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Klimawandel

Dürrephasen in Berlin: Der Kampf ums Trinkwasser

Der Klimawandel führt in Berlin zu großer Dürre. Eine Konsequenz ist weniger Trinkwasser. Nicht schlimm, solange sich die Bestände in den kälteren Jahreszeiten wieder erholen. Allerdings wahren die vergangenen Jahre nicht gerade durch heftige Niederschläge geprägt. Stellt sich die Frage, wie es um das Berliner Trinkwasser steht, vor allem mit Blick auf weitere Dürren. Wir sind der Spur des Wassers gefolgt, stießen dabei auf vorsichtige Rettungsversuche, verborgene Reserven und nicht nur ein massives Problem.

Jedes Jahr eine neue Dürre: Wie kann die Berliner Trinkwasserversorgung aufrechterhalten werden? Foto: Anthea Schaap

Dürre in Berlin: Zuerst trifft’s die Kleingewässer

Verena Fehlenberg und Norbert Prauser zwängen sich durch dichtes Gestrüpp, eine Mischung aus Brennnesseln und Schilf. „Hier hinter liegt der Fischteich“, sagt Prauser und duckt sich dabei unter einem Ast weg. „Eigentlich.“ Vorsichtig schiebt er die letzten Halme beiseite, dahinter: trockener Boden. Weder Teich noch Fische sind zu sehen – nur Schilf.

Die Hönower Weiherkette ist voll davon. Alle zwölf ehemaligen Wasserstellen werden von einem Schilfgürtel umringt, mal mehr, mal weniger eng. Über dem Fischteich, dem westlichsten Teich der Kette, hat er sich dicht geschlossen. Die dünnen Stäbe bilden eine undurchdringbare Masse. Ähnlich verhält es sich bei den anderen Gewässern der Weiherkette. Von zwölf sind noch zwei übrig.

Prauser schockt das nicht mehr. Der Gewässerbiologe untersuchte kürzlich Berlins Kleingewässer, schaute sich mit einem Team jeden Teich, Tümpel und Weiher an, zumindest alle, die sie aufspüren konnten. Das Ergebnis: Von 353 Gewässern waren mehr als 130 trockengefallen. Auch einige Spreezuflüsse sind diesen Sommer bereits ausgetrocknet. Die Spree trägt gerade noch ein Fünftel ihrer durchschnittlichen August-Wassermenge nach Berlin, die Oberhavel ein Drittel, die Dahme fließt fast gar nicht mehr. Schuld sind unter anderem lange Dürreperioden, die sich auch auf die Berliner Trinkwasserversorgung auswirken.

Es mag idyllisch wirken, aber hier befand sich noch vor ein paar Jahren ein großer Weiher. Unter anderem rauben anhaltende Dürren, aber auch Bebauung der Weiherkette das Wasser. Foto: tipBerlin

„Was wir bei der Weiherkette sehen, ist exemplarisch dafür, wie sich der Wasserhaushalt in Berlin entwickelt“, sagt Verena Fehlenberg, wie Prauser Mitglied des Naturschutzvereins BUND. Fehlenberg und Prauser beobachten das trockene Gestrüpp. So als würden sie warten. Darauf, dass plötzlich aus dem Boden eine Fontäne aufsteigt, eine überschwellende Grundwasserader, die die Fläche auffüllt. Doch es passiert nichts. Sie ziehen weiter.

Sinkende Grundwasserstände, vertrocknete Bäume

Wenngleich die ausgetrockneten Weiher in Hellersdorf verschiedene Ursachen haben, lässt sich an ihnen ein globales Problem ablesen: der Klimawandel. Berlin erlebt das neunte Jahr mit unterdurchschnittlichem Niederschlag in Folge. „Wir haben Grundwasserstände, die einen guten halben Meter niedriger sind als das langjährige Mittel“, sagt Wasserbetriebe-Sprecherin Astrid Hackenesch-Rump.

An den Bäumen sieht man die Trockenheit. Die Kronen sind licht, die Blätter werden zu früh welk. Baumfreunde organisieren sich deshalb in Bürgerinitiativen und auf der landesgeförderten Plattform „Giessdenkiez“. Sie gießen alles, was sie mit ihren Kannen und Schläuchen erreichen. Eine schwierige Situation. Berlin trocknet gerade nur deshalb nicht völlig aus, weil das Wasser mit Stauwerken und Schleusen zurückgehalten und beständig gereinigtes Abwasser in die Berliner Flüsse gepumpt wird.

Das Wasser, mit dem die Berlinerinnen und Berliner ihre Pflegebäume gießen, ist wie das, mit dem wir duschen, Wäsche waschen, Zähneputzen und Pools befüllen, Teil eines politischen Aushandlungsprozesses, der unter der Wucht des Klimawandels immer dringlicher wird. Wem gehört das wenige Wasser? Wer darf wie viel davon benutzen? Wie viel geht an die Industrie und wie viel an Privatpersonen? Wer wird es sich noch leisten können?

Die Zukunft des Berliner Wassers in Dürrezeiten

Im Brandenburger Elbe-Elster-Kreis spitzt sich das Wasserproblem bereits so sehr zu, dass Neukunden der Wasserbetriebe ab 2025 täglich nur noch 105 Liter verbrauchen dürfen. Das sind etwa zwölf Toilettenspülungen oder eine ausgedehnte Dusche. Wer mehr aus der Leitung lässt, muss Strafen zahlen. Auch die Industrie wird eingeschränkt. Das Tesla-Werk in Grünheide, gelegen in einem Wasserschutzgebiet, darf nach einer Entscheidung der örtlichen Wasserbetriebe jährlich 1,8 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Boden ziehen.

Dürren nahmen den üppigen Wiesen auf dem Tempelhofer Feld das Grün. Foto: Imago/Sabine Gudath

Auch in Berlin bereitet man sich auf Maßnahmen vor. Im Umweltsenat wird gerade das Berliner Wassergesetz geschärft, es soll in Notsituationen Verbote bestimmter Nutzungen ermöglichen. Als Orientierung dient dabei Brandenburg. Dort ermöglicht das Wassergesetz Einschränkungen beim Gartenwässern und Poolbefüllen. „Wir müssen schauen, wer aus welcher Quelle schöpft, wem welche Mengen bewilligt sind und wie das in Zukunft noch sichergestellt werden kann“, sagt Astrid-Hackenesch-Rump von den Berliner Wasserbetrieben.

Die Region ist in Alarmbereitschaft. Die Chancen, dass sich die Niederschlagssituation in Berlin und Brandenburg in den nächsten Jahren verbessert, sind gering. Auf der ganzen Welt verändern sich die klimatischen Bedingungen. Auch in Berlin nehmen Extremwetterereignisse zu. Eigentlich durchläuft das Wasser auf der Erde einen ständigen Kreislauf aus Verdunstung, Niederschlag und Abfluss. Nur kommt hier zu wenig Regen an und wenn, dann nur oft in viel zu großen Mengen.

Auch zu viel Regen ist schlecht

Starke Regenfälle, wie es sie künftig öfter geben soll, sorgen in Berlin für überlaufende Kanalisationen. Das überschüssige Wasser fließt bei Starkregen teils in die Spree; zusammen mit menschlichen Ausscheidungen, Reifenabrieb, Hundekot, Pollen und Chemikalien. Berlin will den wenigen, aber heftigen Niederschlag auffangen und nutzen und baut deshalb die „Schwammstadt“. Das Land fördert neuartige Versickerungsmöglichkeiten wie regendurchlässige Bodenbeläge oder Becken, die Spreewasser ins Grundwasser führen. Bei Bauvorhaben sind die Verantwortlichen ab 2024 zudem verpflichtet, rund ein Fünftel ihres Grundstücks zu begrünen. Außerdem bauen die Wasserbetriebe riesige Rückhaltebecken, um die Güsse aufzufangen. Ein deutlich grüneres Berlin könnte ebenfalls helfen.

Berlins Trinkwasser besteht zu rund 70 Prozent aus Uferfiltrat von Spree und Havel, 20 Prozent sind Grundwasser, 10 Prozent künstlich versickertes Oberflächenwasser. Spree und Havel und Grundwasser kennen keine Landesgrenzen, mehr zur Spree erfahrt ihr hier. Das Wasserwerk Friedrichshagen beispielsweise zapft den gleichen Grundwasserstrom an wie zwei Wasserwerke aus Brandenburg. Besteht auf der einen Seite ein höherer Bedarf, beeinflusst das die Grundwassermenge auf der anderen.

Bereits jetzt wird in der Region ums Wasser gestritten. Auch weil sich Tesla in Zeiten der Knappheit hier angesiedelt hat. Der E-Auto-Hersteller zieht mit seinen 1,8 Millionen Kubikmetern pro Jahr allerdings bei weitem nicht das meiste Wasser aus dem Brandenburger Boden. Braunkohletagebaubetreiber LEAG pumpt in etwa das 80-fache an einstigem Grundwasser als salzige Suppe in die Spree.

Das Problem dabei: Sulfat. Es wird beim Abpumpen der Gruben aus dem Boden gelöst und verursacht in zu hohen Dosen Durchfall und Übelkeit. „Die Sulfatwerte liegen allerdings unter dem Grenzbereich von 250 mg/l“, sagt Hackenesch-Rump von den Berliner Wasserbetrieben. Dennoch: Durch die Trockenheit reichert sich die Substanz im Wasser weiter an. Auf den für 2038 geplanten Kohleausstieg kann Berlin nicht guten Gewissens hoffen: Ohne das Grubenwasser wird die Spree weiter schrumpfen.

Wo unser Wasser herkommt

Die Umweltverwaltungen von Berlin und Brandenburg planen gerade, wie sie ihre Wasserversorgung, vor allem im Spree-Dahme-Einzugsgebiet, künftig gemeinsam bewirtschaften wollen. Bisher ohne Ergebnis.

Um das Problem zu verstehen, muss man einen näheren Blick auf die Wasser-Infrastruktur der Stadt werfen. In ganz Berlin stehen rund 600 Brunnen zur Wasserversorgung, stets in direkter Nähe von Seen und Flüssen. Rundherum erstrecken sich 212 Quadratkilometer Trinkwasserschutzgebiet. Die Brunnen speisen sich zunächst aus Grundwasser. Pumpen die Wasserbetriebe einen Teil ab, sinkt der Spiegel um den Brunnen. Daraufhin sickern die Berliner Oberflächengewässer Richtung Brunnen, bilden Uferfiltrat und vermischen sich mit natürlich gebildetem Grundwasser.

Im Wasserwerk wird das Gemisch mit Kies gereinigt, geprüft und ins Rohrnetz eingespeist. Nach Gebrauch wird das Wasser geklärt und zurückgeleitet. Vom Klärwerk Münchehofe beispielsweise reist dieses bei sinkenden Pegelständen – wenn wie jetzt gerade die Spree teilweise rückwärts fließt – direkt in den Müggelsee. Dort wird für einen großen Teil Berlins das Trinkwasser gewonnen.

Ein Klärwerk in Ruhleben. Foto: Imago/Schöning

Würde Wasser nicht verdunsten, wäre die Hauptstadt mit diesem Kreislauf autark – abgesehen von dem Grubenwasser aus der Lausitz. „Aber wir sind darauf angewiesen, dass wir aus Spree und Havel nicht nur das aufbereitete Wasser ziehen, sondern noch ein bisschen mehr“, sagt Astrid Hackenesch-Rump, Sprecherin der Berliner Wasserbetriebe.

Wenn einer weiß, wie man den Wasserhaushalt in Berlin und Brandenburg auch während des Klimawandels aufrecht erhalten kann, dann Michael Schneider, Hydrogeologe an der FU und Teil des Forschungsverbundes CliWaC, der die Einflüsse von Klimaveränderungen auf die Wasserstände erforscht. Diese Gruppe ist eine Taskforce zur Gewässerrettung. Schneider untersucht dafür auch den Groß Glienicker See, der stark geschrumpft ist. „Wir wollen herausfinden, welche Stellschrauben wir drehen können, damit sich der See, aber auch viele andere Gewässer erholen können”, sagt er. Seine Untersuchungen erörtern dabei auch, mit welchen Mitteln sich Gewässer in Brandenburg wieder füllen könnten. In der Folge könnte dann wieder mehr Wasser ins notleidende Berlin geleitet werden.

Mit ersten Forschungsergebnissen ist 2024 zu rechnen. Schneider ist ein Punkt besonders wichtig: „Wald, Weide, Stadt oder Brachfläche – je nach Boden fällt die Grundwasserneubildung unterschiedlich aus.“ Auf und unter versiegelten Flächen wie Parkplätzen und Straßen bildet sich kein Grundwasser. Dass es solche Flächen überhaupt gibt, liegt laut Schneider an der Einstellung zum Wasser in den 1960 und -70er-Jahren: „Damals wurde Wasser als Störfaktor empfunden, etwa beim Bauen. Man wollte es möglichst verdrängen.“

Sparen, sparen, sparen?

Nun wird der Wasserbedarf massiv bleiben. In Berlin wuchs die Einwohnerzahl in den vergangenen zehn Jahren, um mehr als 300.000. Vermutlich wird sie weiter zunehmen. Mehr Menschen, das bedeutet mehr Wohnungen und auch mehr Wasserverbrauch. Um diesen zu decken, werden frische Versorgungsstrategien nötig sein, besonders mit Blick auf die drohenden längeren, heißen Trockenperioden.

Die Wasserbetriebe setzen auf Altlasten: „In Berlin gibt es Wassermengen im Grundwasser, die nicht nutzbar sind, verunreinigt durch damalige Industrie. Die müssten lediglich aufbereitet werden“, sagt Hackenesch-Rump. Solches Altlasten-Grundwasser findet sich beispielsweise unter der Rummelsburger Bucht – unter einer schwarzen, öligen Schlammschicht, versetzt mit hochgiftigen Schwermetallen.

Die Wasserbetriebe säubern nicht nur Wasser, sie klären auch Bürger:innen auf. Freundliche Flyer vermitteln, wann es sinnvoll ist, den Garten zu bewässern (morgens, weil die Pflanzen dann am besten Wasser aufnehmen), dass Pools abgedeckt werden müssen (ansonsten gibt es Verluste durch Verdunstung), was ins Klo gehört (Ausscheidungen und Klopapier sind okay). Außerdem sollen spezielle Duschköpfe und Klospülungen den Wasserverbrauch reduzieren. Das Problem: Wassersparen ist nicht wirklich eine Lösung. Fließt nicht genug Wasser durch das Berliner Rohrsystem, verrottet es.

Symbolpolitische Maßnahmen, beispielsweise Verbote, Pools zu befüllen oder Gärten zu bewässern, werden das Problem nicht lösen. Die klimabedingten Veränderungen werden heftigere Maßnahmen erzwingen. Denkbar ist ein maximaler Pro-Kopf-Verbrauch, von dem man sich vielleicht freikaufen kann, wie in Brandenburg. Der Konflikt ums Wasser wird vor allem auch eine soziale Frage sein.


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Unserem Autor Jacek Slaski bereiten die sinkenden Wasserstände in Berlin ebenfalls Sorgen. Außerdem stellte sich für uns die Frage, ob ein Pool bei Wassermangel noch in Ordnung ist. In Notlagen muss sich auch die Gesellschaft einbringen. Tut sie. Hier findet ihr spannende Berliner Volksentscheide. Mehr findet ihr in unserer Stadtleben-Rubrik.

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