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Berlin verstehen

Die Dächer über Berlin und was dort los ist: Party, Bienen, Golf und Haschplantagen

Es ist eine geheime Welt, die Dächer über Berlin. So wie die unterirdische Stadt, die aus Kellern, Bunkern und Tunnelanlagen besteht, existiert eine überirdische Ebene, dort wo die Häuser aufhören und der Himmel beginnt. Die Grenze verläuft entlang der Dächer. Viele sind langweilig, andere sind ausgebaut. Für manche Mieter sind sie unzugänglich und für andere sind sie Oasen der Freiheit. Die Dächer über Berlin sind vielfältig wie die Stadt selbst. Auf machen wurde Cannabis gezüchtet, andere dienten als Konzertbühne oder Drehort für Filme und Serien, und auf noch anderen wird gefeiert, Golf gespielt oder Bienen gehalten. Entlang von 12 Fotos geben wir Einblick in die Berliner Dächerwelt.


Party machen

Dächer über Berlin: Der Dach-Club Klunkerkranich in Neukölln. Foto: Imago/Gonzales Photo/Kim Matthai Lelan
Der Dach-Club Klunkerkranich in Neukölln. Foto: Imago/Gonzales Photo/Kim Matthai Lelan

Irgendwann wurden die Dächer von findigen Wirten und Clubbertreibern entdeckt, und nachdem schon alte Fabrikhallen und Kraftwerke zu Clubs und Bars umgestaltet wurden, folgten die obersten Etagen der Stadt, die Orten wie dem Neuköllner Klunkerkranich eine Heimat bieten. Es ist selten leicht, den Überblick zu behalten. Doch zum Glück gibt es schöne Rooftop-Bars in Berlin, in denen man bei kühlen Drinks in luftiger Höhe die Aussicht genießen kann.


Musik spielen

Musiker steht auf dem Dach des Wohnhauses Lettestraße Ecke Dunckerstraße in Prenzlauer Berg und singt gegen den Corona-Blues. Foto: Imago/Seeliger
Musiker steht auf dem Dach des Wohnhauses Lettestraße Ecke Dunckerstraße in Prenzlauer Berg und singt gegen den Corona-Blues. Foto: Imago/Seeliger

Die Beatles haben es vorgemacht: Kurz vor ihrer Auflösung gaben sie im Januar 1969 ein heute legendäres Konzert auf dem Dach ihres Plattenlabels Apple in der Savile Row in London. In Berlin sind solche Dachkonzerte eher selten, aber sie finden doch statt und zeigen, wie kreativ Berliner Musiker und Musikerinnen mit Dächern umgehen können, auch ein halbes Jahrhundert nach den Fab Four. Hier musiziert ein einsamer Songwriter in Prenzlauer Berg, inmitten des Lockdowns.


Imkern

Imkerin Erika Mayr kontrolliert eine Brutwabe eines Bienenvolkes auf einem Dach eines Hauses in Mitte. Foto: Imago/Frank Sorge
Imkerin Erika Mayr kontrolliert eine Brutwabe eines Bienenvolkes auf einem Dach eines Hauses in Mitte. Foto: Imago/Frank Sorge

Rund 2000 Imker gibt es in Berlin. Und es werden mehr. Stadt-Imkern liegt im Trend und hat Vorteile für die wertvollen Tiere: In der Stadt sind sie weniger Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt. Berlins flüssiges Gold wird in Hinterhöfen und oft und gerne auch auf Dächern kultiviert.


Schornsteine fegen

Schornsteinfeger während der Arbeit auf den Dächern Berlins, 1978. Foto: Imago/Werner Schulze
Schornsteinfeger während der Arbeit auf den Dächern Berlins, 1978. Foto: Imago/Werner Schulze

Der Klassiker unter den Dach-Aktivitäten ist natürlich beruflicher Natur. Bevor Partymacher und Imker die Dächer für sich erschlossen, waren die Herren in Schwarz mit ihren Bürsten und Leitern auch den Dächern in Berlin unterwegs. Die Schornsteinfeger auf diesem Foto aus dem Jahre 1978 hatten ebenso einen guten Blick über die Stadt wie ihre Kollegen von heute.


Chillen

Dächer über Berlin: Junge Frauen entspannen auf dem Dach eines Hauses in Friedrichshain. Foto: Imago/Westend61
Junge Frauen entspannen auf dem Dach eines Hauses in Friedrichshain. Foto: Imago/Westend61

Noch in den 1990er-Jahren, als in Berlin die Häuser nicht saniert und die Mieten niedrig waren, kam man meist problemlos hoch aufs Dach. Man ging durch einen staubigen Dachstuhl, vorbei an Taubenkacke und altem Gerümpel zu einer Dachluke und kletterte raus. Und plötzlich überkam einen ein ungeahntes Freiheitsgefühl. Man war mittendrin und doch über dem Alltag. Seit viele Dachgeschosse zu Wohnungen ausgebaut wurden, ist das nicht mehr so einfach. Aber es gibt immer noch die guten alten Berliner Dächer, auf denen es sich gut chillen lässt.


Hanf anbauen

Auf dem Dach eines besetzten Hauses in der Auguststraße in Mitte wurde 1994 eine Haschischplantage entdeckt. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Auf dem Dach eines besetzten Hauses in der Auguststraße in Mitte wurde 1994 eine Haschischplantage entdeckt. Foto: Imago/Rolf Zöllner

Das ist natürlich schon etwas ungewöhnlich und nicht zur Nachahmung empfohlen. In den 1990er-Jahren betrieben die Besetzer eines Hauses in der Tucholskystraße in Mitte eine ziemlich beachtliche Hanfplantage auf ihrem Dach. Auch früher kümmerten sich etwa die Kreuzberger Besetzer um die Dachbegrünung und erfanden die urbanen Dachgärten, aber die kriminalisierte Rauchpflanze hat man eher im kleineren Maß angebaut, denn die Polizei war (und ist) in besetzten Häusern kein seltener Gast. Interessant, wie damals die Pflanzen überhaupt so groß wachsen konnten, bis die Sache aufflog. Der ganze Kiez muss ja gerochen haben wie Bob Marleys Hinterhof.


Fotoshootings machen

Filmregisseur Christian Klandt fotografiert seiner schwangere Lebenspartnerin Klara Kamm auf dem Dach seiner Wohnung. Foto: Imago/Achille Abboud
Filmregisseur Christian Klandt fotografiert seiner schwangere Lebenspartnerin Klara Kamm auf dem Dach seiner Wohnung. Foto: Imago/Achille Abboud

Dächer bieten neue Perspektiven und sind gute Kulissen für Fotoshootings. Man hat die Weite, die Stadtkulisse und das himmlische Schauspiel zur Verfügung, muss nicht rausfahren und trotzdem sieht das Bild am Ende ungewöhnlich aus. Schon die Berliner Modemacherin Claudia Skoda produzierte gerne Fotos von ihren Kreationen auf dem Dach ihrer legendären Kreuzberger Kreativzentrale Fabrikneu, und auch der Filmregisseur Christian Klandt wählte das Dach für ein Fotoshooting mit seiner schwangeren Partnerin Klara Klamm.


Energie gewinnen

Dächer über Berlin: Michael Geissler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur präsentiert eine Solaranlage auf einem Wohnhais an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Jürgen Heinrich
Michael Geissler, Geschäftsführer der Berliner Energieagentur, präsentiert eine Solaranlage auf einem Wohnhaus an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Jürgen Heinrich

Die Energiewende kommt und die Gewinnung von Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Das ist klar, und so darf der Wandel nicht nur den ländlichen Regionen überlassen werden, auch in die Städten, in denen immerhin der Großteil der Energie verbraucht wird, müssen ihren Teil dazu beitragen. Etwa mittels Solaranlagen, die auf die Dächer in Berlin installiert werden, so wie hier in Prenzlauer Berg geschehen.


Golf spielen

Freizeitgolfer trainiert auf einer Abschlagmatte auf der Dachetage eines Hochhauses am Steglitzer Kreisel. Foto: Imago/Günter Schneider
Freizeitgolfer trainiert auf einer Abschlagmatte auf der Dachetage eines Hochhauses am Steglitzer Kreisel. Foto: Imago/Günter Schneider

Dächer sind Freiflächen in einer Stadt, in der immer mehr Freiflächen verschwinden. Auf den Dächern von Baumärkten entstehen umzäunte Fußballfelder und auf Hochhäusern können Tennisplätze, Swimmingpools oder, wie hier auf dem Foto zu sehen, Golfanlagen installiert werden. Dieser Herr übt den Abschlag, mehr ist auf einem Dach nicht drin, ein 18-Loch-Platz ließe sich wohl höchstens auf dem Dach des alten Flughafens Tempelhof bauen.


Filme drehen

Dächer über Berlin: Dreharbeiten zum Film "Eine etwas andere Familie" auf dem Dach eines Hochhauses in Friedrichshain. Foto: Imago/David Heerde
Dreharbeiten zum Film „Eine etwas andere Familie“ auf dem Dach eines Hochhauses in Friedrichshain. Foto: Imago/David Heerde

Eine der berühmtesten Filmszenen, die auf einem Berliner Dach gedreht wurde, ist in dem Klassiker „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zu sehen. Christiane F. und ihre Clique tummeln sich auf dem Dach des Europa Centers herum, dazu läuft ein Song von David Bowie. Doch auch andere Filme werden immer wieder auf Berliner Dächern gedreht, etwa „Eine etwas andere Familie“, wie das Standbild zeigt. Überhaupt spielt Berlin als Drehort in Filmen und Serien oft die heimliche Hauptrolle.


Protestieren

Anti-Olympia-Protestaktion auf dem Dach eines Hauses in Kreuzberg, 1993. Foto: Imago/Seeliger
Anti-Olympia-Protestaktion auf dem Dach eines Hauses in Kreuzberg, 1993. Foto: Imago/Seeliger

Immer wieder nutzen Demonstranten die Dächer in Berlin für ihre Protestaktionen. Greenpeace lässt von Dächern gewaltige Transparente herunterrollen, während der Besetzung einer Schule in Kreuzberg fanden auf dem Dach Happenings und Konzerte statt, und an dieser Brandmauer eines Kreuzberger Hauses haben 1993 Olympia-Gegner ihrer Wut einen feurigen Ausdruck verliehen.


Gärtnern

Dächer über Berlin: Weinreben in einem Dachgarten in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Götz Schleser
Weinreben in einem Dachgarten in Prenzlauer Berg. Foto: Imago/Götz Schleser

Es muss nicht immer Haschisch sein. Weiter oben ist ein Foto einer riesigen Hanfplantage auf einem besetzten Haus in Mitte zu sehen, hier haben sich die kreativen Stadtgärtner mit Weinreben zufrieden gegeben. Überhaupt sind die Dachflächen bestens für eine Bepflanzung geeignet. Würde man auf so vielen Häuserdächern wie möglich Nutzpflanzen, Blumen und Bäume anbauen, könnte es den Charakter einer Stadt nachhaltig verändern und für ein besseres Klima und Artenschutz sorgen. Wir könnten ein gutes Beispiel für eine Stadt der Zukunft sein. Berlin als utopischer Traum, bewachsen mit Wiesen, Gärten und Wald. Eine Dach-Utopie!


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