Berlin verstehen

Berlin 1993: Tacheles, Loveparade und russischer Abzug

Berlin 1993, die frisch wiedervereinigte Stadt erfindet sich neu. In Mitte experimentieren Künstler im Tacheles, bei der Loveparade feiern tausende Raver, die Hertha-Amateure ziehen ins DFB-Pokalfinale und die Russen ziehen langsam aber sicher ab. Hier blicken wir in 12 Fotos auf das Jahr 1993 in Berlin zurück.


Kunsthaus Tacheles

Hof des Kunsthauses Tacheles in Berlin,1993. Foto: Imago/Ecomedia/Robert Fishman
Hof des Kunsthauses Tacheles in Berlin,1993. Foto: Imago/Ecomedia/Robert Fishman

Nach der Wende begann der Kampf um die Immobilien, viele Eigentumsverhältnisse waren ungeklärt, die Treuhand verwaltete die staatseigenen Betriebe, es gab aber Leerstand und dadurch Möglichkeiten für alternative Lösungen. Eine Künstlerinitiative besetzte die halb abgerissene Ruine der einstigen Friedrichstraßenpassage sowie das dazugehörige Areal und gründete darin das Künstlerhaus Tacheles mit Kino, Theater, Konzertsaal und Ateliers. Das Projekt bestand bis 2012. Heute gehört der Ort zu den größten Bauprojekten der Stadt. Finanzkräftige Investoren errichten dort einen Stadtblock mit Büro- und Geschäftsräumen sowie zahlreichen Kulturinstitutionen.


Hertha BSC II triumphiert

Hertha-Amateure feiern den Sieg gegen den Chemnitzer FC im Halbfinale des DFB-Pokals. Foto: Imago/Camera 4
Hertha-Amateure feiern den Sieg gegen den Chemnitzer FC im Halbfinale des DFB-Pokals. Foto: Imago/Camera 4

Der DFB-Pkal 1993 sorgte für einige Überraschungen. So erreichten folgende vier Mannschaften das Halbfinale des Wettbewerbs: Eintracht Frankfurt, Bayer 04 Leverkusen, Chemnitzer FC und Hertha BSC (A). Das (A) steht hier für Amateure, es war die Zweitmannschaft des Hauptstadtclubs. Und dann passierte am 31. März 1993 das Wunder, die Amateur-Herthaner gewannen ihr Halbfinale gegen Chemnitz und zogen ins Pokalfinale. Die Freude war, wie man dem Foto entnehmen kann, gewaltig. Leider verloren die Berliner das Finale mit 0:1 gegen Leverkusen. Eine historische Leistung war es allemal!


Megabaustelle in der Friedrichstraße

Baustelle der Friedrichstadt-Passagen in der Friedrichstraße. Foto: Imago/Detlev Konnerth
Baustelle der Friedrichstadt-Passagen in der Friedrichstraße. Foto: Imago/Detlev Konnerth

Noch vor dem Mauerfall planten die zuständigen Ost-Berliner Behörden einen Ausbau der Friedrichstraße zwischen Checkpoint Charlie und Oranienburger Tor. Zentrales Projekt waren dabei die neuen Friedrichstadtpassagen, ein gewaltiger Komplex für Gewerbe und Dienstleistung. Zum Zeitpunkt des Mauerfalls befand sich das Projekt im Rohbau, etwa 60 bis 70 Prozent der Arbeiten waren abgeschlossen. Das war dem französisch-amerikanischen Konsortium, das die Immobilie für 85 Millionen D-Mark kaufte, ziemlich egal. Man ließ den DDR-Bau 1992 abreißen.


Stadtschloss-Attrappe

Noch nichts vom Stadtschloss zu sehen. Foto: Imago/Teutopress
Noch nichts vom Stadtschloss zu sehen. Foto: Imago/Teutopress

Die Zukunft des heutigen Schloßplatzes (damals noch Marx-Engels-Platz) war noch ungewiss. 1993 baute man eine Attrappe des Berliner Stadtschlosses auf. Der Umgang mit dem Palast der Republik war zugleich von kontroversen Debatten begleitet. Am Ende setzten sich die Kritiker:innen des DDR-Erbes durch: Ab 2006 wurde der zu diesem Zeitpunkt bereits entkernte Bau abgerissen. Der Palast der Republik ist somit eines von vielen Gebäuden, die aus dem Stadtbild verschwunden sind. Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses, schon 1992 im Bundestag beschlossen, begann 2013.


Abzug der Russen

Verladung von russischen T-70 Panzern in Adlershof. Foto: Imago/Christian Thiel
Verladung von russischen Panzern in Adlershof. Foto: Imago/Christian Thiel

Im August 1994 zogen die letzten russischen Soldaten in Deutschland ab. Die Vorbereitungen dafür zogen sich über mehrere Jahre. So auch 1993 als, wie hier auf dem Bild zu sehen, die Panzer in Adlershof verladen wurden. Die Bilder erinnern an düstere Zeiten und den Kalten Krieg.


Friseursalon in der Oderberger Straße

Der Geist des alten Prenzlauer Berg in Berlin des Jahres 1993. Foto: Imago/Dieter Matthes
Der Geist des alten Prenzlauer Berg in Berlin des Jahres 1993. Foto: Imago/Dieter Matthes

Prenzlauer Berg in den 1990er-Jahren: Die Oderberger Straße und Kastanienallee gehörten schon bald zu den beliebtesten Wohngegenden in Prenzlauer Berg. Dazu kamen noch die Kieze um den Kollwitz- und den Helmholtzplatz. Man ging auf Partys in besetzten Häusern, trank Kaffee im Schwarzsauer und hing im verwahrlosten Mauerpark rum, wo an der Ecke eine Bude stand, in der ein obskurer Club namens St. Kilda Tipps Drill eine temporäre Behausung fand.


Loveparade 1993

Raver feiern auf der Berliner Loveparade 1993. Foto: Imago/PEMAX
Raver feiern auf der Berliner Loveparade 1993. Foto: Imago/PEMAX

1993 wurde der fünfte Geburtstag gefeiert – es kamen schon rund 30.000 Menschen. Die Loveparade hatte sich ihr Standing erarbeitet wurde inzwischen auch bundesweit beachtet. Sonnenblumen und knallige Farben gehörten dazu. Loveparade: Foto-Zeitreise durch die legendären Berlin-Jahre der Techno-Demo.


NOlympia Berlin

"Volxsport Statt Olympia", Transparent an einer kaputten Hauswand im Prenzlauer Berg. Foto: Imago/IPON
„Volxsport Statt Olympia“, Transparent an einer kaputten Hauswand im Prenzlauer Berg. Foto: Imago/IPON

In den 1980er-Jahren galt Kreuzberg als linksradikale Trutzburg. Häuser wurden besetzt und so vor dem Abriss bewahrt, es entstanden alternative Strukturen und der 1. Mai kulminierte in Straßenschlachten mit der Polizei. Nach der Wende wanderten Teile der linken Szene in den Ostteil der Stadt ab. Viele Altbauten in Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain waren damals marode und standen leer. Auch dort gab es Besetzungen, Demos, Räumungen und Straßenschlachten.


Sommerbad am Insulaner 

Badespaß im Sommerbad am Insulaner, 1993. Foto: Imago/Eventpress/Henry H. Herrmann
Badespaß im Sommerbad am Insulaner, 1993. Foto: Imago/Eventpress/Henry H. Herrmann

Das Sommerbad am Insulaner hat einiges zu bieten, auch schon 1993. Hier gibt es ein 50-Meter-Becken, ein Spaßbecken mit Wasserrutsche, Babybecken sowie eine Sprunganlage mit Drei-Meter Sprungbrett und Fünf-Meter Plattform. Zusätzlich sorgen der Spielplatz mit Klettergerüst und Tischtennisplatten für Vergnügen abseits des Wassers. Mehr Berliner Freibäder stellen wir hier vor.


Berliner Autogegner

Autos raus aus der Stadt! Berlin, 1993. Foto: Imago/Harald Almonat
Autos raus aus der Stadt! Berlin, 1993. Foto: Imago/Harald Almonat

Schon 1993 stand der Autoverkehr in Berlin in der Kritik. Zwar war von der Mobilitätswende noch wenig bekannt und auch Elektroautos eine gewagte Zukunftsvision. Doch die stinkenden Blechkarren sorgten bei einigen Berlinern für Unmut.


Stadion der Weltjugend

Das leere Stadion der Weltjugend, Oktober 1993. Foto: Imago/Kohlmeyer
Das leere Stadion der Weltjugend, Oktober 1993. Foto: Imago/Kohlmeyer

Das Stadion der Weltjugend wurde 1950 als Walter-Ulbricht-Stadion errichtet, benannt nach dem spitzbärtigen DDR-Staats- und SED-Parteichef. Im Volksmund hieß das mit einem Fassungsvermögen von 70.000, später 50.000 Zuschauern größte Stadion Ost-Berlins daher „Zickenwiese“. Als sich Berlin im Wiedervereinigungstaumel um die Austragung der Olympischen Spiele 2000 bewarb, wurde das marode Stadion in den Jahren 1992 bis 1994 abgerissen.


Blick auf die Oberbaumbrücke

Teile des Osthafens mit Blick auf die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm, 1993. Foto: Imago/Detlev Konnerth
Teile des Osthafens mit Blick auf die Oberbaumbrücke und den Fernsehturm, 1993. Foto: Imago/Detlev Konnerth

Die 1990er-Jahre waren in Friedrichshain eine Zeit kurz vor dem Umbruch. Nach dem Fall der Mauer gerieten erst einmal Mitte und Prenzlauer Berg in den Fokus der Künstler, Partymacher und bald auch der Investoren. 


Mehr zum Thema

1993 reicht nicht? So sah es zehn Jahre früher aus, hier geht es ins Berliner-Jahr 1983, hier ins turbulente Berliner-Jahr 1973 und hier nach Berlin im Jahr 1963, zu Hilde Knef, JFK-Besuch, und noch mal zehn Jahre früher Berlin 1953: 12 Fotos der Stadt – Aufstand am 17. Juni, Hollywood und Knautschke. Mehr zur Geschichte Berlins lest ihr in dieser Rubrik.

Tip Berlin - Support your local Stadtmagazin