Die Fan Zone am Platz der Republik verwandelt die große Wiese vor dem Reichstag in ein Festivalgelände. Unser Autor war ganz überrascht, wie gut das tatsächlich funktioniert, und fragt sich: Warum kann es hier nicht immer so sein?
Fan Zone am Reichstag: Endlich ist hier mal was los
„Komm, lass uns zum Reichstag fahren, da geht’s richtig ab“ – ein Satz, den abgesehen von den Glücklichen, die hier 1987 David Bowie live gesehen haben, wohl die wenigsten Menschen in Berlin je gehört haben. Ja, der Neorenaissance-Bau ist beeindruckend und Pflichtprogramm auf jeder Klassenfahrt. Ein Besuch der berühmten Kuppel lohnt sich auch. Wenige Orte erzählen so viel über die Geschichte des Landes wie der Sitz des deutschen Bundestags. Auch drumherum gibt es einige architektonisch interessante Gebäude, wichtige Denkmäler, viel mehr aber auch nicht. Vom Platz der Republik hat das Volk der Republik ziemlich wenig. Normalerweise.
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Wie es so oft ist, braucht es einen Auslöser, um Menschen an Orte zu bringen, die ansonsten wenig Aufenthaltsqualität bieten. Und es braucht Events und Ideen in neuen Größenordnungen, um die Stadt dazu zu bewegen, Plätze neu zu denken und zu gestalten. Wenn auch nur temporär. Das kann ein Konzert einer Rocklegende sein, ein großes Festival, eine weltberühmte Verhüllung eines Wahrzeichens – oder eben der größte Partygarant: ein internationales Fußballturnier. Seit dem 14. Juni ist die große Wiese vor dem Reichstag nicht mehr wiederzuerkennen, und so bleibt es bis zum Finale am 14. Juli im Olympiastadion. Die größte EM-Party der Stadt steigt außerhalb der Arena, in so ziemlich jedem Biergarten, in Kneipen und Spätkaufs und natürlich auf den Fan Zones am Brandenburger Tor und vor dem Reichstag.
Die größte Fußball-Party der Stadt
Während auf der berühmten Fanmeile auf der Straße des 17. Juni nicht alle Spiele gezeigt werden, gibt es im zweiten Herzstück der Europameisterschaft 2024 alle 51 Partien zu sehen. Überall hängen Fernseher und Leinwände, Menschen in jedem erdenklichen Trikot tanzen zu DJ-Sets, nehmen an Workshops teil, decken sich mit Fanartikeln ein, lungern auf Bänken rum, trinken Bier, Limo, essen Currywurst und was es halt sonst noch alles so gibt an den dutzenden Ständen und Trucks. Auf kleinen Fußballfeldern wird geknödelt, Nachwuchsprofis versuchen ihr Glück an einer virtuellen Torwand, in Fotokabinen wird man zum Teil des DFB-Kaders.
Neben einem zentralen Public-Viewing-Tower, an dem an allen Seiten große Leinwände angebracht sind, wurde auf dem Platz der Republik sogar ein kleines Stadion errichtet. Wie schon bei der WM 2006. Das „Home of adidas Football“ aus Holz ist an das Olympiastadion angelehnt. Bis zu 3000 Leute finden hier Platz. Auf den Tribünen, für die man sich rechtzeitig anstellen muss, und auf Kunstrasen inmitten des Stadions. Hier befindet sich auch ein kleines Spielfeld, auf dem mit bis zu zehn Leuten gespielt werden kann. Der Eingang erinnert tatsächlich an das Marathontor des Originals. Beim Heraustorkeln aus der Fußball-Arena schaut man nun halt direkt auf den Reichstag. Ein beeindruckender Kontrast.
Fan Zone am Reichstag: So cool könnte das Regierungsviertel sein
Und was hier abgeht direkt im Stadtzentrum, ist wirklich Fußballspaß vom Feinsten. Bei jedem Tor beben die Ränge und die fetten Lautsprecher ballern nochmal extra rein – mit den passenden Songs zu den spielenden Teams. In der Halbzeit legt ein DJ auf, und ein Live-Kommentator feuert die Fans an. Irre Stimmung vor dem Plenarsaal. Und ein friedliches Fest für Europa in bewegten Zeiten. Nach dem Achtelfinale zwischen Spanien und Georgien liegen sich Fans aus beiden Ländern in den Armen. Ein Engländer fotografiert sie. Fußball kann auch Völkerverständigung sein. Für einen Moment klingt der alte Sommermärchen-Slogan „Die Welt zu Gast bei Freunden“ gar nicht mehr so unglaubwürdig.
Fußball ist eine der schönsten Sprachen der Welt. Und der Sport zeigt, dass es immer gut ist, wenn Menschen von überall zu den richtigen Anlässen zusammenkommen. Die Kulturprojekte, die hinter der Fan Zone stecken, haben sich was getraut, und die Stimmung gibt ihnen Recht. Dass ein Bier sechs Euro kostet und natürlich überall Werbung für die zwielichtige UEFA gemacht wird, blendet man dann lieber mal kurz aus. Es gibt viele Gründe, sich über Fußball aufzuregen, darüber dass an einem toten Ort plötzlich das Leben tobt, jedoch nicht. Warum kann es nicht immer so sein auf dieser seltsamen Freifläche? Ein paar Food Trucks, Bänke, Lautsprecher und vor allem Menschen wären ja schon mal ein Anfang. Oder man lässt gleich das Stadion stehen, für Straßenturniere und Bowie-Imitatoren. Das Regierungsviertel wäre ein anderer Ort.
Zum Glück ist die EM noch lange nicht vorbei. Egal ob Urberliner oder Touri, Fußballverrückter oder Zufallsgast, Spanien- oder Georgien-Fan: Wer diesen temporären Festplatz betritt, wird sich denken: „Wow, hier am Reichstag geht’s ja wirklich ab“. Na endlich!
- Fan Zone Platz der Republik Tiergarten, tgl. von 14 bis 24 Uhr, Eintritt frei, Taschen nur bis DIN A4, weitere Infos online
Ein wichtiger Ort: Die Geschichte des Reichstags erzählen wir hier. Wo das politische Herz schlägt: Alles zum Regierungsviertel hier. Das Wichtige auf einen Blick: Hier ist der tipBerlin-Guide zur Fußball-EM 2024. Wo schaut ihr am liebsten? Unsere liebsten Orte für Public Viewing findet ihr hier. Viele Veranstaltungen rund um die EM finden beim Fußballkultursommer 2024 statt – die Highlights haben wir hier. Vom Museum bis zum Theater empfehlen wir diese Kulturveranstaltungen rund um die Fußball-EM. Berlin ist eine Fußballstadt: Diese legendären Stadien erzählen Stadtgeschichte. Ihr habt sogar Tickets bekommen? Fußball-EM 2024 im Olympiastadion: Diese Spiele finden in Berlin statt. Kein Spiel ohne sie: Diese Fußball-Fans trefft ihr immer. Nicht alle lieben Fußball: Warum unsere Autorin keinen Bock auf die EM hat. Was geht sonst? 12 Highlights im Juli 2024 in Berlin.