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Die besten Berliner des Jahres 2020: Wer uns komplett überzeugte

Normalerweise machen wir Ende des Jahres immer die 100 peinlichsten Berliner und Berlinerinnen des vergangenen Jahres. Aber aus dem seltsamen Jahr 2020 wollten wir euch nicht nur mit den Peinlichen Berlinern entlassen. Deshalb haben wir erstmals auch die Liste der besten Berliner des Jahres 2020 zusammengestellt.

Hier ist also die Top 25 des Jahres. Mit Christian Drosten, Alice Hasters, Kurt Krömer und den Swingin‘ Hermlins. Menschen, die uns beeindruckten, uns Mut machten – oder einfach nur gute Laune.


1. Er-Faktor

Christian Drosten, Virologe

Die besten Berliner des Jahres 2020: Auf dem Spitzenplatz kann es nur einen geben: Christian Drosten. Sahen nicht nur wir so. Glückwunsch! Foto: imago images/xim.gs

Was wir in diesem Jahr 2020 über Viren, ACE2-Rezeptoren, Cluster, Dispersion oder den R-Faktor wissen, wissen wir von ihm. (Okay, kleiner Scherz, die Berechnung des R-Faktors haben wir bis heute nicht kapiert). Der Chefvirologe der Berliner Charité, dessen Team den ersten PCR-Test gegen das neuartige Virus entwickelte, erklärt seit Mitte ­Februar im „Coronavirus-Update“-Podcast von NDR-Info den Forschungsstand, die Risiken, die Unabwägbarkeiten, die Wissenslücken: verständlich, strukturiert, faszinierend (seit Ende der Sommerpause wechselt er sich mit der gleichfalls beeindruckenden Frankfurter Kollegin Sandra Ciesek ab).

Jetzt feiern wir hart jede Studie auf den Preprint-Servern. Vollends gaga, dass einer der weltweit wichtigsten Corona-Experten exponentiellen Irrsinn in beiden Richtungen triggert: vom Fancy-Virologen-Crush bis zu Drohungen der Covidioten. En passant hat Drosten zudem die Ein-Satz-Versenkung auf Twitter perfektioniert. Seine Replik auf eine „Bild“-Attacke gehört an jede Häuserwand: „Ich habe Besseres zu tun.“

Prognose 2021 Gastgitarrist bei der ersten Live-Performance des ZSK-Ohrwurms „Ich habe Besseres zu tun“.


2. Monstertyp

Engelbert Lütke Daldrup, BER-Fertigbauer

Er kam, sah und baute fertg. Foto: imago images/Jürgen Heinrich

Alle sind sie am BER, diesem jahrelangen Witzgaranten für Satire-Lohnschreiber im Süden Berlins, mit Karacho gescheitert: ­Rainer Schwarz, Hartmut Mehdorn, Klaus Wowereit, Matthias Platzeck und wie sie alle sonst noch hießen. Aber dann kam er, Engelbert Lütke Daldrup, der asketische Hornbrillen-Berserker aus dem Rheinland mit einer Haartracht wie eine luftige Schäfchenwolke, einem Technokratenduktus von der Trockenheit eines Knäckebrots und dem Detailblick eines Aktenknuddlers. Und ihm gelang, woran kaum noch jemand zu glauben wagte: Er zähmte die Entrauchungsanlage, genannt „Monster“, sortierte den Kabelsalat in den Kanälen und brachte tatsächlich den BER ans Netz – an seinem 64. Geburtstag, dem 31. Oktober. Wir wissen ja nicht, wann, wo und wieso Berlin den nächsten neuen Flughafen bauen wird, aber wir könnten Engelbert Lüdke Daldrup jahrelang dabei zusehen.

Prognose 2021 Die BER-Entrauchungsanlage wird nach ihm benannt.


3. Wissenstransfer

Alice Hasters, Journalistin, Buchautorin

Nur der Nuhr kennt sie nicht: Alice Hasters. Foto: imago images/Jürgen Heinrich

Es muss – mit Verlaub – ein ziemlicher Scheißjob sein, gerade die Menschen, von denen man sich schon so viel verletzenden Mist anhören müsste, unermüdlich aufzuklären. In Talkshows, Interviews, Gastbeiträgen. Alice Hasters macht den Job dennoch, und sie macht ihn sehr gut. Die afrodeutsche Journalistin und Autorin wurde 2020 zur Lichtgestalt im Kampf gegen Rassismus. Ihr Buch „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ ist 2019 erschienen und wurde im „Black Lives Matter“-Sommer 2020 zum Bestseller.

Nur der Dieter Nuhr, Satiriker auf unerschütterlicher Verbitterungsmission, kennt sie nicht: In einem sagenhaft unlustigen Rant bezeichnete er Hasters‘ Buch erst als „rassistisch“, dann als „Riesenrenner in den USA“ – logisch, eine teutsche Autorin sieht schließlich ganz anders aus. Um es (fast) mit seinen eigenen Worten zu sagen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal ­Alice fragen.

Prognose 2021 Bleibt mindestens genauso stark gefragt.


4. Allzweck-Wupper

Albrecht Broemme, Corona-Logistiker

Würde ja gern in Pension bleiben. Wenn nur diese Pandemie nicht wäre. Foto: imago images/Bernd Friedel

Wenn nichts mehr geht, kommt Super-Broeme. Berlins Pandemie-Brandentschleuniger vom Dienst war ja jahrelang Landesbranddirektor der Stadt, dann Chef des Technischen Hilfswerkes. Im Frühjahr stellte der Pensionär dem Senat blitzschnell eine 1.000-Betten-Notklinik für Covid-Patienten aufs Messegelände. Jetzt plante er die sechs Berliner Corona-Impfzentren – mit Hilfe von Legosteinen und „Mensch ärgere dich nicht“-Figuren. Als hätten sich McGyver und Chuck Norris zum Spieleabend getroffen.

Prognose 2021 Verteilt den Impfstoff im Minus-70-Grad-Koffer persönlich (ohne Handschuhe).



5. Konzertmeister der Nation

Igor Levit, Pianist und Aktivist

Bei Igor Levit wird auch der „Danni“ zum Wohnzimmer. Foto: imago images/epd

Ob er sich auf Twitter mit der AfD anlegt oder Klavier für die Aktivistinnen im Dannenröder Forst spielt: Igor Levit mag seinen Aktivismus am liebsten fortissimo. Seine täglich gestreamten „Corona-Hauskonzerte“ im Frühjahr brachten im ersten Lockdown vielen Menschen Hoffnung – und ihm das Bundesverdienstkreuz ein. Geschenkt also, wenn gehässige Feuilletonisten, wie zuletzt in der „SZ“, Kritik an seinem lauten Humanismus und Legato üben: Levit ist der Pianist der Nation.

Prognose 2021 Wohnzimmerkonzerte bei Papst Franziskus und Dalai Lama.


6. Kneipenkünstler  

Kurt Krömer, TV-Lichtgestalt

Krömer, der Gastgeber. Foto: rbb / Porsdorf

Der beste Polit-Talker der Republik – und eigentlich nur eine Kunstfigur. Der kratzbürstige Gastgeber der RBB-Sendung „Chez Krömer“ pendelt zwischen Neuköllner Schnodder-Schnauze und dem patzigen Mienenspiel eines Eckkneipen-Originals im Wedding. So viel Street Wiseness reicht, um strittige Personen der Zeitgeschichte zu demaskieren, ob Raed Saleh, inzwischen Chef der Berliner SPD, Boris Palmer, Tübingens OB, oder die rechte Hetzerin Erika Steinbach.

Prognose 2021 Wechselt in die Prime Time.


7. Brückenkopf

Maja Göpel, Transformationsforscherin

Cool, smart, unerschrocken: Maja Göpel. Foto: imago images/POP-EYE

Maja Göpel will nichts weniger, als die Welt neu zu denken. Die umtriebige Politökonomin berät die Bundesregierung, lehrt an Unis, schreibt Bestseller und spricht in Talkshows. Ach ja, Scientists for Future hat sie auch mitgegründet. Ihr Anliegen? Unser aller Überleben und Wohl. Göpel fordert Nachhaltigkeit statt grenzenlosem, zerstörerischem Wirtschaftswachstum. Dazu ist sie verdammt cool, wie man im RBB-Talk von Jörg Thadeusz (siehe Peinlichen-Platz 36) gesehen hat. Dem Moderator machte sie klar, dass Klimawissenschaftlerinnen keine hysterischen Sadisten sind und für Frauen kein Lächelgebot auf Buchcovern gilt.

Prognose 2021 Baut als Chefin des Hamburger New Institute neue Brücken in die Gesellschaft.


8. Geldsegen

Volker Bruch, Schauspieler

Guter Rath: Schauspieler Volker Bruch. Foto: imago images/xim.gs

Der Schauspieler ist natürlich durch „Berlin Babylon“ als Kommissar Gereon Rath in aller Wohnzimmer, aber hier geht es nicht um die seriellen Volker-Kutscher-Verfilmungen. Bruch sammelt gemeinsam mit seinem Kollegen Trystan Pütter zum zweiten Mal mit der Initiative „Los für Lesbos“ Spenden für Geflüchtete, in der ersten Runde waren im Herbst 570.000 Euro zusammengekommen. Denn während alles von Corona spricht, spielt sich an den Außengrenzen Europas noch eine ganz andere dramatische Krise ab. Tag für Tag für Tag.

Prognose 2021 Dritte Sammelrunde für Lesbos.


9. Hammer-Aktion

Bettina Semmer & Holm Friebe, Initiatoren der „Direkten Auktion“

Die Organisatoren der Direkten Auktion, Bettina Sommer und Holm Friebe. Foto: Stephanie Neumann

Kunstauktionen laufen meist so ab: Reiche Menschen kaufen und verkaufen Werke von erfolgreichen Künstlerinnen. Nicht so bei „Direkte Auktion“, initiiert von Bettina Semmer, Holm Friebe und dem Auktionshaus Jeschke van Vliet. Bei dieser Online- Auktion konnten sich auch Normalos Kunstwerke für ihre uninspiriert dekorierten Wohnzimmerwände leisten. Zugleich profitierten gerade die vielen unbekannten Künstlerinnen von der Aufmerksamkeit und durften zwei Drittel des Verkaufspreises selber einsacken.

Prognose 2021 Intelligente neue Ideen.


10. Kinoheld

Oliver Masucci, Schauspieler

Masucci bei der „Entfant Terrible“-Premiere in Essen. Foto: imago images/Future Image

In einem Jahr, das so cineastisch war wie ein Tatort aus Ludwigshafen, hat Oliver Masucci die Filmkunst vor dem Aus bewahrt, mindestens. In Oskar Roehlers Biopic „Enfant Terrible“ spielte er den barocken Regie-Titan Rainer Werner Fassbinder so leibhaftig und echt, dass er für 134 Minuten Filmlänge jene Lücke füllte, die fehlende Körperlichkeit im Social-Distancing-Alltag hinterlassen hatte. Großes Kino – in Lichtspielhäusern, deren Reihen licht und deren Popcorn-Umsätze bescheiden waren. Außerdem brillierte der Acting-Spezialist als Netflix-Star in der Mystery-Serie „Dark“ .

Prognose 2021 Chef des Lee Strasberg Institutes.


11. Blitzreaktion

Annemie Vanackere, HAU-Intendantin

Schelle Reaktion auf die Krise: Annemie Vanackere. Foto: imago stock&people

Während andere Kultureinrichtungen ihre Gäste noch mit gut gemeinten, aber nicht immer gut gemachten Streams alter Inszenierungen durch den Frühlingslockdown bringen wollten, glänzte das HAU mit einem Programm auf höchstem Niveau. Annemie Vanackere, seit 2012 Intendantin des Theaterkombinats, reagierte klug und blitzschnell auf die Krise, ließ etwa den Instant-Classic-Text „Vom Virus lernen“ des Theoretikers Paul B. Preciado übersetzen und den Installationskünstler James Bridle seinen geplanten Vortrag von seinem Wohnsitz in Griechenland aus übertragen. Damit bewies sie, dass ein (interdisziplinäres) Theaterhaus im digitalen Raum mehr drauf hat als schlicht abgefilmte Aufführungen.

Prognose 2021 Nächste Theater-Mutation.


12. Digitallösung

Pop-Kultur Festival, Veranstalterkollektiv

Das Team des Pop-Kultur Festivals hat es tatsächlich geschafft, die Krise als Chance zu nutzen und ein grandioses Online-Festival zu veranstalten. Statt sich komplett auf gestreamte Konzerte und Gesprächsrunden zu verlegen, gab es zudem exklusiv produzierte Musik- und Videoarbeiten aus Berlin und dem Rest der Welt. Das Ganze auch noch kostenlos bis zur nächsten Popkultur abrufbar und barrierefrei für Blinde. Wow!

Prognose 2021 Hoffentlich doch wieder offline.


13. Windstärke

Fridays for Future, Klimaschutzbündnis

So geht Demo in der Pandemie. Fridays for Future vor dem Reichstag. Foto: imago images/IPON

Sie sorgten 2020 dafür, dass die Klimakrise trotz Pandemie Thema blieb. Bereits im April, als die Demonstrationsfreiheit Debattenthema war, machten FFF vor, wie Demo in der Seuche geht – mit Tausenden von Protestplakaten auf der Wiese vor dem Bundestag. Mehr Abstand war kaum möglich: Die Luftaufnahmen von dem eindrucksvollen Pappteppich gingen um die Welt.

Prognose 2021 Abitur oder Master, dann Marsch durch Institutionen.


14. Bildschirm-Bazooka

Oliver Kalkofe, Fernsehkritiker

Unser Mann für die Groben: Oliver Kalkofe. Foto: imago images/POP-EYE

Seit 2013 zeigt der Kritiker auf Tele5 die „Schlechtesten Filme aller Zeiten“. Schlechterdings unmöglich aber war es in der diesjährigen Adventsstaffel, das Niveau der Telegram-Tiraden von Attila Hildmann (Peinlichen-Platz 1) zu unterkielen. Aber Kalk wäre nicht die Bazooka für Bildschirm-Trash, wenn er nicht auch Hildmanns Krampf-Kirmes vorm Kanzleramt in „Kalkofes Mattscheibe Rekalked“ zerlegt hätte. Humor ist, wenn es trotzdem kracht.

Prognose 2021 1,3 Millionen Fans youtuben „Hildmanns Visionen“: Lachkrampf im Lockdown.


15. Gemüsewurzelbewegung

Ilona Scholl/Max Strohe, „Kochen für Helden“

Ilona Scholl und Max Strohe vom Restaurant Tulus Lotrek Berlin. Foto: imago/HiPi

Das Tulus Lotrek in Kreuzberg. Sterneküche. Gesellschaftsrestaurant. Getrüffelt. Und kaviarisiert. Dann der Lockdown, ein Keller voller hervorragender, aber verderblicher Produkte und die Frage, was man nun machen solle als Gastronom*innen. Außer natürlich, sich zu beklagen. Also haben Ilona Scholl und Max Strohe quasi über Nacht Kochen für Helden erfunden. Eine bald deutschlandweite Initiative, die Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen während des Lockdowns mit hand- und herzgemachtem Essen versorgt hat. So viel zur Systemrelevanz.

Prognose 2021 Helden beim Kochen.


16. Captain Future

Faraz Shariat, Filmregisseur

Weltweiter Applaus: Faraz Shariat. Foto: imago images/Seeliger

Man kann sich streiten: Hat der Regisseur Faraz Shariat, 26, mit seinem Debütlangfilm, der Tragikomödie „Futur Drei“, einen der besten Filme des Jahres gemacht? Oder einfach den besten? Endlich mal schwule und (post-)migrantische Charaktere nicht nach Schema F. Sondern Sailor Moon im Abspann, geil! Dafür gab’s auf der Berlinale den Teddy und auf Festivals weltweit Applaus. Faraz Shariat von „Futur Drei“ ist unser Captain Future des Kinos.

Prognose 2021 Dreht 2021 den Film „Futur Drei, Teil III“, wofür er 2022 drei Oscars bekommt.


17. Zimmerlautstärke

Swingin’ Hermlins, Swingorchester

Lustige Musikanten: die Swingin’ Hermlins. Foto: Uwe Hauth

Als die Corona-Krise noch neu war und der Shutdown ein Schockdown, als aber auch die Ideen noch frisch waren, verlegten so manche Musiker ihre Bühne ins Home-Office. Und einer derjenigen, nach dem man allabendlich seine Uhr stellen konnte, auf Punkt 7 p.m., war André Hermlin mit seinen Swingin‘ Hermlins: halbstündige Wohnzimmerkonzerte als Familienangelegenheit, live auf Facebook. Jetzt, einen Shutdown später, musizieren die Hermlins in bester Zimmerlautstärke auf die 300-Konzerte-Marke zu: „The Music Goes Round And Around”.

Prognose 2021 Ihm fällt im Lockdown nicht die Decke auf den Kopf.


18. Kunststück

Kristian Jarmuschek, „Positions“-Direktor

Kristian Jarmuschek, CEO der Paper Positions. Foto: imago/Tom Maelsa

Kristian Jarmuschek hat ausgerechnet im Corona-Jahr dafür gesorgt, dass Berlin 2020 doch noch eine Kunstmesse hatte: Nachdem die „art berlin“ und ihre Vorläufer das Zeitliche gesegnet haben, bleibt die eher mittelständische „Positions“. Im September öffnete sie im Flughafen Tempelhof für Galeristen, Kunstguckerinnen und -käuferinnen, die sich am Eingang Fieber messen ließen. Als Vorstandsmitglied im Bundesverband Deutscher Galerien hat Jarmuschek außerdem dazu beigetragen, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) Corona-Hilfen für Galeristinnen locker gemacht hat.

Prognose 2021 Holt die Art Cologne nach Berlin.


19. Schubkraft

Gabriele Horn, Biennale-Direktorin

Bestens vernetzt: Gabriele Horn. Foto: imago images/POP-EYE

Sie stemmte einen ganz besonderen Kraftakt: Gabriele Horn hat die ganze 11. Berlin Biennale samt Leihgaben, vier Ausstellungsorten, Versicherungen und interkontinentalen Kunsttransporten vom Frühsommer in den Herbst geschoben – ein schmales Zeitfenster zwischen den Shutdowns, wie sich zeigte. Damit, was zwei Jahre lang vorbereitet wurde, überhaupt stattfinden konnte, hielt die bestens vernetzte Direktorin der Berlin Biennale Unterstützerinnen, Geld und Infrastruktur zusammen. Glückwunsch!

Prognose 2021 Wird neue Kultursenatorin.


20. Corona-Hotline

Patrick Larscheid, Amtsarzt im Bezirk Reinickendorf

Ist was, Doc? Aber hallo. Patrick Larscheid gibt Auskunft. Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild


Der Karl Lauterbach unter den Berliner Amtsärzten: immer erreichbar, stets mit einer Meinung, und dabei wenig konfliktscheu. Da ledert der Motorradfahrer auch schon mal gegen politische Chefetagen, im Senat oder beim Bundesgesundheitsminister. Schon Mitte November sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio, er würde niemandem empfehlen, „Weihnachten oder Silvester irgendetwas zu planen“. Außer ihm kennt man kaum einen der Amtsärzte der Berliner Bezirke beim Namen. Vielleicht rufen die anderen auch einfach nicht so oft zurück.

Prognose 2021 Hat endlich wieder mehr Zeit, sich mit Homöopathen zu battlen.


21. Rückenwind

Dieter Puhl, Wohnungslosen-Lobbyist

Nicht ohne seine Mütze: Dieter Puhls Markenzeichen. Foto: imago/Photopress Mueller

Der langjährige Leiter der Bahnhofsmission am Zoo, der seit Anfang 2019 bei der Stadtmission die Stabsstelle „Christliche und gesellschaftliche Verantwortung“ führt, ist seit fast 30 Jahren Berlins gutes Gewissen in der Wohnungslosenhilfe: mit christlich grundiertem Lobbyismus für Nächstenliebe, einem warmherzigen Blick auf die Menschen und der Fähigkeit, selbst jenen „guten, tragenden Rückenwind“ für die Schwächsten zu erzeugen, den er anderen gern wünscht.

Prognose 2021 Hat weiter viel zu tun.


22. Hegelheld

Florian Schroeder, Satiriker

Bringt Querdenker ins Grübeln: Florian Schroeder. Foto: imago images/Future Image

Florians Schroeders imitationsaffiner Humor ist nicht jedermanns Sache. Aber selten stieß er auf so baffes Erstaunen wie als Gast bei einer „Querdenker“-Demo in Stuttgart. Zuerst wecke er auf der Bühne mit Klatsch-Baiting-­Fragen für Corona-Leugner („Sind unsere Medien gesteuert?“ – „JA!“) schwurbelige Erwartungen, um sie dann genüsslich zu zerlegen: Corona gefährlich, Masken auf! „Das heißt querdenken: vernünftig sein!“ Schroeders Crashkurs in Hegel-Dialektik erntete Buhrufe, Pfiffe, später beleidigten Netzhass der Zielgruppe. Eine der Reden des Jahres.

Prognose 2021 Keine Einladung nach Stuttgart.


23. Klangkörper

Till Brönner, Jazz-Trompeter

Der Mann, dem wir zuhören sollten. Foto: Till Brönner

Sechs Minuten und 52 Sekunden. So lange haben wir Till Brönner zugehört. Reichlich viel in einer Zeit, in der die mittlere Aufmerksamkeitsspanne gerade die Länge eines TikTok-Videos erreicht. Brönner aber hat uns gekriegt. Nicht mit seiner Trompete, sondern seiner ruhig und dennoch merklich angegangen vorgetragenen Video-Einordnung der Kulturlandschaft und der pandemischen Lage an sich. „Hier geht es nicht um Selbstverwirklicher, die in ihrer Eitelkeit gekränkt sind, es geht um uns alle.“ Diese Smartness hätten Debatten zuletzt öfter gebraucht.

Prognose 2021 Kulturgewerkschaftsboss.


24. Freundhelfer

Oliver von Dobrowolski, Polizist

Kritischer Geist. Foto: Oliver von Dobrowolski / Wikimedia commons / CC BY-SA 4.0

Das linke Gewissen der Polizei dürfte selbst manchen Autonomen davon überzeugen, das „A“ in „ACAB“ zu überdenken. Oliver von Dobrowolski, Vorsitzender der gewerkschaftsartigen, antifaschistischen Berufsvereinigung PolizeiGrün, erhebt gern und laut die Stimme, wenn das Vertrauen in die „Freunde und Helfer“ mal wieder schwindet: In den Debatten um den Mord an George Floyd und rechte Netzwerke in der Polizei kritisierte er immer wieder, dass die Behörde ein Rassismusproblem habe. Dafür gibt’s Häme und Schlimmeres von manchen Kolleg*innen. Und Zuspruch von vielen, die der Polizei nicht über den Weg trauen: Linken und marginalisierten Menschen.

Prognose 2021 Bekommt eine Laudatio von Hengameh Yaghoobifarah.



25. Nachtgestalt

Thorsten Nagelschmidt, Schriftsteller

Night on Earth, Berlin-Version: Thorsten Nagelschmidts Roman „Arbeit“. Foto: imago images / Christian Grube

Der Muff-Potter-Sänger und Romancier schrieb eine langrecherchierte Hommage an „systemrelevante Berufe“ – noch bevor die Pandemie derlei Helden des Alltags sichtbar machte. In seinem Roman „Arbeit“, erschienen Ende April, hatten sie Auftritte: Einzelhandelsverkäuferin oder Essensbotin, auch Rettungssanitäter – als Care-Arbeiter während einer Partynacht in Kreuzberg. Während des ersten Lockdowns bekamen Helfer auf einmal Applaus von den Balkonen. Literatur, die von der Wirklichkeit bestätigt wird.

Prognose 2021 Fortsetzungsroman: „Freizeit“.


Noch mehr beste Berliner*innen 2020 – und die peinlichsten Berliner des Jahres obendrauf:

Ja, das Corona-Jahr eins war so fifty/fifty. Grafik: tipBerlin

Die vollständige Liste der 50 besten Berliner*innen könnt ihr im tipBerlin 27/2020 lesen – das Heft gibt’s natürlich in unserem Webshop. In diesem Heft findet ihr auch die vollständige Liste der 50 größten Nervensägen des vergangenen Jahres. Die Top 25 der peinlichsten Berliner haben wir hier für euch.

Peinlich, peinlich: Die Ergebnisse der vergangen Jahre

Die Ergebnisse der vergangenen Jahre findet ihr hier – auch, wenn wir da noch keine Besten und nur Elend hatten.


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Eine Stadt sieht endlich einen Stich: Die wichtigsten Infos zu den Impfungen findet ihr hier. Berliner Influencer*innen lassen es zu Silvester krachen: Wie doof ist das denn? Wir verstehen Bahnhöfe: Das müsst ihr über die Stationen der U2 wissen. Tanne für die Tonne: Wohin mit dem abgerockten Weihnachtsbaum? Wir nadeln mit euch ab.

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