Berlin 1975. Das ICC wird gebaut und auch der Palast der Republik, am Alexanderplatz blüht das pralle sozialistische Leben, und in West-Berlin wird der CDU-Politiker Peter Lorenz von linken Terroristen entführt. Ansonsten verläuft das Jahr in geordneten Bahnen. Vor der Kongresshalle plätschert der Springbrunnen, das Deutsch-Französische Volksfest zieht Tausende Schau- und Feierlustige an, und ab sofort ist das Olympiastadion teilüberdacht. Hier blicken wir auf Berlin im Jahr 1975 zurück.
Haus der Kulturen der Welt
Erbaut Mitte der 1950er-Jahre, prägte die Kongresshalle noch 20 Jahre später die Stadt, 1975 prägte der futuristische Bau den Tiergarten. Einige Jahre später sollte die spektakuläre Dachkonstruktion einstürzen, aber das ist eine andere Geschichte.
Berlin 1975: Das ICC wird gebaut

Ein gigantisches Gewächshaus, Wohnhäuser oder ein Museum: Das sind einige der Pläne, mit denen das raumschiffartige Internationale Congress Centrum (ICC) aus dem mittlerweile siebenjährigen Schlaf geweckt werden sollte. Doch bis auf eine temporäre Nutzung als provisorische Flüchtlingsunterkunft hatte sich in der Hightech-Architektur-Ikone von 1979 bislang nichts getan. 1975 befand sich der einem Raumschiff gleichende Komplex noch im Bau. Über Architektur-Höhepunkte im West-Berlin zur Zeit der Teilung lest ihr hier mehr.
Entführung von Peter Lorenz (CDU)
Die 1970er-Jahre stellten die westdeutsche und die West-Berliner Polizei vor völlig neue Herausforderungen. Die Radikalisierung der linken Szene und die Gründung von terroristischen Gruppen wie der RAF und der Bewegung 2. Juni schufen eine bisher nie dagewesene Bedrohung. Wenige Tage vor der Abgeordnetenwahl, am 27. Februar 1975, entführten Mitglieder der Bewegung 2. Juni, einer in West-Berlin gegründeten linksextremistischen Gruppe, den Vorsitzenden der Berliner CDU Peter Lorenz.
Lorenz sollte gegen inhaftierte Terroristen ausgetauscht werden, darunter Horst Mahler und Verena Becker. Anfang März kam es zu dem Austausch. Die Gefangenen wurden in den Südjemen ausgeflogen. Lorenz, der unter anderem in der Kreuzberger Schenkendorfstraße gefangen gehalten wurde, kam am 4. März 1975 frei. Tatort Berlin: Legendäre Kriminalfälle und Verbrecher
Palast der Republik
Noch im Bau: Der Palast der Republik, der auf dem Platz des alten Berliner Stadtschlosses stand, ist vermutlich das berühmteste Gebäude in Berlin, das verschwunden ist. Der Prunkbau der DDR fungierte ab 1976 als Sitz der Volkskammer. Wegen der opulenten Innenbeleuchtung bekam er im Volksmund den Beinamen „Erichs Lampenladen“, einige Originallampen kann man heute übrigens in dem Friedrichshainer Veranstaltungsort Astra bewundern.
Olympiastadion
Nachdem bereits 1974 eine Teilüberdachung erfolgte, wurde erst Jahre später ein alle Ränge umfassendes Dach mit durchgängigem Flutlicht angebracht – dieser sogenannte „Feuerring“ wurde zum Kennzeichen des Olympiastadions. Mehr zu der historischen Sportstätte: Olympiastadion Berlin – Fußball, Geschichte und Größenwahn.
Sowjetisches Ehrenmal Treptow
Seit seiner Eröffnung war das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park Schauplatz von Demonstrationen. Schon zu DDR-Zeiten kam es zu Anschlägen auf Teile der Anlage, die Rechtsradikalen zugerechnet wurden, vereinzelte Akte von Vandalismus gibt es bis in die jüngste Vergangenheit. Zur Wendezeit versammelten sich hier 250.000 Menschen zu einer Großdemonstration gegen Neo-Nazis.
Spreebogen mit der Mauer
Als 1961 die Mauer rund um West-Berlin gebaut wurde, gehörte die Spree zum Teil des innerstädtischen Grenzverlaufs. Die Ufer auf Ost-Berliner Seite wurden mit den markanten Grenzanlagen und der Betonmauer geschützt. Die Mauer stand auf zwei längeren Abschnitten. Einmal am Ufer zwischen Friedrichshain und Kreuzberg und etwas weiter westlich, zwischen Mitte und Tiergarten.
Gedenkkreuze für die Maueropfer
Bei Fluchtversuchen sind zwischen 1961 und 1989 auch immer wieder Menschen in der Spree ertrunken oder wurden beim Überqueren von den Grenzsoldaten der NVA erschossen. Heute erinnert die East Side Gallery an die Berliner Mauer an der Spree. 1975 wurden in West-Berlin auch Kreuze an der Mauer angebracht, die an die Maueropfer erinnerten.
Olympisches Gedenken
Leichtathletikmeeting ISTAF 1975, hier posieren internationale Athleten vor der Gedenktafel der Olympischen Spiele 1936: V.li.: Steven Riddick (USA), Foster (USA), Don Quarrie (Jamaika), Steve Williams (USA), Mike Boit (Kenia), James Bolding (USA) und Rodney Dixon (Neuseeland).
Deutsch-Französisches-Volksfest
West-Berlin war in den amerikanischen, britischen und französischen Sektor unterteilt. Die in der Mauerstadt stationierten Soldaten prägten die Stimmung in den jeweiligen Bezirken. Es gab spezielle Radiosender, Einkaufsläden, Kinos und Discos, die von den Alliierten gegründet, verwaltet und auch genutzt wurden. In Reinickendorf feierten die Franzosen in der Nähe des Flughafens Tegel einmal im Jahr die Freundschaft beider Länder mit dem Deutsch-Französischen-Volksfest. Mit Rummelplatz, kulinarischen Spezialitäten und einem Kulturprogramm. Zwar existiert das Fest immer noch, aber die Bedeutung von einst hat es nicht mehr. Und beim Deutsch-Amerikanischen-Volksfest zelebrierten die West-Berliner ihre Begeisterung für die USA. Also für Popcorn, Hamburger und Hotdogs.
Denkmal für Ernst Thälmann
Ernst Thälmann thront als steinernes Abbild an der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg. Die Hochhäuser rund um den nach dem 1944 im KZ Buchenwald ermordeten KPD-Politiker benannten Park stehen inzwischen unter Denkmalschutz. Man hat bei der Errichtung der neuen Wohngegend in den 1970er-Jahren auch an Kultur gedacht, so gehören zu den Wohnungen für 4000 Menschen auch Kultureinrichtungen zum Areal – darunter auch das Theater unterm Dach (TuD), die kommunale Spielstätte des Bezirks.
Alexanderplatz
Während die alten preußischen Prunkstraßen und Plätze im Ostteil der Stadt unrenoviert oder im kümmerlichen Zustand vor sich hin vegetierten, blühte der Alexanderplatz auf. Hier wurden die Verheißungen des Sozialismus für einen Moment wahr. Die farbenfrohen Mosaike an den Fassaden, die hell erleuchteten Geschäfte, allen voran das Centrum Warenhaus, der futuristische Fernsehturm und das neue Wahrzeichen des Platzes schlechthin, die Weltzeituhr, standen für eine der Zukunft zugewandte Gesellschaft, die dem Kapitalismus trotzte und stolz auf ihre Errungenschaften war.
So sah es zehn Jahre zuvor in der Stadt so aus: Berlin 1965 in Bildern: Europa Center, Passierscheine und Kosmonauten. Noch einmal zehn Jahre zuvor: Berlin 1955 in Bildern: Charlottenburg, Willy Brandt und Sommerbäder. Und hier spüren wir legendären Berliner Bühnen nach: Theater und Opernhäuser, die es nicht mehr gibt. Wir erzählen die Geschichte vom Berliner Schloss zum Humboldt Forum in Fotos. Auch sehenswert ist die Fotogalerie mit Bildern vom Kriegsende 1945 und denselben Orten in der Gegenwart. Ein ganzes Jahrzehnt im Blick: So poppig-bunt war Berlin in den 1970er-Jahren. Mehr zur Geschichte Berlins lest ihr in dieser Rubrik.