Man kann nur hoffen, dass die Zahlen in Berlin, angesichts der geringen Test-Kapazitäten und des mangelnden Pandemie-Managements nicht wieder steigen.


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