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Interview

Herr Finanzsenator Wesener, Benehmen oder Berghain?

Mit Finanzsenator Daniel Wesener, Grüne, sprachen wir über Berlins teure Wiederholungswahl, Milliardenhilfen im Krisenwinter, das 29-Euro-Ticket, Christian Lindner, Solidarität mit dem HSV, die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne, Kuschelrock und das Berghain.

Beste Hairline seit Drake: Finanzsenator Wesener. Foto: Alexander Meyer

Herr Finanzsenator Wesener, fühlt sich Ihr erstes Jahr wie ein Schnupperpraktikum an?

tipBerlin Herr Wesener, 39 Millionen Euro kostet uns die Wiederholungswahl am 12. Februar. Wir ham’s ja, wa?

Daniel Wesener Das wäre sicherlich eine zu optimistische Wahrnehmung der Haushaltssituation des Landes Berlin. Aber: Noch wichtiger als Haushaltsüberschüsse ist eine funktionierende Demokratie.

tipBerlin Glückliche Fügung für die Grünen, dass der damals mitverantwortliche Innensenator heute noch als Stadtentwicklungssenator im Senat sitzt und obendrein in der SPD ist?

Daniel Wesener Meine Erfahrung aus 20 Jahren Politik ist: Am Ende interessiert die Menschen nicht primär, wer und welche Partei dieses oder jenes Problem zu verantworten hat. Vielmehr fällt diese Kritik immer auf alle Beteiligten zurück. Somit ist auch die Politik in Gänze in der Verantwortung, es besser zu machen.

tipBerlin Gibt’s bei Andreas Geisel eine Diensthaftpflichtversicherung, wo Sie sich einen Teil der Kohle zurückholen könnten?

Daniel Wesener Kreativen Ideen gehe ich grundsätzlich immer gerne nach. Aber in diesem Fall, glaube ich, sind die Chancen eher übersichtlich.

Finanzsenator Daniel Wesener: „Aus dem Praktikantenstatus bin ich glücklicherweise raus“

tipBerlin Sie sind am 21. Dezember genau ein Jahr im Amt: Fühlt sich dieses Jahr eher wie ein langes Schnupperpraktikum an, oder haben Sie Bock, den Job weiterzumachen?

Daniel Wesener Aus dem Praktikantenstatus bin ich glücklicherweise raus. Aber klar: Es gibt mit Sicherheit Personen, die dieses Amt mit einem einschlägigeren Hintergrund als ich ausüben…

tipBerlin Sie haben Geschichte und Kunstgeschichte studiert, ohne Abschluss…

Daniel Wesener Das Aufgabenportfolio eines Finanzsenators ist so umfangreich, dass auch die Klügsten und Besten noch dazulernen. Der Haushalt ist nur eine von vielen Aufgaben dieses vielfältigen Amtes. Hinzu kommt die Verantwortung der Finanzverwaltung für die Landesunternehmen, die Steuerverwaltung und das Landespersonal. Also viele Themen, die für Berlin und die Menschen, die hier leben, außerordentlich relevant sind.

Im Büro des Senators: „Wir haben Finanzämter, die sind bundesweit Spitze.“ Foto: Alexander Meyer

tipBerlin Aber Sie müssen jetzt zur Wahl wieder für das Abgeordnetenhaus auf der Landesliste der Grünen antreten, richtig?

Daniel Wesener Ja, der Berliner Verfassungsgerichtshof hat verfügt, dass mit der Wiederholungswahl die Legislaturperiode weiterläuft. Darüber hinaus gibt es die Vorgabe, dass die Parteien dabei mit dem Personal antreten, das 2021 zur Wahl stand. Aufgrund der damaligen Nominierung bin ich erneut Kandidat auf Platz vier der grünen Landesliste.

tipBerlin Als Sie Senator wurden, haben Sie dann, wie es bei den Grünen üblich ist, ihren Sitz im Parlament abgegeben. Sie treten nun also für ein Parlamentsmandat an, das Sie gar nicht antreten wollen. Warum sollte man Sie doch gleich wählen?

Daniel Wesener Sie wählen ja mit der Zweitstimme keine Person, sondern eine Partei und eine Liste.

tipBerlin Es ist aber nicht so, dass die Personalien auf der Liste gar keine Rolle spielen, oder?

Daniel Wesener Es würde mir sicherlich schmeicheln, wenn das eine übergeordnete Rolle bei der Wahlentscheidung der Berlinerinnen und Berliner spielen sollte. Aber im Fokus dürften die Spitzenkandidaturen stehen. Richtig ist: Ich habe damals mein Mandat zurückgegeben. Es gibt dafür viele demokratietheoretische Gründe, aber ich wüsste auch rein praktisch gar nicht, wie ich diese Aufgabe neben meinem Amt als Finanzsenator noch ausfüllen sollte. Ich war fünf Jahre lang Parlamentarier. Während dieser Zeit hatte ich gut zu tun.

Daniel Wesener: „Natürlich ärgert mich das!“

tipBerlin Wie sehr ärgert Sie, dass Berlin wieder der Depp der Nation ist? Jetzt schließen Bürgerämter, weil sie die Wahl vorbereiten müssen.

Daniel Wesener Natürlich ärgert mich das! Aber nicht, weil ich der Meinung bin, dass jede Form der Kritik an Berlin eine üble Kampagne wäre und eigentlich alles ganz wunderbar ist. Es ist offensichtlich, dass wir in Berlin Probleme haben. Dazu gehört auch die Verwaltungsmodernisierung. Gerade weil wir zwölf Bezirke haben, die ja de facto Großstädte sind in einer Stadt, die gleichzeitig Bundesland ist, werden wir immer wieder diskutieren müssen, ob die Verwaltungsebenen hinreichend gut aufeinander abgestimmt sind. Wir wissen: Das sind sie nicht. Umgekehrt wird mitunter ein Bild von Berlin gezeichnet, das ich für nicht sachgerecht halte.

tipBerlin Zum Beispiel?

Daniel Wesener Wir haben Finanzämter, die sind bundesweit spitze. Bevor da wieder das Argument kommt: Ja, um den Leuten Geld wegzunehmen…

tipBerlin Würde ich nie so pauschal behaupten.

Daniel Wesener Wir sind die Schnellsten, wenn es um die Bearbeitung der Erklärungen zur Einkommensteuer geht. Die Leute kriegen mit ihrem Steuerbescheid mehrheitlich ja Geld zurück. Dafür sorgen rund 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Finanzämter, die hier seit Jahren bundesweit den besten Job machen.

Finanzsenator Wesener: „Eine Wahl kostet, was sie kostet“

tipBerlin Hatten Sie für die Wahl auch den Klima-Volksentscheid mit einkalkuliert? Der könnte auch am 12. Februar anstehen (mittlerweile steht fest, dass der Volksentscheid in der Tat erst am 26. März stattfindet; Anm. d. Red.).

Daniel Wesener Wenn das so kommt, wäre das mit einkalkuliert, weil ein Wahlgang nur einmal kostet.

tipBerlin Aber das Papier für die Abstimmungsbögen müsste beschafft werden.

Daniel Wesener Die Papierkosten sind nicht der größte Posten. Eine Wahl kostet, was sie kostet. Und wenn die Wahl mehr kostet, gibt es für die Bezirke eine Basiskorrektur. Nicht-technisch gesprochen: Das Geld wird vom Land erstattet. Wenn der Volksentscheid aber nicht am 12. Februar mitläuft, kommt da ein zusätzlicher Abstimmungstag auf uns zu – mit den entsprechenden organisatorischen Auswirkungen und Kosten.

tipBerlin Sollte aus Ihrer Sicht der Volksentscheid am Wahltag abgehalten werden?

Daniel Wesener Ja. Ich war in der vergangenen Legislaturperiode an der Novelle des Abstimmungsgesetzes beteiligt. Wir haben damals beschlossen, dass Volksentscheide und Wahltermine sogar zwingend zusammenzulegen sind, wenn sie in einen Zeitraum von vier bis acht Monaten fallen. Ich glaube auch, dass es der Politik in der Vergangenheit nicht gut angestanden hat, wenn zumindest der Eindruck entstand, dass bei der Terminierung vorsätzlich getrickst wurde.

Finanzsenator Wesener über Berlins Drei-Milliarden-Hilfspaket: „Für diesen Winter wird es reichen“

tipBerlin Da auch der tip die Berliner Politik durchaus hin und wieder mal lobt…

Daniel Wesener Puh, Glück gehabt! Ich dachte schon, ich bewerbe mich mit diesem Interview für Ihre diesjährige Liste der peinlichsten Berliner

tipBerlin Initiativbewerbungen nehmen wir gern! Im Ernst: Berlin hat als erstes Bundesland einen Nachtragshaushalt mit einem Drei-Milliarden-Euro Hilfspaket für den Krisenwinter verabschiedet: 29-Euro-Ticket, Energiezuschüsse, kommunaler Mietenstop. Kommen wir damit durch den Winter?

Daniel Wesener Für diesen Winter wird das reichen. Die Frage ist: Wie sieht es mittel- und langfristig aus? Die Krise, mit der wir es jetzt zu tun haben, ist nicht irgendwann einfach vorbei. Entscheidend ist die Umsetzung der Maßnahmen, vor allem dann, wenn man nicht mit der großen Gießkanne hantiert, sondern die Hilfen an Gerechtigkeitskriterien ausrichtet.

tipBerlin Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh beschwerte sich, weil Sie bei den Diskussionen um die Entlastungen zögerlich gewesen wären. Sind Sie knauserig, Herr Wesener?

Daniel Wesener Bei mir persönlich hat sich Herr Saleh nicht beschwert (lacht). Es gibt mitunter in der Politik den Kurzschluss, dass derjenige am besten unterwegs ist, der die teuersten Versprechungen macht. Ich bin davon nicht überzeugt.

tipBerlin Das 29-Euro-Ticket bis Ende März kostet rund eine halbe Milliarde Euro. Sie warnten unlängst vor Berlins struktureller Unterfinanzierung. Ist die BVG dafür nicht ein sehr gutes Beispiel? Was da oft alles ausfällt.

Daniel Wesener Ich bin Grüner: Mich muss niemand davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, in den ÖPNV zu investieren! Wichtig ist ein stimmiges Angebot, was die Leistungen und den Fahrpreis angeht.

tipBerlin Stichwort: kostenloser ÖPNV (eine von mehreren Ideen für eine bessere Zukunft).

Daniel Wesener Das ist sicherlich eine Vision, bedeutet aber auch: Es braucht eine Steuerfinanzierung, das Geld muss also aus dem Landeshaushalt kommen. Wenn es sich nicht auf wundersame Weise vermehrt, muss dann an anderer Stelle gespart werden. Ich sage immer: Den ÖPNV günstiger machen und gleichzeitig bei den notwendigen Investitionen zu sparen, das wäre der falsche Weg.

Finanzsenator Wesener: „Dass ich Finanzsenator wurde, war nicht das Ergebnis eines geheimen Plans“

tipBerlin Wie überrascht waren Sie vor einem Jahr, dass Sie Finanzsenator wurden? Ein Last-Minute-Resultat in den Koalitionsverhandlungen von Grüne, SPD und Linke.

Daniel Wesener Es war nicht per se zu erwarten, dass die Grünen in der neuen Koalition das Finanzressort besetzen würden. Und dass die Wahl auf mich gefallen ist, war auch nicht das Ergebnis eines langen geheimen Plans. Ich wusste es ein paar Tage vorher – und habe um kurze Bedenkzeit gebeten.

tipBerlin Aus 24 Stunden Bedenkzeit wurden 48.

Daniel Wesener Viel Zeit war jedenfalls nicht. Aber es waren nach 2016 ja bereits meine zweiten Koalitionsverhandlungen. Und davor haben wir bei den Sondierungen mit Klaus Wowereit schon ein wenig „geübt“.

tipBerlin 2011 entschied sich Klaus Wowereit letztlich doch für Frank Henkels CDU.

Daniel Wesener Damals ging es auch schon um die A100!

tipBerlin Und dann haben Sie sich erst mal drei, vier neue Anzüge gekauft.

Daniel Wesener Zusätzlich zu dem einen, den ich schon im Schrank hatte (lacht)!

tipBerlin Haben Sie die Taschen zugenäht gelassen?

Daniel Wesener Ja, die meisten sind bis heute zugenäht.

tipBerlin Wichtige Grundtugend im Finanzressort: Bloß nicht zu spendabel sein?

Daniel Wesener Das hat eher etwas damit zu tun, dass die Anzüge sonst immer so ausbeulen. Aber klar, als Finanzsenator muss man auch mal Erwartungen enttäuschen. Meine These wäre: Selbst, wenn man den Landeshaushalt eben mal verdoppeln würde, gäbe es immer noch Menschen in dieser Stadt, die – vielleicht sogar zu Recht – das eine oder andere Beispiel fänden, wo man noch mehr Geld ausgeben müsste.

Finanzsenator Wesener (r.), tip-Redakteur Heier: „Ich bin niemand, der Noten verteilt“. Foto: Alexander Meyer

tipBerlin Sie waren gerade drei Monate im Amt, da verlangten acht von zwölf Bezirksbürgermeister von Ihnen per Brief, Sparforderungen in Höhe von 80 Millionen zurückzunehmen. Nehmen Sie sowas sportlich?

Daniel Wesener Ich glaube, es gab in diesem Amt bisher niemanden, der nicht im Vierteljahrestakt solche Briefe bekommen hat. Das weiß ich unter anderem deswegen so genau, weil ich früher selbst welche geschrieben habe. Ich habe ja auch ein kommunalpolitisches Vorleben. Ähnliche Debatten gibt es übrigens zwischen den Ländern und dem Bundesfinanzminister. Der antwortet dann in vielen Fällen genauso wie ein Finanzsenator: „Das funktioniert so nicht!“ Zumal den Berliner Bezirken heute deutlich mehr Geld zur Verfügung steht als in der Vergangenheit.

tipBerlin Wie ist der Christian Lindner eigentlich so beruflich?

Daniel Wesener Ich bin niemand, der Noten verteilt. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass Herr Lindner und ich nicht immer einer Meinung sind. Das betrifft nicht nur Details der Finanzpolitik, sondern insbesondere die großen Gerechtigkeitsfragen.

tipBerlin Spielen Sie Lotto, oder können Sie zuhause keine Zahlen mehr sehen?

Daniel Wesener Ich habe nie Lotto gespielt, weil ich – ohne ein Crack in Wahrscheinlichkeitsrechnung zu sein – irgendwann verstanden habe, dass das vor allem ein gutes Geschäft für die Deutsche Klassenlotterie ist. Von der wir übrigens unmittelbar profitieren! Das sind ja Einnahmen, die über die Stiftung Deutsche Klassenlotterie dann auch wieder öffentlichen Zwecken zugutekommen.

Herr Wesener, Hertha oder Union? Techno oder Kuschelrock?

tipBerlin Haben Sie andere Hobbys?

Daniel Wesener Kochen und reisen.

tipBerlin Ein paar Kurzfragen. Hertha oder Union?

Daniel Wesener (Pustet durch) Man darf nicht Pauli sagen, oder?

tipBerlin Als gebürtiger Hamburger ist für Sie „HSV oder St. Pauli“ vielleicht zu einfach.

Daniel Wesener Nee, das ist auch nicht einfach. Als ich in Hamburg gelebt habe, hatte ich immer zu St. Pauli gehalten. Als ich dann nach Berlin kam und gemerkt habe, wie schlecht über den armen HSV geredet wird, da war ich schon aus Prinzip eher für den HSV. Ich bin ja mehr der solidarische Typ.

tipBerlin Nochmal: Hertha oder Union?

Daniel Wesener Dann sage ich mal: Union. Da war ich das letzte Mal im Stadion.

tipBerlin Friedrichshain oder Kreuzberg?

Daniel Wesener Kreuzberg, mein Wohnort.

tipBerlin Techno oder Kuschelrock?

Daniel Wesener Kuschelrock! Ich konnte mit Techno nie viel anfangen.

tipBerlin Benehmen oder Berghain?

Daniel Wesener Ich bin seit 20 Jahren raus aus der Szene. Außerdem hat meine Großmutter immer gesagt, ich sei ein Stubenhocker. Also wohl eher Benehmen (lacht).

tipBerlin Fisch oder Fleisch?

Daniel Wesener Das ist wirklich schwer. Wenn ich auf etwas verzichten müsste, dann wohl eher auf Fisch.

tipBerlin Habeck oder Baerbock?

Daniel Wesener Baerbock.

Der Finanzsenator über die Wohnungskonzern-Vergesellschaftung: Auch in der Koalition denken manche, Kredite kosteten nichts

tipBerlin Wie viel Geld haben Sie eigentlich für die Umsetzung des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co. enteignen eingestellt? Die Kostenschätzungen gehen wild von acht Milliarden bis zu mehr als 30 Milliarden.

Daniel Wesener Die erste relevante Frage ist bekanntlich: Ist das überhaupt verfassungsrechtlich möglich? Damit beschäftigt sich gerade eine Expertenkommission. Die zweite Frage ist dann die der Finanzierung. Bisher haben wir gar kein Geld eingestellt. Denn für den Fall einer Entschädigung infolge einer Vergesellschaftung käme erfahrungsgemäß wohl eher eine Kreditfinanzierung über landeseigene Unternehmen in Betracht.

tipBerlin Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften haben im vergangenen Jahr zwei Milliarden Euro investiert.  Können die überhaupt diese Riesen-Kredite on top stemmen?

Daniel Wesener Die Wohnungsbaugesellschaften stehen aktuell wirtschaftlich gut da und treiben auch schon jetzt mit Krediten den Wohnungsbau und im Fall der Howoge auch den Schulneubau voran. Aber klar, es gibt Grenzen. Wir wollen, dass die Investitionsfähigkeit der öffentlichen Unternehmen erhalten bleibt.

tipBerlin Kredite tun ja erst später richtig weh.

Daniel Wesener Auch in der Koalition gibt es einige, die dem Missverständnis anhängen, dass ein Kredit nichts kostet. Doch durch die Verzinsung kostet ein Kredit schon ab dem Zeitpunkt, wo man ihn aufnimmt, den Landeshaushalt Geld. Und da haben sich in den letzten Monaten die Rahmenbedingungen, genauso wie bei der Inflation, leider radikal verändert. Wir hatten jahrelang Niedrig-, sogar Negativzinsen. Jetzt erleben wir, dass diese Zinsen sprunghaft steigen. Nach Einschätzung vieler wird dieser Trend anhalten.

tipBerlin Mit der Zinswende stellt sich die Frage, ob sich Berlin die Vergesellschaftung überhaupt leisten kann, also noch einmal neu?

Daniel Wesener Bei der Wohnungswirtschaft gibt es genauso wie in allen anderen Bereichen der Grundversorgung die Frage: Müssen zusätzliche Kosten über die Erhöhung von Gebühren, Entgelten oder in diesem Fall von Mieten bezahlt werden? Um es ganz klar zu sagen: Es dürfen am Ende nicht die Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sein, die die Vergesellschaftung bezahlen. Das Ziel der Initiative ist ja, dass die Mieten sinken. Wie das ökonomisch aufgeht, bleibt Gegenstand der Diskussion.

tipBerlin Sind Sie jetzt nun für oder gegen die Vergesellschaftung?

Daniel Wesener Ach, diese beliebten Ja-Nein-Fragen. Ich kann sehr gut nachvollziehen, warum am 21. September 2021 viele Menschen beim Volksentscheid „Ja“ angekreuzt haben. Auch ich möchte in einer Stadt leben, die nicht wie viele andere Metropolen in Arm und Reich zerfällt. Ich möchte, dass wir die Berliner Mischung erhalten. Es kommt aber nicht von ungefähr, dass die Initiative keinen Gesetzesentwurf zur Abstimmung gestellt hat, sondern einen Auftrag an den Senat formuliert hat. Das meine ich gar nicht als Vorwurf. Aber das zeigt, dass es nicht nur der Unwillen der Politik ist, dass der Volksentscheid bis dato nicht umgesetzt wurde. Es gibt eben noch gravierende verfassungsrechtliche, aber auch haushalterische Fragen zu klären.

tipBerlin Dass Grün bei der Wiederwahl auf Sieg spielt, davon gehe ich jetzt mal aus. Aber sind auch andere Farbkonstellationen als Grün und Rot für Sie denkbar?

Daniel Wesener Wissen Sie, ich war sechs Jahre Landesvorsitzender der Grünen und musste immer diese Fragen zu den Farbkonstellationen beantworten. Diese Aufgabe kommt nun meinem Nach-Nachfolger zu. Meine Präferenz ist bekannt: Ich würde in der jetzigen Regierungskonstellation gerne weiterarbeiten, noch lieber mit einer Grünen an der Spitze.

  • Zur Person Daniel Wesener ist aufgewachsen in seinem Geburtsort Hamburg. Der 47-Jährige trat 2001 bei den Grünen ein. Er zog 1996 nach Berlin, arbeitete für den Bundestagsabgeordneten Ströbele, war in Mitglied der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, Landesvorsitzender der Grünen, im Abgeordnetenhaus unter anderem Sprecher für Haushalt und Kultur. Seit 21. Dezember 2021 ist er Berlins Senator für Finanzen.

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