Am Rand von Berlin, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Köpenick, befindet sich dieser idyllische Ortsteil – und wir geben euch gleich 12 gute Gründe, jetzt nach Friedrichshagen zu fahren: vom Spaziergang auf der Bölschestraße, die sich als Ku’damm des Ostens bezeichnen ließe, bis zum Ausflug in die Natur.
Bölschestraße

Eine logische Linie. Und das Rückgrat des 1753 im Auftrag Friedrichs des Großen gegründeten, daher der Name, Kolonistendorfs Freidrichshagen. Ursprünglich sollten am Nordufer des Müggelssees Baumwollspinner aus Böhmen und Schlesien angesiedelt werden. Auch entlang der Bölschestraße stehen noch einige der eingeschossigen Lehmfachwerkhäuser aus dieser Zeit. Ihren heutigen Charakter als Flanier- und Konsummeile erhielt die 1,3 Kilometer lange Straße nach Eröffnung der Bahnstrecke Berlin-Frankfurt/Oder, was bereits im Jahr 1842 geschehen sollte. Fortan verband die Bölschestraße den Bahnhof Friedrichshagen in direkter Linie mit dem Müggelsee. Sommerfrischler kamen aus der großen Stadt, erste Sommervillen entstanden, Cafés und Ausflugslokale prosperierten. Heute werden mehr als hundert Gebäude entlang der Straße, darunter die Christopheruskirche und das historische Rathaus Friedrichshagen und ein 1900 erbautes Pissoir, heute genutzt als Theater- und Veranstaltungskasse, in der Berliner Denkmalliste geführt.
Ach ja, benannt ist sie Bölschestraße nach Wilhelm Bölsche, dem wichtigsten Vertreter des Friedrichshagener Dichterkreises. Bis 1947 hieß sie sie schlicht Dorfstraße und später lange Friedrichstraße, was uns zu dieser letzten Feststellung bringt: Wenn schon, dann ist die Bölschestraße und nicht die Friedrichstraße der Ku’damm des Ostens.
Kino Union
Auch auf der Bölschestraße, quasi gleich gegenüber dem Bahnhof: das Kino Union. Ursprünglich war das mehrfach umgestaltete Gebäude 1872 als Bürgerhaus mit angrenzendem Ballsaal erbaut worden. Zum Kino wurde es 1914. Ein neues Gesetz verbot damals Tanzveranstaltungen, die mit Beginn des Ersten Weltkriegs als wehrkraftzersetzend eingestuft worden waren. In den 1920er-Jahren, auch und gerade für die Kinos eine goldene Ära, erhielt das Kino seinen noch heute charakteristischen Rang. Also: Beim ersten Besuch im Kino Union: unbedingt oben sitzen. Kurios ist die Nachwendegeschichte des Kinos: 1995 kaufte es der Entertainer Wolfgang „Lippi“ Lippert von der Treuhand, die Pläne waren groß, doch der Spielbetrieb wurde 1998 eingestellt. Es sei, so heißt es, dem ausgeprägten Lokalpatriotismus der Friedrichshagener zur verdanken, dass das Kino Union gerettet werden konnte. Eine Bürgerinitiative formierte sich, Unterschriften worden gesammelt, und seit dem 4. Dezember 2003 laufen die Bilder wieder in einem der charismatischsten Lichtspielhäuser Berlins.
Die Straßenbahn nach Rüdersdorf
Das vielleicht schönste Nahverkehrsmittel zwischen Berlin und Brandenburg? Jene meterspurige Überlandstraßenbahn, die seit 1910 vom Bahnhof Friedrichshagen über Schöneiche ins heutige Rüdersdorf zuckelt, das damals passend zum dortigen Kalkabbau allerdings noch Kalkberge hieß. Der Hinweis auf die Meterspur ist deshalb wichtig, weil dieses Sondermaß, eine Schmalspurbahn also, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Integration in das Berliner Straßenbahnnetz verhinderte. Dort hatte man von Beginn an auf die Normalspur von 1435 Millimetern gesetzt. Für die heutige Linie 88 vermutlich ein Glücksfall, gerade in den Nachwendejahren hätte die Strecke sonst kaum überlebt. Kritisch wurde es dennoch, im Jahr 2000 übernahm die Niederbarnimer Eisenbahn 70 Prozent der Schöneicher-Rüdersdorfer-Straßenbahn und sicherte den Fortbestand der Linie. Ein Glücksfall, dass die Strecke am Bahnhof Friedrichshagen in einer Wendeschleife endet: Dort findet jeweils sonntags der Friedrichshagener Flohmarkt statt. Zur Berliner Flohmarktübersicht geht’s hier.
Seebad Friedrichshagen
Zugegeben, bekannter ist das Strandbad Müggelsee am Ortsrand von Rahnsdorf. Diese bleibt aber auch in diesem Jahr eine Dauerbaustelle. Ein Grund mehr sich dem ohnehin familiäreren Seebad Friedrichshagen zuzuwenden. Seit 2008 bereits wird das Bad privat betrieben. Eine Gruppe Friedrichshagener mit Erfahrungen in der Gastronomie hatte die Berliner Bänderbetriebe überzeugt. Heute ist das Seebad beinahe ein Ganzjahresbetrieb, Eisbaden, Eislaufen, Firmen- und Familienfeiern – vor allem aber wird noch immer gebadet und geschwommen, dort, wo sich im Gartenrestaurant Wilhelmsbad bereits 1892 der Schwimmverein „Wildenten“ gegründet hatte. 1929 ging das damalige Wilhelmsbad in den Besitz der Stadt Berlin über. Ein heute als Imbiss genutzter Pavillonbau ist der älteste Gebäudeteil des charmanten Ensembles am Müggelseedamm.
- Seebad Friedrichshagen Müggelseedamm 216, Friedrichshagen, Mai–August 10–19 Uhr, Beach-Bar bis 21 Uhr, Tageskarte Wochenende 8€, Mo–Fr 6€, Website
Spreetunnel
Vor einem Jahrhundert wurde es hip, seine Sonntage in Friedrichshagen zu verbringen. Zumal die Berliner S-Bahn bald breiten Bevölkerungsschichten das kurze Glück im Grünen versprach. Die Dampffähre über die Müggelspree brachte das an ihre Grenzen: Bis zu 40.000 Ausflügler:innen sollen die Fähre an Spitzentagen genutzt haben. Dabei bot sie gerade einmal Platz für 265 Passagiere. Die Lösung: ein Tunnel unter der Müggelspree. Am 18. Juni 1925 stimmte die Stadtverordnetenversammlung diesem Plan zu. Keine zwei Jahre später eröffnet wurde es der erste Tunnel aus Eisenbeton in Deutschland, der in Senkkasten-Bauweise errichtet worden war: Die fertige Tunnelröhre wurde, in zwei Teilen, quasi im Fluss versenkt. Nachdem man den 120 Meter langen Tunnel durchquert hat, lohnt der Blick auf den Boden: Vom in den letzten Kriegstagen zerstörten Ausflugslokal sind noch heute die Fundamente gut sichtbar. Mehr Tunnelblick gibt’s hier, von Tiergarten bis Tegel.
Berliner Bürgerbräu
Seit 1753 bereits wurden hier am nordöstlichen Ufer der Müggelspree Biere gebraut. Zunächst auf einem königlichen Gut, einer Domäne, das 1862 privatisiert und sieben Jahre später endgültig zu einem Brauereistandort wurde. Zunächst eine reine Gasthausbrauerei entwickelte sich die Marke Müggelschlösschen zu einer festen Größe unter den Berliner Bieren. Der Betrieb war genossenschaftlich organisiert, Anteilseigner waren Gastronomen, vorwiegend aus dem Südosten Berlins. 1936 zerschlugen die Nationalsozialisten die Genossenschaft. Aus der Brauerei Müggelschlösschen wurde das Berliner Bürgerbräu, ein Markenname, den auch der VEB Berliner Bürgerbräu sowie die nach der Wiedervereinigung privatisierte Brauerei bis zu ihrer Insolvenz 2010 beibehalten sollte. Auch ein exklusives Pils für das KaDeWe sowie das erste Berliner Bio-Bier konnten den Betrieb nicht retten. Heute liegt das Areal in zunehmend ruinösem Zustand. Immerhin: Im Braustübl, der ehemaligen Brauereigaststätte, wird noch Bürgerbräu ausgeschenkt, die Namensrechte liegen heute bei der Radeberger Gruppe. Mehr historische Brauereien und was aus ihnen geworden ist, zeigen wir hier.
Erpetal
Auch die Natur ist toll in Friedrichshagen, nicht nur am und um den Müggelsee. Ein ausgedehnter Spaziergang führt uns ins Erpetal. Ein erstaunlich wilder, rund elf Kilometer langer Wanderweg führt von Friedrichshagen bis zur Rennbahn Hoppegarten, immer längs der Erpe, die sich amtlich Neuenhagener Mühlenfließ nennt. In Nahverkehrskategorien gesprochen: Die Tour startet am S-Bahnhof Hirschgarten (allerdings mündet das Neuenhagener Mühlenfließ nochmal zwei Kilometer weiter südlich an der Slavador-Allende-Brücke in die Müggelspree), sie endet am S-Bahnhof Hoppegarten. Schon nach wenigen hundert Metern wird deutlich, Berlin ist auf Sumpf gebaut. Zudem eine der schönsten naturnahen Laufstrecken der Stadt, gut gegen die Eintönigkeit in der Vorbereitung auf den Berlin Marathon.
Die Plastiken im Müggelpark
Zugegeben, auf den ersten Blick ist der Müggelpark kaum mehr als der Vorhof zum Spreetunnel. Mehr Platz als Park, aber mit einem tollen französischen Lokal, dem Restaurant Domaines, an seiner Nordseite. Für den schnellen Hunger wird bei gutem Wetter vor dem Restaurant gegrillt. Auf den zweiten Blick zeigt sich ein Detail, das der Ostteil der Stadt dem Westeil voraushat: die Quantität und auch Qualität der Kunst im öffentlichen Raum. Unsere Lieblingsplastik im Müggelpark: Die Arbeit „Geschwister“ des Berliner Bildhauers und Grafikers Theo Balden (1904–1995), wobei Theo Balden weniger ein Künstler- als ein Tarnname war. Mit einem auf diesem Namen gefälschten Pass gelangt Otto Koehler, so sein Geburtsname, 1935 die Flucht vor den Nazis zunächst nach Prag. Balden kehrte 1947 nach Ost-Berlin zurück. Weitere Plastiken von ihm finden sich im Volkspark Weinberge in Mitte („Der Jüngling“) oder an der Ruine der Klosterkirche ebenfalls in Mitte („Mutter mit Kind“).
Kurpark Friedrichshagen
Noch ein Park. Dieser hier ist sogar richtig weitläufig. Wenngleich man den Park manchmal vor lauter Bäumen nicht sehen kann. Aber genau genommen ist dieser Kurpark ja auch gar keiner mehr, wie auch Friedrichshagen nie ein wirklicher Kurort geworden ist. Genau das aber war 1879 der Plan. Und weil all die Sahnegrundstücke am Müggelseeufer schon verkauft und bebaut waren, platzierte man den Kurpark einfach verkehrsgünstig am Nordausgang des Bahnhofs. Eine Trinkhalle wurde gebaut und eine Kurmuschel für Konzerte. Milch und Molke wurden verkauft, von im Park weidenden Kühen. Und, das war ja der Sinn des Ganzen, es wurde eine erhoben. Später folgten ein Restaurant und ein Licht- und Luftbad, medizinisches Sonnenbaden wurde en vogue, die Sache mit dem Kult um den Körper begann. Dazu passen die bereits in den 1910er-Jahren angelegten Tennisplätze, die noch heute existieren. Aus dem 1930 angelegten Naturtheater, da hatte es sich in Friedrichshagen bereits ausgekurt, wurde 1998 das längst stadtweit bekannte Freiluftkino. Das Programm für Filme unter freiem Himmel findet ihr übrigens hier.
Museum im Wasserwerk Friedrichshagen
Am Nordufer das Müggelsees sind zwei Institutionen nah am Wasser gebaut: Das Leibnitzinstitut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, ein Paradebeispiel einer angewandten Wissenschaft. Und, gleich nebenan, das in den 1890er-Jahren errichtete Wasserwerk Friedrichshagen, wobei das Backsteinensemble auf den ersten Blick eher an eine Klinik oder Bildungseinrichtung dieser Zeit erinnert denn an ein Wasserwerk. So schön konnten funktionale Versorgungsarchitekturen also einmal sein. Das Wasserwerk in Friedrichshagen markierte einen Meilenstein in der Trinkwasserversorgung einer rasant wachsenden Industriemetropole. Als das Werk 1893 in Betrieb ging, war es das größte und modernste in Europa. Mit seinen sechs Maschinenhäusern, vier Rieselern, zahlreichen Sandfiltern, Nebengebäuden und Wohnhäusern ist das Areal heute ein bedeutendes Zeugnis der Industriegeschichte. Von alldem erzählt auch ein Museum in einem der ehemaligen Maschinenhäuser, allerdings ist es bis auf Weiteres nur zu besonderen Anlässen, etwa dem Tag des offenen Denkmals, geöffnet.
- Museum im Alten Wasserwerk Müggelseedamm 307, Friedrichshagen
Vom Einfachen das Gute
Gutes Essen ist immer regional. Nur haben bestimmte Regionen immer auch spezifische regionale Produkte. Was die Philosphie des Feinkostladens aus der Invalidenstraße in Mitte gut beschreibt, das meiste kommt aus Berlin und Brandenburg, ein trockengereifter Schinken aber auch mal aus der Toskana und ein Schafskäse aus der Normandie. Nun ist es leicht, in Mitte gute Lebensmittel zu kaufen. Auf der Bölschestraße aber ist Vom Einfachen das Gute neu. Und aus zwei Grünen wunderbar. Das auf eine uneitle Art exzellente Konzept von Manuela Rehn und Jörg Reuter bringt neue Impulse auf die Friedrichshagener Einkaufsmeile. Und es ist der perfekte Ort, um sich für ein Picknick am oder auf dem Müggelsee einzudecken. Apropos: Das so kundige wie sympathische Team packt auch Picknickkörbe und Lunchpakete. Ausgewählte handwerkliche (Schaum-)Weine liegen stets gekühlt bereit. Und regelmäßig finden Verkostungen statt.
- Vom Einfachen das Gute Bölschestr. 78, Friedrichshagen, Mo-Do 10-18 Uhr, Fr 10-19 Uhr, Sa 9-16 Uhr, Website
Villenkolonie Hirschgarten
Historisch gehört auch der Hirschgarten zu Friedrichshagen. Er bildet den Lückenschluss zum großen Bruder Köpenick. In den 1860ern kam der Berliner Bankier Albert Hirte, selbst ein Friedrichshagener Sommerfrischler, auf den Plan, auf einigen geerbten Äckern eine Villenkolonie anzulegen. 1870 begannen die Trassierungsarbeiten, wobei sämtliche Straßen auf dem zentralen Sternplatz münden. Hirte nannte die Kolonie in Anlehnung an eine alte Flurbezeichnung Hirschgarten. Villen und Landhäuser entstanden, dazu ein Badehaus an der Müggelspree, ein Dampferanleger und, bereits 1874, ein für die damalige Zeit durchaus großes Ausflugslokal: Tabbert’s Waldschloß. Neuerlichen Aufschwung erhielt die prosperierende Villenkolonie durch eine 1890 erschlossene Solequelle. Als Heilbad konnte sich Hirschgarten allerdings nicht etablieren, bereits 1909 versiegte die Quelle wieder. Aber da war aus diesem Ort der Sommerfrische ohnehin bereits eine (groß-) bürgerliche Wohnadresse im stetig wachsenden Berlin (beziehungsweise seinen bis dahin noch nicht eingemeindeten Vororten) geworden.
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