Berlin verstehen

Berlin um 1900 – 12 kuriose Bilder vom Beginn des 20. Jahrhunderts

In Berlin um 1900 standen die Menschen mit einem Bein noch in der alten Welt des Kaiserreichs und mit dem anderen bereits in der Zukunft. Pracht und Eleganz der Monarchie und eine klar geordnete Klassengesellschaft prallten auf technische Errungenschaften und eine rasante soziale und politische Entwicklung.

Wir sind in die Archive hinabgestiegen und haben 12 (teilweise) kuriose Bilder gefunden, die die Alltäglichkeiten, Attraktionen und Umwälzungen an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert illustrieren. Manches erscheint aus heutiger Sicht absurd, aber viele Dinge existieren in veränderter Form bis heute. So war Berlin um 1900!


Der Mann mit der Kamera

Berlin um 1900: Der Beginn der Straßenfotografie, hier noch als kolorierte Collage, um 1900. Foto: Imago/Kharbine Tapabor
Der Beginn der Straßenfotografie, hier noch als kolorierte Collage, um 1900. Foto: Imago/Kharbine Tapabor

Diese Collage ist naturgemäß konstruiert und doch zeigt sie eine Szenerie, die man heute eher für selbstverständlich halten würde. Ein Mann mit Kamera und Hund fotografiert vor einem Café, ein Pärchen läuft vorbei, im Hintergrund sieht man das urbane Treiben. Um 1900 war Fotografieren in Berlin eher die Ausnahme. Jetzt haben alle eine Kamera dabei und fotografieren ständig herum. Vor allem vor und in Cafés. Die Ergebnisse landen dann auf Instagram.


Ballons über Schmargendorf

Die Internationalen Ballon-Wettfahrten fanden 1908 in Schmargendorf statt. Foto: Imago/Kharbine Tapabor
Die Internationalen Ballon-Wettfahrten fanden 1908 in Schmargendorf statt. Foto: Imago/Kharbine Tapabor

Heißluftballons sind natürlich viel älter, die Franzosen stiegen schon vor ihrer Revolution in schwindelnde Höhe. Aber auch 1908 sorgten die gewaltigen Luftfahrzeuge in Berlin für Aufruhr. Auf den damals noch weitgehenden Feldern in Schmargendorf fand sich genug Platz, um die Piloten aus aller Herren Länder Willkommen zu heißen. Überhaupt waren Rennen in Berlin um 1900 sehr beliebt, und das hat sich kaum verändert. Würden heute Heißluftballons, sagen wir mal als Neuauflage von Flugshows auf dem Tempelhofer Feld, aufsteigen, Massen von Zuschauern wären garantiert!


Der Neue Markt

Der Neue Markt, Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Foto: Imago/Imagebroker
Der Neue Markt, Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Foto: Imago/Imagebroker

Die Geschichte des Neuen Markts geht zu den Anfängen Berlins zurück. Es ist der zweitälteste innerstädtische Marktplatz in Deutschland. Bis heute zeugen archäologische Ausgrabungen von der bald 800-jährigen Geschichte des Ortes. Die Illustration zeigt den Marktalltag, mitten in Alt-Berlin herrschte eine entspannte Atmosphäre. So weit weg ist die Situation aber gar nicht von der Stimmung auf den „modernen“ Wochenmärkten zwischen Kollwitz- und Winterfeldtplatz.


Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals

Berlin um 1900: Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals, 1903. Foto: Imago/Arkivi
Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals, 1903. Foto: Imago/Arkivi

Richard Wagner, der große deutsche Komponist, gilt spätestens seit dem Ende der NS-Ära zumindest in gewissen Kreisen als umstritten. Zwar wird Wagners Musik regelmäßig aufgeführt und wird auch im Radio gespielt, auch erinnern Straßen und Plätze an ihn, doch seine rassistischen Ansichten und die Huldigung seiner Person und seines Werkes seitens der Nazis, speziell von Hitler selbst, sind problematisch.

1903, bei der Enthüllung des ersten deutschen Richard-Wagner-Denkmals im Großen Tiergarten, wusste man von all dem natürlich noch gar nichts. Das Denkmal steht natürlich bis heute noch am angestammten Ort unweit des Berliner Botschaftsviertels.


Rixdorfs letzte Windmühle

Letzte Windmühle vor dem Abbruch, Rixdorf in Neukölln, um 1899. Foto: Imago/Arkivi
Letzte Windmühle vor dem Abbruch, Rixdorf, um 1899. Foto: Imago/Arkivi

Das alte Rixdorf ist ein Relikt inmitten des heutigen Neukölln. Alte Häuser, kleine Gassen, eine Schmiede und die Kirche sorgen für dörfliche Stimmung. In Berlin um 1900 prägte die Gegend um den Richardplatz tatsächlich noch die Landwirtschaft. Seit dem 18. Jahrhundert lebte hier die böhmischen Minderheit und hielt Vieh, bestellte Land und widmete sich dem Handwerk. Eine Mühle gab es im Böhmischen Dorf auch, doch damit war um 1900 Schluss, und schon bald verschwanden alle Windmühlen aus dem Berliner Stadtbild. Die Industrialisierung war auf dem Vormarsch.


Seilbahn in der Neuen Welt

Berlin um 1900: Die Drahtseilbahn im Berliner Vergnügungslokal "Die Neue Welt", um 1900. Foto: Imago/United Archives International
Die Drahtseilbahn im Berliner Vergnügungslokal „Die Neue Welt“, um 1900. Foto: Imago/United Archives International

Wie groß war die Begeisterung, als zur Internationalen Gartenausstellung 2017 in Marzahn eine Seilbahn in den Gärten der Welt eingerichtet wurde. Die Schlangen zum Einstieg waren endlos, jeder wollte mal mit dem ungewöhnlichen Beförderungsmittel den Kienberg hochfahren. In Berlin um 1900 war es nicht anders. In dem Vergnügungslokal „Die Neue Welt“, wurde zur Unterhaltung der Gäste eine Drahtseilbahn angelegt. Gut 120 Meter konnte man in den kleinen Gondeln zurücklegen.


In der Tunnelbahn unter der Spree hindurch

Berlin um 1900: Gruss von der Tunnelbahn unter der Spree in Treptow, 1904. Foto: Imago/Arkivi
Gruß von der Tunnelbahn unter der Spree in Treptow, 1904. Foto: Imago/Arkivi

Die ersten U-Bahnen fuhren in Berlin, zumindest teilweise, oberirdisch, doch spätestens um 1900 begann der massive Ausbau der Schächte für das Verkehrsmittel der Zukunft, das die Stadtbewohner seitdem schnell und sicher durch die ganze Stadt befördert. In Treptow, damals noch bei Berlin, gab es um 1900 bereits eine U-Bahn-Verbindung, die die Spree unterquerte. 15 Meter tief, 450 Meter lang, zwei Minuten Fahrzeit, so warb 1904 eine Postkarte für die Tunnelbahn.


Mond über Lichtenberg

Lichtenberg um 1901. Foto: Imago/Arkivi
Lichtenberg um 1901. Foto: Imago/Arkivi

Vor der Entstehung von Groß-Berlin im Oktober 1920 war das Herz der Stadt von kleineren Ortschaften, Gutsbezirken und Dörfern umgeben, aber eben auch von größeren Städten wie Schöneberg oder Charlottenburg. Auch Lichtenberg, ein bis heute etwas unterschätzter Bezirk, wurde erst durch die Eingemeindung zu einem Teil von Berlin. Das Bild zeigt die Gegend um die Frankfurter Chaussee bei Mondschein.


Bierseligkeit im Kaiserkeller

Urige Stimmung zwischen Bierfässern. Foto: Imago/Arkivi
Urige Stimmung zwischen Bierfässern. Foto: Imago/Arkivi

Alkohol gehört zu Berlin dazu, um 1900 war das genauso wie im 21. Jahrhundert. Das am meisten ausgeschenkte Getränk ist damals wie heute Bier. Viel verändert hat sich in dieser Hinsicht nicht. Zwar heißen heute die Hipster-Bars zwischen Kreuzberg und Neukölln nicht mehr Zur Molle oder Kaiserkeller, auch die Berliner Eckkneipe ist vom Aussterben bedroht, aber es gibt sie noch, und getrunken wird wie eh und je. Solche Gewölbe mit den riesigen Bierfässern gibt es aber kaum noch. Und wenn, dann sind es eher Kulissen für Touristen.


Artisten in der Hasenheide

Übungsplatz angehender Artisten in der Hasenheide bei Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Foto: Imago/Imagebroker
Übungsplatz angehender Artisten in der Hasenheide bei Berlin, Ende des 19. Jahrhunderts. Foto: Imago/Imagebroker

Die Hasenheide hat heute ihre eigenen Probleme. Drogen, Müll und illegale Partys setzen dem riesigen Park zwischen dem Tempelhofer Feld, Neukölln und Kreuzberg zu. Obwohl die Grünfläche erst in den 1930er-Jahren als Park angelegt wurde, nutzte man bereits in Berlin um 1900 das gut 50 Hektar große Areal für allerlei Freizeitbeschäftigungen.

Die Illustration zeigt junge Artisten, die sich in ihren Künsten üben und von der großen Karriere in Revuen oder im Zirkus träumen. Auch heute noch dürfte sich so mancher angehende Star in der Hasenheide aufs Rampenlicht vorbereiten.


Inkubatoren in der Berlin-Ausstellung

Berlin um 1900: Bei der Berlin-Ausstellung im Jahre 1896 schauen sich die neugierigen Berliner die neuste Errungenschaft der Technik an: Inkubatoren. Foto: Imago/United Archives International
Bei der Berlin-Ausstellung im Jahre 1896 schauen sich die neugierigen Berliner die neueste Errungenschaft der Technik an: Inkubatoren. Foto: Imago/United Archives International

Große Messen wie die Funkausstellung, Grüne Woche oder die ITB prägen bis heute Berlin. Auch um 1900 kamen Menschenmassen zu den Messen und Gewerbeausstellungen. Ab dem frühen 19. Jahrhundert nahm die Bedeutung der Berliner Gewerbeausstellung immer mehr zu. Die Illustration zeigt die Gewerbeausstellung vom Oktober 1896. Hier schauen sich die neugierigen Berliner die neueste Errungenschaft der Technik an: Inkubatoren.


Zentrale der Kommunikation

Die Berliner Telefonschaltzentrale um 1904. Foto: Imago/World History Archive
Die Berliner Telefonschaltzentrale um 1904. Foto: Imago/World History Archive

Dass wir heute ständig und überall mit der ganzen Welt kommunizieren können, war um 1900 noch alles andere als selbstverständlich. In Berlin beginnt die Geschichte der massentauglichen Telekommunikation um 1881. Damals erschien auch die erste öffentliche Übersicht mit Telefonnummern. Sie hieß „Verzeichnis der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten“ und war eine frühe Form des Telefonbuchs. Das Foto zeigt die sperrige Berliner Telefonschaltzentrale um 1904.


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Wir begeben uns auf die Spuren der Stadtgeschichte: Unsere historischen Artikel über berühmte Straßen in Berlin findet ihr hier. Berühmt ist auch ein Ort im Zentrum: Wir unternehmen eine fotografische Zeitreise zum Alexanderplatz. Faszinierende Zeugnisse der Geschichte sind auch diese 12 historischen Karten Berlins.

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