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Corona und Popkultur: Der Untergang von Berlin in Büchern, Filmen und Songs

Der Untergang von Berlin fand in der Popkultur schon öfters statt. Gerade in Zeiten von Corona sind Fantasien von Katastrophen und Apokalypsen allgegenwärtig. Überall wird über die Absage von Großveranstaltungen diskutiert, die Toilettenpapier-Regale sind leergekauft, und in Krankenhäusern werden Desinfektionsmittel gestohlen. Ist Berlin noch zu retten? Geht die Welt jetzt unter?

Wir befriedigen die Sensationslust und haben die besten Berliner Katastrophen, Ausnahmezustände und Weltuntergänge in Filmen, Büchern, Serien, Musik und Spielen zusammengetragen

Song: „Hurra, die Welt geht unter!“ von K.I.Z.

Sie rappen von Bürostuhl-Wettrennen in einem sonst verlassenen, pflanzenüberwucherten Reichstagsgebäude. Damals, 2015, als K.I.Z. ihr Album „Hurra, die Welt geht unter“ herausbrachten, erklärten sie die von ihnen angestrebte Apokalypse in einem Interview: „Wir beschreiben einen Weltuntergang, nach dem der Mensch übrig bleibt, das herrschende System aber zusammenbricht. Das ist eine Utopie.“, sagte Rapper Nico. Sein Kollege Tarek ergänzte: „Eine durch und durch positive Zukunftsvision.“ Die Sorte Weltuntergang würde womöglich auch gegen Corona helfen. 

„Hurra die Welt geht unter“ von K.I.Z., 2015, Vertigo Records / Universal


Serie: „Counterpart

Berlins Straßen sind sauber und fast menschenleer, der Mundschutz allgegenwärtig. An jeder Ampel hängen High-Tech-Geräte zur To-go-Desinfektion. Händeschütteln ist tabu, ebenso Tabakkonsum und Schweinefleischverzehr. Überhaupt unterliegen Krankheiten grundsätzlich der Meldepflicht. Keine medizinische Hilfe zu suchen ist ein Straftatbestand.

Den drastischen Maßnahmen und weitreichenden Fortschritten in der Medizin steht in vielen Bereichen Stagnation gegenüber: Der europäische Einigungsprozess ist weitestgehend gestoppt. Gezahlt wird noch in Mark. Und das iPhone erfunden hat auch noch niemand. Eine unheimliche Vision, die die Serie „Counterpart“ für Berlin entwirft – für ein alternatives Berlin jedenfalls.

Die Serie handelt von einer geheimnisvollen UN-Behörde, dem sogenannten Austauschdienst, die in der Hauptstadt das Portal zu einem Paralleluniversum bewacht. Zwischen Berlin 1 und Berlin 2 herrscht diplomatische Eiszeit: Denn die andere Seite macht diese für den Ausbruch eines tödlichen Virus verantwortlich. In den 90ern sind fast eine halbe Milliarde Menschen am „München-Virus“, einer tödlichen Grippe, gestorben. Mehr als 20 Jahre später sieht man vor den Kulissen einer Spionage-Thrillerserie, wie Krankheit alle Lebensbereiche bestimmen kann.

„Counterpart“ nach einer Idee von Justin Marks. USA 2017–2019, D: J.K. Simmons, Olivia Williams, Harry Lloyd, Nazanin Boniadi. Staffel 1 seit 2019 auf DVD, 19,80€

Die Hauptstadt boomt als Serien-Schauplatz – warum die Bilder in Berlin-Serien wie Beat und 4 Blocks so düster sind.


Roman: „Für immer in Honig“ von Dietmar Dath

Dietmar Dath ist nicht gerade dafür bekannt, sich einzuschränken. Sein Roman „Für immer in Honig“ umfasst immerhin 1000 Seiten und eine ganze Bandbreite von Themen, Protagonisten und Handlungssträngen: Nahost-Konflikt, Nazis in Baden, Journalisten in Berlin, Buffy the Vampire Slayer, Hillary Clinton als US-Präsidentin, Marxismus sowieso – und den Weltuntergang.

Der heißt hier Totentanz und bedeutet, ganz knapp, dass lebende Tote in Wehrmachtsuniformen über Europa hinweggefegt sind. Der NATO-Feldzug gegen die Nazi-Zombies läuft gut, bloß Berlin ächzt unter dem Joch der Untoten. Schwierige hygienische Zustände lassen Glatzen zum Trend werden, und ab und an müssen die Lebenden den Zombies Körperteile spenden, um deren Gier nach Menschenfleisch zu befriedigen. Ansonsten fährt aber immerhin die S-Bahn, und in Mitte sind sogar noch ein paar Bars offen. Die Stadtbevölkerung nimmt’s also gelassen.

„Für immer in Honig“ von Dietmar Dath, Verbrecher Verlag, 1040 S., 36€


Fantasy-Rollenspiel: „Shadowrun – Deutschland in den Schatten

Shadowrun - Tabletop-Katastrophen in Berlin. Corona und Popkultur.
Shadowrun

Tabletop-Rollenspiele sind vielleicht nicht die schlechteste Alternative zu „Die Siedler von Catan“. Und ansonsten gibt es mit „Shadowrun: Dragonfall“ ein Videospiel aus der Reihe, das Berlin als Schauplatz hat.

Man muss ein bisschen ausholen für „Shadowrun“. Was 1989 als Pen&Paper-Rollenspiel begann, ist mittlerweile eine ausuferndes Fantasy-Welt mit Büchern und Games. Alle Mythen, alle Legenden und alle Fantasygeschichten sind wahr. Vor der Jahrtausendwende verwandelt sich ein gewisser Prozentsatz der Menschen in Orks, Goblins, Zwerge, Feen, Elfen und so weiter. Dieses „Fantasy trifft Gegenwart“-Setting wird gerade dadurch interessant, dass es als Hintergrundrauschen für die größten politischen Verwerfungen funktioniert. Kriege, Seuchen, Revolutionen: alles da.

Berlin ist Mitte des 21. Jahrhunderts nicht ausgenommen, im Gegenteil: Die Reihe „Deutschland in den Schatten“ erklärt, dass Berlin lange Phasen der Anarchie hinter sich hat. Die Stadt ist weitestgehend losgelöst aus dem deutschen Staatsgebilde, und einige Bezirke sind gleich komplett an Weltkonzerne verkauft worden.

„Deutschland in den Schatten“ von Hans-Joachim Alpers, Heyne, 1308 S., 12 €

„Shadowrun: Dragonfall“, Microsoft Windows, OS X, Linux, iOS, Android, 14,99€ auf Steam


Comic: „Zwille“ von Gerhard Seyfried

Zwille und der Notstand in Berlin. Corona und Popkultur - Katastrophen waren für viele Künstler Inspiration.
Gerhard Seyfried

Der akut fühlbare Notzustand und in gewisser Weise ein Weltuntergang ist ganz real in Berlin die Gentrifizierung. Steigende Mieten bedrohen die halbe Stadt, Menschen müssen aus ihren Wohnungen raus und können keine neue finden, geschweige denn sie sich leisten. Der Mietmarkt bestimmt die Entwicklung die Stadt und das Selbstverständnis ihrer Bewohner.

Der legendäre Berliner Comiczeichner Gerhard Seyfried („Flucht aus Berlin“) nimmt diesen unheilvollen Zustand als Ausgangspunkt für seinen 2018 erschienenen Comic „Zwille“, in dem ein aus der Zeit gefallener Kreuzberger Anarchopunk durch ein nicht in ganz ferner Zukunft liegendes supergentrifiziertes Berlin irrt. Seyfried selbst bringt es auf den Punkt: „Der Zustand macht vielen Leuten in meinem Freundes- und Bekanntenkreis Sorgen. Man kann sich die Wohnung nicht mehr leisten, nur wo geht man dann hin?“.

„Zwille“ von Gerhard Seyfried, Westend Verlag, 64 S., 16€


Zombie-Film: „Rammbock“ von Marvin Kren

„Rammbock“ von Marvin Kren

Eigentlich will der Österreicher Michael (Michael Fuith) nur kurz in Berlin vorbeischauen, um seine Ex-Freundin zurückzuerobern. Doch kaum in der Altbauwohnung am Westhafen angelangt, attackieren auch schon Zombies den Berliner Hinterhof – der Kampf um die Liebe wird plötzlich zum Überlebenskampf. „Rammbock“ ist Berlins erster Zombie-Spielfilm. Ruhig erzählt, mit naturalistisch wirkenden Untoten und Hingabe für seine verdatterte Hauptfigur kann sich Marvin Krens Kinodebüt sehen lassen.

Rammbock“. D 2010, 64 Min., R: Marvin Kren, D: Michael Fuith  (Michael), Theo Trebs  (Harper), Anka Graczyk (Gabi)


Hitler-Film: „Der Untergang“ von Oliver Hirschbiegel

Adolf Hitler. Der Untergang.
Der Untergang. Foto: Constantin Film

Die Nazis waren für Berlin der Weltuntergang schlechthin: Regisseur Oliver Hirschbiegel und sein Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger hatten das erklärte Ziel, die letzten zwölf Tage des nationalsozialistischen Regimes, die Hitler und seine Entourage im Berliner Führerbunker verbrachten, möglichst genau zu rekonstruieren. Grundlage sind die Bestseller „Der Untergang“ von Joachim Fest und „Bis zur letzten Stunde“ von Traudl Junge. Herausgekommen ist ein als Spielfilm getarntes braves Doku-Drama, das fleißig alle halbwegs gesicherten Tatsachen hübsch bebildert. Noch nie sah ein Bunker im Kriegszentrum so sauber und aufgeräumt aus.

Der Untergang“. D 2004, 155 Min., R: Oliver Hirschbiegel, D: Bruno Ganz (Hitler), Alexandra Maria Lara (Traudl Junge), Juliane Köhler (Eva Braun)


Roman: „Vaterland“ von Robert Harris

Es ist DER Berlin-Roman über ein Berlin, das es so niemals gegeben hat. Im Jahr 1964 ist der 2. Weltkrieg zu einem Ermüdungskrieg geworden, Europa ist von den Nazis erobert, nur im asiatischen Teil Russlands gibt es noch Widerstand. Hitlers 75. Geburtstag steht unmittelbar bevor, genauso wie der Besuch des US-Präsidenten Joseph Kennedy. Da taucht am Ufer des Wannsees die Leiche eines alten Weggefährten des Führers auf. Kripo-Sturmbannführer Xaver März soll ermitteln und stößt auf ein Geheimnis, das 22 Jahre alt ist und bis in die höchsten Parteikreise reicht.

Das Besondere an Robert Harris‘ Alternativweltroman ist nicht die Handlung (und eigentlich sind es auch nicht die Figuren), es ist die gespenstische Stadt Berlin und das Setting, das unweigerlich an George Orwells „1984“ erinnert. In den Jahren nach 1945 wurde Berlin im Roman nach dem Plänen von Albert Speer langsam zur Welthauptstadt Germania umgebaut, mit der alles dominierenden Großen Halle in der Mitte, durchschnitten von den breiten, kalten Magistralen.

Bei Erscheinen des Romans im Jahr 1992 schlug Harris’ ersten Roman übrigens die Kälte des deutschen Feuilletons entgegen: Es hagelte Verrisse, man fand das Buch „deutschfeindlich“, den Umgang mit der Shoa „frivol“, besonders der „Spiegel“ schäumte. Die deutschsprachige Ausgabe des Romans musste bei einem Verlag aus der Schweiz erscheinen. Immerhin: Viele Neo-Nazis kauften das Buch, weil auf dem Cover ein Hakenkreuz prangte. Die werden beim Lesen ziemlich geschluckt haben.

„Vaterland“ von Robert Harris. Heyne, 448 S., 10,99€


Roman: „Berlin Requiem“ von Peter Huth

Durch Kreuzberg und Neukölln zieht sich wieder eine Mauer, an der auch geschossen wird. Ziele des Beschusses sind Zombies, die durch den Lazarus zu wandelnden Untoten wurden. Die Politiker haben Berlin verlassen und regieren wieder von Bonn aus, der Regierende ist eine Marionette in den Händen eines populistischen Senators (der wohl nicht ganz zufällig an Thilo Sarrazin erinnert). Denn das Lazarus-Virus befällt zunächst nur Migranten.

Gegenspieler der unfähigen Politiker sind die Journalisten Robert, Sarah und der gemeinsame Chefredakteur Christian. Als denen brisante Informationen über den Ursprung des Virus in die Hände fallen, beginnt der Kampf um die Wahrheit.

Seien wir ehrlich: Peter Huth ist kein Thomas Mann. Die Handlung von „Berlin Requiem“ ist relativ vorhersehbar, die Dialoge rumpeln wie ein alter S-Bahn-Waggon, die Charaktere sind austauschbare Knalltüten. Der ehemalige Chefredakteur von Bild, B.Z. und Welt am Sonntag ist ein Unterhalter mit Sinn für Recht und Unrecht. „Berlin Requiem“ ist allerfeinster Trash mit einem leichten Satire-Anspruch und macht beim Lesen einfach wahnsinnigen Spaß.

„Berlin Requiem“ von Peter Huth. Heyne, 333 S., 12,99€


Katastrophen-Film: „Götterdämmerung – Morgen stirbt Berlin“ von Joe Coppoletta

Götterdämmerung ist ein Katastrophenfilm. Berlin erlebte schon viele fiktionale Untergangsszenarien.
Foto: ProSieben Television

Bei einer Explosion auf einer Baustelle stirbt ein Arbeiter, aber damit beginnt der Schrecken erst: Bombentaucher Alex Fechtner stößt bei einer Untersuchung auf ein Zählwerk, das wohl noch aus der Nazizeit stammt. Das denkt zumindest dessen Frau Sandra (Christiane Paul, Foto), renommierte Weltkriegshistorikerin. Sie geht davon aus, dass die Bombe von einer SS-Geheimoperation namens „Thors Hammer“ stammt – und ihre Theorie scheint sich zu bewahrheiten. Der Countdown läuft, und es sieht so aus, als ob 800 Tonnen Sprengstoff unter der Stadt vergraben liegen. Nicht nur das: Die Bomben sind miteinander vernetzt, und anscheinend pflegt seit 1945 eine Gruppe die Transistor-Empfänger. Der letzte Schlag der Nazis also? Jedenfalls versuchen Bürokraten, die womöglich notwendige Evakuierung der Stadt hinauszuzögern, und der Anführer der Operation „Thors Hammer“ hat auch noch ein Wörtchen mitzureden.

„Götterdämmerung – Morgen stirbt Berlin“. D 1999, 92 Min., R: Joe Coppoletta, D: Christiane Paul, Tim Bergmann, Christian Oliver


Katastrophen-Film: „Das Inferno – Flammen über Berlin“ von Rainer Matsutani

Das Inferno – Flammen über Berlin, Foto: W&B Television

Der Fernsehturm brennt! Was für eine Katastrophe. In der Kuppel sind noch 18 Menschen eingeschlossen, die, wenn nicht schnell gehandelt wird, in Berlins höchstem Gebäude zu Tode kommen werden. Eine lokal begrenzte Katastrophe, glücklicherweise, und es sind kompetente Menschen zur Stelle, die Hilfe leisten können – unter ihnen ein unehrenhaft entlassener Feuerwehrmann, der zum Helden avanciert. Weil die Löschversuche scheitern, steht die Idee im Raum, eine Explosion auszulösen, damit das Kohlendioxid sich besser verteilt. Ein riskanter Plan, um Berlins Wahrzeichen zu retten…

„Das Inferno – Flammen über Berlin“. D 2007, 95 Min., R: Rainer Matsutani, D: Stephan Luca, Silke Bodenbender, Klaus J. Behrendt


Serie: 8 Tage

In acht Tagen wird eine Staubwolke, die sich nach dem Einschlag des Asteroiden Horus auf der Erde ausbreitet, Europa vernichten. Die Menschen werden das Schicksal der Dinosaurier teilen – sie sterben aus. Das ist die Prämisse der Sky-Serie „8 Tage“. In den Katastrophendramen Roland Emmerichs würde spätestens jetzt eine panische Massenflucht einsetzen. Nicht so in Berlin, obwohl sich auch hier jeder selbst der Nächste ist. „Ich finde spannender zuzusehen, wie moralische Konstrukte einstürzen und die dünne Decke der Zivilisation zusammenbricht. Denn alle Handlungen verlieren ihre Konsequenz,“ so Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky und einer der beiden Regisseure über das Konzept.

Die psychologisch stimmige Zeichnung der Protagonisten wird zur Stärke der Serie. Die Reichen machen sich aus dem Staub – Trump bietet Asyl. Zurück bleibt die verzweifelte Mehrheit der Gesellschaft, die auf einen der raren Plätze im Schutzbunker hofft. Psychopathen spielen ihre Macht rücksichtslos aus, selbsternannte Propheten bieten Trost und Tausende amüsieren sich berauscht vom Rhythmus der Beats und der Drogen in den Clubs bis zum letzten Atemzug. 

„8 Tage“ nach einer Idee von Rafael Parente und Peter Kocyla. D 2019, D: Mark Waschke, Christiane Paul, Fabian Hinrichs, Nora Waldstätten. 8 Tage auf Sky


Die Ansteckungsgefahr mit Corona in Berlin ist an einigen Orten besonders hoch. Für alle Fragen hat der Senat eine Hotline zu Corona geschaltet. Die Corona-Hamsterkäufer treiben unseren Redakteur in den Menschenhass. Genau wie eine andere tragische Folge der Pandemie: Das Corona-Virus wird zum Rassismus-Trigger.

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