Lage, Lage, Lage. Das mittlerweile in Berlin weidlich verfluchte Immoblienmantra. Für Christina Deckwirths Zwölf-Quadratmeter-Büro gilt das aber auch. Schiffbauerdamm, Reichstag in Rufweite, Bundespresseamt gegenüber. Das ehemalige DDR-Umweltministerium ist ein freudloser Plattenbau. Aber mitten im Zentrum der Macht.
Eine Eins-a-Lage für einen Verein wie LobbyControl, der mit minimalen Ressourcen Lobbyisten maximal auf den Zeiger gehen will. Campaignerin Deckwirth hat den“Lobby Report 2013″ mitverfasst, der die Lobby-Bilanz der schwarz-gelben Bundesregierung in eine einprägsame Ampelsymbolik übersetzt. Zum Beispiel in Sachen Lobbytransparenz (LobbyControl fordert einen verbindlichen Lobby-register): Ampel auf Rot. Oder Abgeordnetenbestechung (unter den G-20-Staaten haben nur Deutschland und Japan bislang nicht die UN-Konvention gegen Korruption umgesetzt): Rot. Insgesamt: viermal Rot, einmal Gelb. Allerlei Alarmsignale.
LobbyControl, 2006 in Köln gegründet, bot schon seine Stadtführungen zu Berliner Lobbyadressen an, bevor die promovierte Politikwissenschaftlerin 2011 das Hauptstadtbüro aufbaute. Neben Kampagnen wie aktuell „Meine Stimme gegen Lobbyismus – Für Demokratie“ – die Unterschriften werden zu den Koalitionsverhandlungen gereicht – ist der gemeinnützige Verein oft dabei, wenn Lobby-Ungemach aufgedeckt wird, das sich so gar nicht mit dem betonten Harmlosigkeitsethos der Branche verträgt. Wie verdeckte PR-Aktionen für die Deutsche Bahn, die 2007 laut LobbyControl von der Berliner Denkfabrik Berlinpolis betrieben wurde. „Wir haben unsere Whistle-blower“, sagt Christina Deckwirth.
Ende des Jahres müssen sie und ihr Kollege Timo Lange das Büro aufgeben, wie auch einige andere Nicht-Regierungsorganisationen, die hier sitzen. Die Platte wird abgerissen. LobbyControl zieht zum Anhalter Bahnhof. Nicht mehr so richtig tief im Zentrum der Macht. Aber immer noch nah genug dran. Nach Lage der Dinge.
Text: Erik Heier
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