Seit dem Mauerfall hat kein Ereignis Berlin derart geprägt wie die Corona-Krise. In unserer Corona-Chronik blicken wir auf das Jahr seit dem Ausbruch der Pandemie und die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Stadt. Vom ersten Lockdown im März 2020, dem Stillstand in der Kultur, neuen Modetrends und illegalen Partys, über Demos und Proteste bis zum erneuten Lockdown, der Einrichtung der Impfzentren und den ersten Lockerungen im März 2021.
März 2020: Die Stadt im Lockdown
Mitte März 2020 wurde die Sache ernst. In Italien spitzte sich die Situation zu und in China sowieso. Der Senat rief einen stadtweiten Lockdown aus. Schulen und Hotels machten dicht, das Kulturleben fand nicht mehr statt, auch Bars und Restaurants machten die Türen zu. Die Stadt war so leer wie nie. Auch das Erliegen der Clubkultur verstörte viele junge Berliner. Dafür entstanden Hilfsaktionen, man ging füreinander einkaufen, und Spaziergänge im Park wurden ziemlich beliebt.
April 2020: Toilettenpapier wird knapp
Zu den unschönen Aspekten des Lockdowns in Berlin gehörte das Hamstern. Gerade im Frühjahr 2020 wurden in Supermärkten bestimmte Produkte knapp. Nudeln, Mehl und Konserven, aber allem voran Toilettenpapier. Ein Graffiti im Mauerpark thematisierte die Notlage und wir boten Bastel-Tipps an. Aus alten Toilettenpapierrollen kann man nicht nur in Quarantäne hübsche Tierchen machen. Und über allem schwebte die Stimme des Chef-Virologen Christian Drosten (unserem Berliner des Jahres), dessen Blog zur wichtigsten Informationsquelle wurde.
Mai 2020: Hygienedemos und Querdenker
Nach dem ersten Schock machten sich unerwartete Nebenwirkungen der Pandemie breit. Krude Verschwörungserzähler, verstrahlte Esoteriker, Impfgegner und das ganze Sammelsurium von Rechten, Rechtsradikalen und Reichsbürgern versammelte sich bei den sogenannten „Hygiene-Demos“, um gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Covid-19-Virus zu protestieren.
Es entstand eine Anti-Corona-Querfront, wie sie im Buche steht. Der Begriff „Querdenker“ machte die Runde und gehörte schon bald zum Alltag. Und in Berlin radikalisierte sich der Vegan-Aktivist Attila Hildmann (unser peinlichster Berliner des Jahres) und schwurbelte vom Kaiserreich und Ermächtigungsgesetzen.
Juni 2020: Mundschutz und Mode
Einige radikalisierten sich und begriffen Händewaschen und das Tragen von Mundschutz als Strafmaßnahme. Doch viele Kreative, die plötzlich ungewollt Zeit hatten, weil ja sonst nichts im Kulturleben stattfinden konnte, nahmen die Situation als schöpferische Herausforderung. Berliner Designer haben schicke und modische Masken entworfen und unter die Leute gebracht. Ein Corona-Modetrend entstand.
Juli 2020: Illegale Raves in den Parks
Man musste kein Querdenker sein, um von den Coronamaßnahmen schon im Sommer 2020 die Nase voll zu haben. Es reichte, jung zu sein. Ignoranz und Naivität mögen da eine Rolle gespielt haben, aber Abstandsregeln, Quarantäne und Isolation passen einfach nicht zu den Lebensentwürfen der meisten Teenager und jungen Erwachsenen.
Schon Ende Mai trieben Dutzende Technofans in Schlauchbooten auf dem Landwehrkanal herum und protestierten für die Rettung der Clubkultur. Und den ganzen Sommer lang wurde illegal getanzt, in Parks und leerstehenden Hallen, in Bunkern im Umland oder entlegenen Waldstücken. Eine improvisierte und spontane Partykultur entwickelte sich, die manchen Techno-Veteran an die frühen 1990er-Jahre erinnerte.
August 2020: Sturm auf den Reichstag
Ein Tiefpunkt in der Corona-Chronik in Berlin war der 29. August 2020. Während einer Querdenker-Demonstration rief eine Heilpraktikerin zum Sturm auf das Reichstagsgebäude auf, und ein Teil der Demonstranten versuchte, sich Zugang zum Sitz des deutschen Bundestags zu verschaffen.
Reichskriegsflaggen wehten vor dem Portal des Parlaments, Rauchfackeln brannten, es wurde gebrüllt und gedrängelt. Zwar ist das Ereignis nicht mit dem Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 vergleichbar, dennoch zeugte allein der Versuch von der Gewaltbereitschaft der Corona-Maßnahmen-Gegner.
September 2020: Die neue Normalität?
Im Spätsommer 2020 kam so etwas wie Entspannung auf. Viele Berlinerinnen und Berliner waren im Urlaub, nicht weit weg, aber immerhin. Man konnte in Bars und Restaurants sitzen. Draußen, aber immerhin. Es war ja noch warm. Auch die Museen und Galerien hatten offen, es gab strenge Hygienekonzepte, die Anzahl der Sitzplätze wurde reduziert, aber man durfte ins Theater, und einige Konzerte fanden statt. Im Haus der Kulturen der Welt und auch in der Volksbühne.
Am 6. September spielte der geniale Schelm Helge Schneider in der Waldbühne. Wo sonst dreimal so viele Zuschauer Platz finden, saßen 5000 Menschen und schauten dem Unterhalter zu. Kurz dachte man, die Lockerungen bleiben und bald schon wird wieder alles beim Alten sein. Vielleicht hoffte man es aber nur. Die kleinen Freiheiten sollten schon bald wieder verschwinden.
Oktober 2020: Der BER eröffnet (auch als Test-Center)
Masken und Isolation, Schließungen, die Corona-App, Quarantäne und immer wieder Corona-Tests, all das gehörte im Oktober 2020 längst zur neuen Normalität. Mitten in diesem seltsamen Jahr schloss der Flughafen Tegel und der BER eröffnete mit jahrelanger Verspätung. Doch der Tourismus lag da schon in Trümmern, der Flugverkehr hat sich drastisch reduziert, so richtig interessierte der neue Riesenflughafen am Ende niemanden. Man richtete in dem riesigen Gebäudeensemble ein Test-Center ein.
November 2020: Lockdown 2.0
Schon Ende Oktober war klar, der November wird keine guten Nachrichten bringen. Die Corona-Pandemie drohte, außer Kontrolle zu geraten. Bund und Länder haben sich daher auf neue Maßnahmen verständigt, um die steile Kurve abzuflachen. Bundesweit wurden erneut drastische Einschränkungen für Veranstaltungen, Gastronomie und private Zusammenkünfte beschlossen. Auch die Weihnachtsmärkte waren betroffen und das Wetter wurde schlechter, es wurden harte Wochen für die Berlinerinnen und Berliner.
Dezember 2020: Weihnachten und Silvester im Schatten der Pandemie
Im Dezember war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Der Corona-Blues setzte voll ein und auch Menschen, die über jeden Querdenker-Zweifel erhaben waren, beschwerten sich über die Situation. Müdigkeit und Frustration wurden zu den vorherrschenden Gefühlen.
Die Kulturbranche demonstrierte, verwies auf die dramatische Lage und forderte Perspektiven, erreichte aber trotz „Alarmstufe Rot“ kaum etwa. Aus dem Weihnachtsfest wurde auch wenig, Besuche fielen weitgehend aus, der Urlaub ebenso, und an Silvesterpartys war gar nicht zu denken.
Januar 2021: Die Impfzentren sind da
Die ganze Welt sprach von Corona, von Tests und den Maßnahmen, und plötzlich war da noch ein Thema hinzugekommen: die Corona-Impfung. Wer darf und wann, was kann der Impfstoff, welcher ist besser und wo wird geimpft?
Die Berliner Nachtleben-Szene übernahm die Logistik in den Berliner Impfzentren. DJs und Booker, die sonst für Amüsement in Clubs verantwortlich sind, kümmerten sich um den reibungslosen Ablauf der Impfungen. Vor der Arena, wo sonst Konzerte stattfinden, fuhren ungezählte Taxis vor und brachten die Über-80-Jährigen und somit Impfberechtigten zum Termin.
Februar 2021: Ein Ende in Sicht?
Ein Jahr Corona in Berlin. Trost Frust kam im Februar wieder etwas Hoffnung auf. Die Inzidenz ging runter, die Zahl der Neuansteckungen ebenso und auch die der Corona-Toten. Haben wir die Pandemie im Griff, jetzt wo es mit den Impfungen auch losgegangen ist?
Am 1. März durften wieder die Friseure in Berlin öffnen, weitere Lockerungen sind in Sicht, man darf wohl bald wieder in die Gartencenter und vielleicht auch in den Baumarkt. Passend zur Gartensaison. Auch mit den Schulen soll es wieder losgehen. Doch was bringen die kommenden 12 Monate?
Mehr über Corona und Berlin
Es ist nicht leicht, den Überblick zu behalten. Wir haben alle Infos zu Corona-Schnelltests für euch und eine Übersicht, wo ihr euch in Berlin testen lassen könnt. Ihr wollt doch lieber einen Termin für einen PCR-Test beim Arzt machen? Dann verraten wir euch hier, wie und wo ihr in Berlin einen COVID-19-Test machen könnt. In der kalten Jahreszeit halten wir uns alle vermehrt drinnen auf: Die Berliner TU stellte eine App vor, die die Aerosol-Konzentration in Räumen bewertet.