Ausgrabungen

Älteste Straße Berlins: Was wird aus dem Bohlendamm am Molkenmarkt?

Bei Ausgrabungen am Molkenmarkt wurde im Januar 2022 die wohl älteste Straße Berlins freigelegt: ein mittelalterlicher Bohlendamm aus dem 13. Jahrhundert. Eine luftdichte Torfschicht hatte das Holzbauwerk verdeckt und vor Witterung geschützt. Die Straße ist nicht das erste archäologische Objekt, das bei den andauernden Bauarbeiten in der Gegend ausgegraben wurde, sicherlich jedoch das spektakulärste. Kollegin Emily Gunske hatte den Bohlendamm am Molkenmarkt schon Ende Januar besichtigt. Nun nehmen die archäologischen Arbeiten Fahrt auf.

Am Molkenmarkt wurde ein mittelalterlicher Bohlendamm entdeckt. Das Foto zeigt die Arbeiten Anfang Februar 2022. Foto: Imago/Pemax
Am Molkenmarkt wurde ein mittelalterlicher Bohlendamm entdeckt. Das Foto zeigt die Arbeiten Anfang Februar 2022. Foto: Imago/Pemax

Älteste Straße Berlins: Ein endlich freigelegtes Stück Geschichte

Seit fast drei Jahren werden parallel zu den Bauarbeiten am Molkenmarkt Ausgrabungen getätigt. Dabei ist schon so einiges aufgetaucht, sei es eine mittelalterliche Hausmauer aus dem 14. Jahrhunderts oder Teile des noch nicht einmal 150 Jahre alten, ehemaligen Elektrizitätswerk Spandauer Straße. Es kommt immer wieder vor, dass bei Bauarbeiten in Berlin historische Gegenstände entdeckt werden. Doch kein Fund sorgte für so viel Begeisterung wie der jüngste: Ein Bohlendamm aus dem 13. Jahrhundert, der im Januar 2022 freigelegt wurde. Das Holzbauwerk ist die wohl älteste Straße Berlins. Kultursenator Klaus Lederer stellte den Fund als „kleine Sensation“ und „spannenden Blick ins Mittelalter“ vor.

Die ungefähr zweieinhalb Meter unter der Stralauer Straße liegende Straße ist von einem Archäologen-Team, koordiniert durch Dr. Michael Malliaris, innerhalb von zwei Wochen freigelegt worden. Der Archäologe des Landesdenkmalamtes erklärte bei einer Führung am 19. Januar, dass bereits bekannt gewesen sei, dass unter dem Molkenmarkt ein Verkehrsweg zu finden sein müsste, der Zustand jedoch bis zu den Ausgrabungen unklar gewesen wäre.

Der Koordinator der Ausgrabungen erklärt den guten Zustand der ältesten Straße Berlins. Foto: Emily Gunske

Älteste Straße Berlins: Ein erstaunlich gut erhaltenes Zeitzeugnis

Die Straße ist vor fast 800 Jahren im heutigen Mitte, dem Herzen von Berlin, errichtet worden. Wegen der Spree war der Boden unverhältnismäßig feucht. Zur Überquerung der Sumpflandschaft bauten die Siedler daher aufwendige, aber stabile Konstruktion aus Eichen-, Birken- und Kieferbohlen in drei Schichten. Der Bohlendamm am Holzmarkt ist ein wichtiges Zeitzeugnis.

Kultursenator Klaus Lederer bezeichnet den Bohlendamm am Molkenmarkt als „kleine Sensation“ und „spannenden Blick ins Mittelalter“. Foto: Emily Gunske

Die Bohlen der sechs Meter breiten Straße sind auf den ersten Blick sehr gut erhalten. Laut den Archäologen ließen sich kaum Fahrspuren finden. Man gehe davon aus, dass die Verkehrsader schon nach kurzer Zeit verschüttet worden war. Circa 700 Jahre lang lag sie verborgen im Boden, unberührt von Abnutzung oder Witterungsbedingungen. Nur so konnte die wohl älteste Straße Berlins in diesem Zustand bleiben.

Warum baute man die erste Straße Berlins genau dort?

Der freigelegte Abschnitt des Weges ist etwa 65 Meter lang, die Breite beträgt sechs Meter. Die gesamte Länge des Bohlendamms und sein Verlauf lassen sich jedoch nicht genau angeben. Vermutet wird, dass die Konstruktion einst vom Stralauer Tor zum Mühlendamm führte. Dass genau auf dieser Strecke im 13. Jahrhundert die vielleicht erste Straße der Stadt angelegt wurde, ist keine Überraschung, wenn man bedenkt, dass der Mühlendamm die einzige Brücke über die Spree und somit einzige Verbindung der damaligen Teilstädte Cölln und Berlin war. Am besten lässt sich die Entwicklung Berlins anhand historischer Karten verstehen.

Anhand des Holzzustands des Bohlendamms am Molkenmarkt können das Alter und die Lageverhältnisse bestimmt werden. Foto: Emily Gunske

Noch auf dem Holzweg: Was passiert jetzt?

Die archäologischen Untersuchungen haben bereits erste Ergebnisse geliefert. So konnte die Untersuchung der Jahresringe der Kiefernstämme schon zeigen, dass die ersten Arbeiten etwa 1215 begonnen hatten und bis zum Anfang der 1230er-Jahre andauerten. Weitere Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut stehen noch aus.

Zumindest partiell muss der historische Bohlendamm in Zukunft weichen: An der Stelle sollen Gas- und Stromleitungen verlegt werden. Unter der künftigen Stralauer Straße soll ein Teil der mittelalterlichen Holzkonstruktion unberührt bleiben.

Ab Ende Februar werden die ausgegrabenen Bauhölzer am Molkenmarkt zwischengelagert und weiter archäologisch begutachtet. Unter Fachaufsicht des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte wird der Bohlendamm konserviert – und könnte dann ausgestellt werden, entweder in einem Museum oder in einem archäologischen Fenster.


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