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Flipperhalle Berlin: Das Pinball-Paradies vor den Toren der Stadt

Kurz hinter Berlins Stadtgrenze in Teltow betreibt Jörg Meißner die Flipperhalle Berlin – ein deutschlandweit einzigartiges Spieleparadies. Die fast 50 Geräte erzählen dabei ein halbes Jahrhundert Flippergeschichte. Besuch eines Zufluchtsortes.

Wie geöffnete Schatztruhen: Jörg Meißner vor seinen Flipperautomaten. Foto: tipBerlin

In Teltow erwachen Mumien und Monster zum Leben

Ein kräftiger Druck und die silberne Kugel rast die Spielfläche hoch. Verschwindet in einem Loch, taucht auf der anderen Seite wieder auf. Dazwischen liegen kleine Figuren im Dornröschenschlaf: Frankensteins Monster und seine Braut, Dracula im Sarg, die Mumie. Es blinkt, surrt und klackert. Dann plötzlich zuckt Frankensteins Bein und das Monster beginnt sich aufzurichten. Jörg Meißner steht gerade in seiner Flipperhalle in Teltow und spielt den Titel „Monster Bash“. Er hat sich soeben einen Multiball erspielt, weil er alle Körperteile von Frankensteins Monster freigeschossen hat – der Grund, warum sich nun das grüne Wesen mit dem etwas zu lang geratenen Kopf auf dem Flipperfeld erhebt.

„Monster Bash“ ist nur einer von 49 Flipperautomaten, die bei Jörg Meißner in der Flipperhalle stehen – eng aneinander gereiht, auf gut 200 Quadratmetern. Steht man an der Türschwelle zur Flipperhalle, ähnelt der Raum einer funkelnden Schatztruhe. Für gerade mal zehn Euro kann man hier den ganzen Tag so lange flippern, bis die Netzhaut flackert. Oder bis man Bauchweh bekommt, von der Palette an zusammengestellten Snacks auf Spendenbasis, die es hier gibt. Bereits seit elf Jahren betreibt Jörg die Flipperhalle, zunächst in Zehlendorf. 2021 fand er dann eine neue Halle in Teltow. Drei Jahre dauerte die Genehmigung: „Das Amt dachte, wir seien eine Spielhölle“, sagt Jörg.

Jörg vor dem Flippertitel „Game of Thrones“. Spielehersteller müssen bei erfolgreichen Serien und Franchises manchmal bis zu sechsstellige Lizenzpreise bezahlen. Foto: tipBerlin

In den USA galt Flippern lange als Glücksspiel

Tatsächlich galt das Flippern im Mutterland USA lange als Glücksspiel und war bis in die 1970er Jahre sogar verboten, erzählt Jörg Meißner. Wie das harmlose Geschicklichkeitsspiel entkriminalisiert wurde, ist eine kuriose Geschichte: 1976 zog der Flipper-Enthusiast Roger Sharpe nach New York und fing beim GQ-Magazin als Redakteur an. Auf Flipper-Messen sprach sich rum, wie begabt Sharpe am Automaten sei. Zu der Zeit versuchte eine Vereinigung von Spieleautomatenherstellern das Verbot zu kippen – und engagierte Sharpe für einen Coup: Sharpe stellte sich bei einer Anhörung vor den Stadträten New Yorks am Flipper auf. Er sagte einen nahezu unmöglichen Schuss voraus und hielt sein Versprechen. Daraufhin kippten die Stadträte das Verbot.

Der Mann, der das Flippern rettete: Roger Sharpe auf dem Raindance Festival in London, November 2022. Foto: Imago / Landmark Media

Auch in Teltow bekam Jörg Meißner die Genehmigung für seine neue Flipperhalle und eröffnete im Februar 2024. 49 Geräte stehen dort, darunter Lizenztitel wie „Indiana Jones“ oder „Stranger Things“. Oder Titel wie die „Harlem Globetrotters“ aus dem Jahr 1979 – das erste Exemplar, das sich Jörg im Jahr 2005 kaufte. Weil seine Auswahl rund 50 Jahre Automatenkultur abbildet, lässt sich hier auch besonders gut die technische Entwicklung der Geräte nachverfolgen: Von den Early Electronics aus den Jahren 1976 bis 1986, die noch keine Rampen hatten, sondern nur eine Ebene: „Wenn der Ball durch eine Lane bei den Bumpern durchging, wusstest du nie genau, wo der Ball hingeht. Da war noch mehr Glück im Spiel“, sagt Jörg.

Aus numerischen Displays wurden Matrix-Displays, daraus später kleine Flachbildschirme. Einer der neuesten Flippertitel bei Jörg ist „Dialed In!“ aus dem Jahr 2017 der Firma Jersey Jack. Hier gibt es sogar einen im Spielfeld eingebauten Bildschirm in Form eines großen Smartphones. Und bei dem Flippertitel „Jaws“ spielt ein großes Display je nach Spielzug entsprechende Filmszenen ab. 

Der Flippertitel „Jaws“ nach dem gleichnamigen Horrorfilm aus 1975 zeigt je nach Spielverlauf entsprechende Filmszenen an. Foto: tipBerlin

Jörgs Automatenparadies ist gut besucht. Pro Wochenende kommen rund 100 bis 300 Leute, zu Hochphasen spielen hier schonmal 100 Personen gleichzeitig. Gerade für 40-60-Jährige stellt der Flipperhallen-Besuch eine hoch emotionale Zeitreise in die eigene Jugend dar. Da kullerten auch noch dem härtesten Berliner Atzen mal eine Träne über die Wange, so Jörg: „Es passiert hier häufig, dass die Leute kommen und sich tausendfach bedanken bei mir.“ Die Flipperhalle ist angesichts der großzügigen Öffnungszeiten – drei Tage die Woche – und der großen Auswahl an Automaten einzigartig, wie er sagt.

Flippern als Symbol des Klassenkampfs?

Am Eingang der Halle stehen einige Exemplare des Buches „Der Trost der Flipper“ zu Verkauf. Der Münchner Essayist Andreas Bernard hat mit dem Buch dem Spiel seiner Kindheit ein Denkmal gesetzt. Er erzählt darin, dass er früher die Langeweile der Nachmittage bekämpfte, in dem er sich in Kneipen schlich, um dort heimlich zu flippern. Für ihn sind die Flipper ein Stück Zeitgeschichte der BRD und ihrer alten Gaststättenkultur. Und ein Symbol ehemaliger Gesellschaftskritik: In den 1970er Jahren gab es sogar Klassenkampftheorien zum Flippern. Ende des 20. Jahrhunderts verschwanden die Flipper zunächst in der Bedeutungslosigkeit, wurden teils als Sperrmüll auf die Straße gestellt. Seit einigen Jahren erleben die Flipper ein Revival – Nostalgie ist en vogue. Und die Flipperhalle ein Zufluchtsort, Zeitreise und Eskapismus zugleich.

Links: Jörgs erster Flipper „Harlem Globetrotters“, hier ein Exemplar der Serie auf der Flip Expo 2013. Rechts: der „Stranger Things“-Flipper in Jörgs Halle. Foto: Frédéric Bisson/wikimedia commons/CC-BY-2.0; tipBerlin

Jörg Meißner veranschaulicht das gestiegene Interesse an Flippern an dem Titel „Addams Family“: „Den hab ich 2005 für 450 Euro gekauft. Vor drei Jahren habe ich einen für schon 4.500 Euro gekauft, Mittlerweile ist der Preis fünfstellig.“ Jörg begann mit 14 Jahren mit dem Flippern, ähnlich wie Bernard in Kneipen. Nach der Schule ließ er sich zum Elektroniker ausbilden und bietet neben dem Spielbetrieb auch einen Reparaturservice an. Er führt den Betrieb allein mit seinem Sohn, der in Zukunft einmal die Flipperhalle übernehmen soll.

Versteckte Historie: Diese Sitzecke stammt aus der Deutschlandhalle in Westend, die der Berliner Senat 2011 abreißen ließ. Foto: tipBerlin

Jörg Meißner hat als Vorstand der German Pinball Assocation, der deutschen Flippervereinigung, mehr als zehn Jahre die Deutschen Meisterschaften im Flippern mitorganisiert. Auch heute reist er jedes Jahr als Mitspieler zu den Deutschen Meisterschaften. „Die sind immer gut besucht. Letztes Jahr in in Gronau in Nordrhein-Westfalen waren es rund 1000 Besucher“, so Jörg. Dabei kennt er nicht nur die Flipperszene Deutschlands bestens – fast jedes Jahr reist er zur Pinball Expo nach Chicago, dem weltweiten Branchentreffen. Die meiste Zeit im Jahr aber wird er wohl in der Flipperhalle Berlin verbringen. Und Frankenstein noch öfter aufstehen lassen.

  • Flipperhalle Berlin Oderstraße 23-25, 14513 Teltow, Fr+Sa 14–22 Uhr, So 13–18 Uhr, Tagespreis 10 €, Informationen zu Reparatur, Vermietung und Verkauf hier

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