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Die zehn Gebote wie man Sport in seinen Alltag integrieren kann

Der Berliner Sportpsychologe und Coach Alfons Struch erklärt, wie Anfänger den Absprung vom Sofa schaffen und den Sport dauerhaft in ihren Alltag integrieren

Foto: Dominik Wycisło / Unsplash
  • Machbarkeit

Anfänger sollten erstmal spazieren gehen, sich die Kraft durch die Natur im Wald oder an einem See holen. Power Walking, leichtes Joggen, Fahrradfahren, Dehnungsübungen und Training mit leichten Gewichten – das alles sind gute Startelemente. Im Büroalltag hilft schon regelmäßiges Schulterkreisen oder Nackendehnen. Manche arbeiten auch im Stehen, an hochfahrbaren Schreibtischen.

Es ist gut, wenn man erstmal keine große Ausrüstung braucht und einfach loslegen kann. Am besten sind alltägliche Abläufe: Beispielsweise die Fahrt zur Arbeit mit dem Fahrrad. Ich komme umweltbewusst ins Büro, bewege mich und spare unter Umständen sogar Zeit dabei – Zeit, die ich nutzen kann, um abends Freunde zu treffen oder auszugehen.

  • Nähe

Man sollte einen guten Zugang zu seiner Sportart haben: Der Weg darf nicht zu weit sein!  Was nützt es, sich das Surfen oder Ski-Langlauf vorzunehmen, wenn man es nur ein paar Mal im Jahr machen kann? Auch wer Golfen geht, kann das vielleicht nur einmal die Woche tun, weil für An- und Abreise schon Stunden draufgehen. Joggen oder im Fitness-Studio um die Ecke trainieren – das ist schnell gemacht.

  • Spaß

Oft kriegen Menschen, die jahrelang keinen Sport gemacht haben, plötzlich vom Arzt gesagt: Machen Sie was! Reduzieren Sie Ihr Gewicht! Oder: Stärken Sie ihr Kreislaufsystem! Das ist die äußere Motivation. Dann geht es darum, eine innere Motivation zu entwickeln. Ich muss einen Sport finden, der mir Spaß macht und Ergebnisse bringt, die mich befriedigen: ein besseres Aussehen oder ein gutes Körpergefühl. Das muss kein Sixpack sein. Toll sind allein schon die Glückshormone. Yoga, Power Walking und Laufen haben die beste Endomorphin-Ausschüttung – also die beste Wirkung gegen depressive Verstimmungen oder Depressionen. Der Wellness- und Gesundheitsaspekt ist bei solchen Sportarten unheimlich groß.

  • Leidenschaft

Erinnern wir uns an den Schulsport zurück: Wo lagen unsere Stärken? Jeder Mensch hat seine eigenen Talente und Ressourcen. Man sollte sich zu Beginn fragen: Ist es eine Wassersportart, in der ich mich wohlfühle? Oder sehe ich mich eher in der Luft oder am Boden? Ist es ein Mannschaftssport oder trainiere ich lieber allein? Es gibt diverse Apps und Internetportale, über die man dann verschiedene Sportarten ausprobieren kann, ohne gleich in einen Verein einzutreten.

  • Visualisierung

Wie der Langstreckenläufer sich ständig den Zieleinlauf vor Augen führt – so muss sich auch der Amateursportler immer wieder vorstellen, wie schön es ist, wenn er sein Ziel erreicht hat. Wozu gehe ich zum Sport? Warum soll ich aufstehen und mich anstrengen? Die Evolution hat uns eher so geprägt, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren und Energie sparen. Wir müssen uns also die Sinnhaftigkeit der Anstrengung immer wieder vergegenwärtigen. Wenn man weiß, wofür man läuft – ein gesünderes Leben oder mehr Selbstwertgefühl –, ist es viel leichter sich aufzuraffen.

  • Verbalisierung

Bei Motivationstiefs ist es hilfreich, eine Fehleranalyse zu machen: Woran liegt es, dass ich keine Lust mehr habe? Man muss sich dafür wertschätzen, dass man überhaupt mit dem Sport angefangen hat. Sich verbal ermutigen und Rückschläge als Chance sehen: Das nennt man „positive Selbstverbalisierung“. Man muss sich eingestehen, dass man auch mal ein Motivationstief haben kann – und darf sich nie dafür abwerten, das wäre das Allerschlimmste!

Dazu gehört auch das Selbstbefeuern durch Motivationssätze. Das geht je nach Neigung vom derben „Quäl dich, du Sau“ bis zum sanfteren „Ich habe Lust meine Grenzen zu entdecken“.

Foto: Vince Fleming / Unsplash
  • Motivation

Zwei der wichtigsten Motivationshilfen sind die Fokussierung auf das Wesentliche – also Ablenkungen wie Internet möglichst oft vermeiden – und ein Wir-Gefühl. Die Freundin oder der Kumpel, der einen abholt, um ins Fitnessstudio zu laufen. Das Miteinander, das gegenseitige Anfeuern, das gibt einen Kick! Beim Beach-Volleyball existiert beispielsweise hier in Berlin eine sehr große Szene: Communitys, die über Facebook vernetzt sind. Gruppen, die sich ständig treffen – denn irgendeiner hat immer Zeit. Das ist ein Riesenschritt aus der Einsamkeit und ein Weg, wie Sport gesundheitlich und auch seelisch richtig gesund sein kann. Auch Musik ist gut für die Motivation.

  • Dosierung

Dieses Überziehen, wie man es bei den sogenannten Pumpern im Fitnessstudio erlebt, ist ungesund: Nicht nur, weil sie sich oft ungesunde Stoffe zuführen – Hormone oder übermäßig viel Eiweiß. Sondern auch, weil dieses ständige Überreizen der Schmerzgrenzen dazu führt, dass Stresshormone ausgeschüttet werden: Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol. Das lässt Menschen schneller altern und erzeugt Krankheiten. Wenn man ständig mit einem Puls von über 140 trainiert, geht das nach hinten los.

Starten sollte man mit zwei Sporteinheiten pro Woche, in kleinen Schritten. Übergewichtige beispielsweise sollten erst mit Power Walking anfangen, nicht gleich mit Joggen. Erst ein paar hundert Meter, dann pausieren, dann wieder ansetzen. Das ist ganz wichtig, damit man sich nicht den totalen Frust abholt und es nur ein einziges Mal macht. Mit der Zeit können die zwei Einheiten auf drei, maximal fünf Einheiten gesteigert werden. In den meisten Fällen ist es eher ungesund, jeden Tag denselbenSport zu treiben. Man darf sich auch Pausen nehmen. Aber je länger man wartet, desto größer wird die Hürde, wieder neu anzusetzen. Wie beim Marathonläufer, der den toten Punkt überwinden muss, lohnt es sich, einfach dranzubleiben.

  • Frustvermeidung

Es kann Spaß machen an die eigene Grenze zu gehen, sofern sie nicht überhöht ist! Man sollte sich realistische Ziele setzen und einen Notfallplan haben, wenn es nicht so läuft wie erhofft oder der Gegner stärker ist als gedacht. Das ist der Unterschied zwischen ergebnisorientiertem und erlebnisorientiertem Sport: Bei letzterem ist der Weg wichtiger als das Ziel. Das Ergebnis ist nur ein positives Nebenprodukt.

Der Körper muss sich erstmal darauf vorbereiten, dass jetzt Sport gemacht wird. Und die Psyche auch. Also erstmal kurz und knapp, mit nicht zu hohen Erwartungen, an die ersten Einheiten gehen. Sonst ist am Ende der Frust so stark wie der Muskelkater!

  • Belohnungen

Zwei Blockaden haben die meisten Menschen. Das erste ist die Selbstüberschätzung: Man schraubt seine Ziele zu hoch. Die zweite ist die Schwierigkeit, aus der Komfortzone, dem Schema der schnellen Belohnung rauszukommen. Das wirkt nur kurzfristig, richtet sich aber langfristig gegen einen selbst. Die Lösung: Wir fokussieren uns auf eine Sportart, die uns Spaß macht. Je größer der Spaß, desto niedriger das Bedürfnis, sich belohnen zu müssen. Belohnungen in Maßen gehören aber natürlich unbedingt dazu. Im Idealfall ist es etwas Gesundes, aber es darf auch mal ein Stück Schokolade oder ein kleiner Kuchen sein.


Vom Marathonmann zum Hobbyläufer: Der Diplompsychologe Alfons Struch kennt aus eigener Erfahrung beides – die Probleme der Leistungssportler und die Motivationsschwierigkeiten der Amateure. In seiner Charlottenburger Praxis arbeitet er als Sportpsychologe und Coach.

www.struch-coaching.de

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