Mittwoch ist Stichtag, der Lockdown Light geht höchstwahrscheinlich in die Verlängerung. Die Oberhäupter der Länder sind entspannt. Auch in Sachen Silvester. Das zuerst debattierte Feuerwerksverbot ist offenbar vom Tisch. Stattdessen: freundliche Bitten. So ein Mist. Ein Kommentar.
Silvester und Feuerwerk: Irgendwas mit Tradition
Es gibt sie, diese Argumente. An Silvestern böllern, das ist doch Tradition! Irgendwann mal irgendwas gelesen, es geht da doch darum, die bösen Geister zu vertreiben. Oder war das das Osterfeuer? Wurscht, die Batterie aus dem Kaufland feuert so schön. Und sag mal, der Papi, zündet der wirklich Raketen aus der Hand? Herrlich, so ein Scherzbold!
Bis Papa sich doch die Hand wegfetzt.
Eben aus diesem Grund – der unvermeidbaren Verletzten – sollte es 2020 alles etwas finsterer werden. Ganz im Sinne der vorangegangenen Monate sollte den Deutschen ihr Feuerwerk genommen werden. Fehlstart ins neue Jahr. Wohlgemerkt finden das, da sind sich alle größeren Umfrageinstitute einig, zwei Drittel der Deutschen gut. Also Böllern verbieten.
Viele gegen privates Feuerwerk – aber was ist schon die Mehrheit wert?
Nun ist das mit der Politik und den Menschen so: Selbst, wenn viele Menschen etwas von der Politik wollen, heißt das nicht, dass da reagiert wird. Siehe Tempolimit. Die Mehrheit findet das für Autobahnen sinnvoll. Nur unser Verkehrsminister Andreas Scheuer, der ja nicht das erste Mal was in den Sand setzt, nicht. Also geht es nicht voran.
Feuerwerk ist auch so eine Sache, bei der sich viele Menschen fragen, welchen tieferen Sinn es denn im Hausgebrauch hat. Warum muss der Herr Meier von nebenan eigentlich drei Stunden lustlos Krach machen? Weiß er wohl selbst nicht. Ist aber schon immer so gewesen.
Das Klinikpersonal ist ohnehin am Limit, aber die Hand kann man ja noch annähen
Zum Glück darf er auch dieses Jahr wieder Böllern, denn die Länder haben entschieden, dass das Verkaufsverbot, das zuletzt diskutiert wurde, nicht umgesetzt werden soll. Hintergrund dessen war eben auch, dass die Intensivstationen wegen Corona massiv zu tun haben. Und selbst, wenn noch Betten frei sind: Muss das ohnehin am Limit arbeitende Klinikpersonal nun wirklich noch damit behelligt werden, dass sich ein paar Idioten Körperteile wegknallen?
Ja, muss es, zumindest kann jeder mit etwas Vernunft das aus dem Beschlussentwurf der Länder für die Beratungen mit Angela Merkel am Mittwoch ablesen. Die örtlich zuständigen Behörden bestimmen demnach die Plätze und Straßen, an denen nicht gezündelt werden darf.
Das ist an absurder Naivität kaum zu überbieten. Die Leute, die unvorsichtig böllern, die sollen sich also nicht da zusammenrotten, wo sie es sonst tun. Was eigentlich jeder Lokalpolitiker weiß, der schon einmal die lokale Drogenszene von irgendeiner Ecke seines Bezirks vertrieben hat: Die Menschen finden immer neue Orte. Heißt: Darf auf dem Alexanderplatz nicht gezündelt werden, machen die Leute es eben einen Kilometer weiter.
Empfehlungen sind putzig, aber keine jetzt notwendige Politik
Immerhin, da dürfen sich die Verfassenden auf die Schulter klopfen, „empfohlen“ wird der Verzicht auf Feuerwerk. Zuletzt wurde auch der Verzicht auf Partys empfohlen, trotzdem hat die Polizei vergangenes Wochenende eine Drogenparty in einem Friedrichshainer Hostel und eine Technoparty in einem Lichtenberger Club aufgelöst. Darauf hoffen, dass sich Menschen plötzlich an Empfehlungen halten, ist putzig. Aber keine jetzt notwendige Politik. Logik und Sinn haben sich die Länderchefs wohl selbst schon weggeböllert.
Vom Berliner Senat für Inneres heißt es am Dienstag, auch in der Hauptstadt wird es Verbotszonen geben. Klasse, dann ist ja alles gut. Bekannt ist, dass sich statistisch mit Abstand die meisten Menschen in Deutschland innerhalb von 24 Stunden in der Silvesternacht verletzten. Das schaffen die Leute übrigens auch in Seitenstraßen.
Dazu kommt, dass Silvester laut Beschluss bis zu zehn Leute zusammenkommen dürfen. Unter Pandemie-Gesichtspunkten natürlich kompletter Mist. Und zudem gefährlich: Wer lange nicht feiern durfte, es aber dann doch darf (und sich zuvor dran gehalten hat), der eskaliert vielleicht noch ein bisschen mehr als sonst. Wenn die Pulle Prosecco dann doch mehr knallt als sonst, knallt es sich auch umso leichter versehentlich den Fuß weg. Ups!
Feuerwerk-Industrie: Manchmal überleben sich Traditionen
Verbände und Feuerwerk-Lobby warnten dagegen seit Wochen vor wegfallenden Jobs, 3.000 sollen es sein, und riesigen Einnahmeverlusten. Viele Selbstständige aus der Kulturwelt und jene, die ihre Jobs sonst noch verloren haben, Gastro-Betreibende beispielsweise, lächeln da müde. Millionen geht es nicht anders. Das muss die Regierung auffangen, natürlich.
Gleichzeitig ist die Frage ohnehin, wozu es Böllerei braucht, warum der Durchschnittsbürger eigentlich dringend mit Sprengstoff hantieren muss. Logische Erklärungen gibt es dafür eigentlich nicht. Manchmal überleben sich Branchen, manchmal auch ganze Traditionen.
Vielleicht wäre 2020 ein guter Zeitpunkt, da mal drüber nachzudenken. So oder so: Irgendeine Form von Logik, Vernunft oder Sinn lässt sich im Vorschlag der Länder schlicht nicht finden. Vielleicht lässt das die Bundeskanzlerin am Mittwoch die Knallköpfe, äh, Landeschefs dann doch noch wissen.
Die Berliner Weihnachtsmärkte sind für 2020 weitestgehend abgesagt. Wer trotzdem ein bisschen Festlichkeit sucht: So klappt es mit dem Weihnachtszauber in Berlin trotzdem noch. Übrigens genauso nervig wie Böllern: Corona-Demos – Fasching, Faschos und wenig Fantasie.