Mit sieben Jahren, als Pascal noch volle Haare hatte und der Kopf voll Flausen war, schrieb er ans Legoland nach Dänemark. „Gerne möchte ich bei Ihnen Modellbauer werden.“ Seinem Vater hat er das diktiert. Der Vater tat ihm den Gefallen, schickte den Brief nach Billund, wo die Firma ihren Sitz hat. Pascal nämlich war nicht zu überzeugen von der alten Leier, er sei „zu jung, zu unerfahren, noch ein Kind“. Er hat sich ausgemalt: „Es gibt ein Spielzimmer im Legoland, da sitzen Kinder, es werden Steine reingekippt, und dann erfinden halt die Kinder neue Türme oder Häuser.“ Die Absage aus Dänemark hat ihn gekränkt. Pascal ist Schwabe. Das mag die Renitenz erklären. Auch seinen frühen Hang zum Häuslebauen.
Und nun baut er am Schloss, ein Häusle der besonderen Art. Das Stadtschloss ist ein Reizwort in Berlin, es kommt, kommt nicht, man könnte Gänseblümchen rupfen, denn niemand weiß präzise, ob und wann es wieder steht. Vor 2017 sollte man nicht rechnen mit der Fertigstellung. Pascal Lenhard ist nunmehr 39 Jahre alt, das Haar ist schütter, das Lächeln aufgeräumt, sein leichtes Schwäbisch folgt einer moderaten Melodie, über seine Tätowierung an der rechten Seite seines Halses möchte er nicht reden, „Sturm- und Drangjahre“, winkt er ab. Neben der Tür seines Büros hängt ein Fassadenplan des Schlosses. Pascal Lenhard streicht sanft übers Papier, beinahe zärtlich. „Bombe!“, sagt er, „alle Details vorhanden, besser geht es nicht.“ Er hat den Plan von York Stuhlemmer, dem Architekten vom Förderverein Berliner Stadtschloss.
„Stuhlemmer kommt gerne vorbei“, sagt Lenhard, das Schloss aus Lego sei ein schöner Trost in diesen schweren Tagen, denn niemand weiß, ob es aus Stein je stehen wird.
Draußen dreißig Grad. Kein Legowetter. Wetter, um ans Wasser zu fahren. Das Legoland, im Tiefgeschoss unter dem Potsdamer Platz, ist dennoch gut besucht. Pascal Lenhard sitzt in seiner Werkstatt, dort herrscht Ruhe, wohl 50 Meter weg vom Remmidemmi, von der Gedächtniskirche etwa, die er im Maßstab 1:60 nachgebaut hat, 40.000 Steine stark. „Mein Gesellenstück“, sagt er. Das Schloss wird seine Meisterprüfung, auch im Verhältnis 1:60, gute zwei mal drei Meter groß. 300?000 Steine hat er bestellt, üblicherweise ordert er in Tschechien. Mit dieser Menge sind die Werke jedoch überfordert, denn Pascal Lenhard braucht die Ware umgehend, auch Dänemark hat abgewinkt. Er hat sich nun in Mexiko erkundigt, vergebens. „Zehn Prozent meiner Steine kommen erst im August“, vorgesehen waren sie für den Juli. Lediglich sechs Sorten fehlen, doch ohne diese Stücke kann Lenhard nicht beginnen.
Ein vorsichtiger Anfang ist trotzdem gemacht. Aus einem Grillrost und Parabolspiegel baut er Wappenschilder mit Kronen. Nur handelsübliche Steine werden verwendet, die Balustraden etwa bildet er durch umgedrehte Kelche nach. Zu Beginn des kommenden Jahres soll das Schloss sich einreihen in die Berliner Landschaft des Legolandes. Pascal Lenhard baut ohne Assistenten, „zu viele Köche verderben den Brei“, sagt er. In Fragen der Improvisation verlasse er sich lieber auf sich selbst. Fünf Tage die Woche, je bis zu zehn Stunden.
Lego. Ergibt das einen Lebenssinn? „Auch mit 17 Jahren hatte ich noch mit den Steinen gespielt, alltagstaugliche Sachen gebaut, ein funktionierendes Telefon zum Beispiel.“ Vor den Mädchen, die er kennenlernte, musste er so was verstecken. Lego war in diesem Alter nicht mehr cool. Er ließ sich zum Kaufmann und Heilerziehungspfleger ausbilden; ein Berliner Freund erzählte ihm schließlich vor ein paar Jahren, dass im Legoland ein Showmodellbauer gesucht werde. Noch
immer träumte er von diesem Job. „Kabel 1“ übertrug das Casting der 300 Bewerber, aus 70 Steinen sollten sie zunächst etwas Gewitztes bauen, Pascal hat ein Piratenschiff gezimmert. Dann aus 300 Steinen einen Pilz, die Prüfer wollten sehen, ob man auch die Rundungen beherrsche. Er wurde Zweiter. Die Siegerin jedoch hörte bald auf im Legoland. Pascal Lenhard ist nachgerückt. Nun ist er Legobauer. Lange hat er an dieser Karriere gebastelt.
Text: Lars Grote
Fotos: David von Becker
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