Berlin verstehen

Berlin, 2001: Loveparade, Pechstein, Pixelpark und der Terror in New York

Berlin, 2001: Die politischen Weichen werden umgestellt, Eberhard Diepgen (CDU) verliert die Wahl, der SPD-Politiker Klaus Wowereit wird Regierender Bürgermeister, und mit der Einweihung des neuen Kanzleramts, ist auch der Hauptstadtbetrieb endgültig in Berlin angekommen. Wirtschaftlich stehen die Zeichen auf New Economy, doch die Blase droht zu platzen, was sich am prominenten Beispiel Pixelpark zeigt. Die Berlinale bekommt mit Dieter Kosslick einen neuen Chef. Und am Großen Stern dröhnen im Sommer die Technobeats: Bei der Loveparade tanzen wieder Hunderttausende, auch wenn die Euphorie der 1990er-Jahre etwas nachlässt. Im Herbst ist die Partystimmung jedoch vorbei, nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York verfällt auch Berlin in Schockstarre. Diese 12 Fotos schicken Euch auf eine Reise ins Berlin des Jahres 2001.


Liebesbriefe am Postfuhramt

Das Postfuhramt in der Oranienburger Straße verkleidet mit Liebesbriefen. Foto: Imago/Rolf Zöllner
Das Postfuhramt in der Oranienburger Straße verkleidet mit Liebesbriefen. Foto: Imago/Rolf Zöllner

1995 war es hier an der Ecke Oranienburger und Tuckolskystraße mit dem Postbetrieb vorbei, 2005 wurde das ehemalige Postgebäude verkauft. Spektakulär war vor allem eine Installation, bei der 2001 das Haus von HA Schult mit Tausenden Liebesbriefen verhüllt wurde – und die Zwischennutzung als Kunstort. Zeitweise war im Alten Postfuhramt das Fotografie C/O Berlin untergebracht, das aber mittlerweile an der Hardenbergstraße eine dauerhafte Bleibe gefunden hat. Das Gebäude gehört heute einem medizintechnischen Unternehmen.


Abriss des Palasthotels

Abriss des Palasthotels in Berlin-Mitte, Mai 2001. Foto: imago/Rüttimann
Abriss des Palasthotels in Berlin-Mitte, Mai 2001. Foto: imago/Rüttimann

Es war eine der feinsten Adressen in Ost-Berlin. An der Karl-Liebknecht-Straße Ecke Spandauer Straße ragte ab 1979 das Palasthotel in den sozialistischen Himmel. Die Betonfassade war mit bernsteinfarbenen Fenstern durchsetzt, es gab mehrere Bars und Restaurants. Besser unterkommen konnte man nirgends im SED-Staat. Die Radisson-SAS-Gruppe übernahm das Haus nach der Wende, dennoch wurde 2001 das Gebäude abgerissen. Beim Abbau fand man unter den Fundamenten eine amerikanische Fliegerbombe.


 Claudia Pechstein durchbricht die Schallmauer

Claudia Pechstein, 2001. Foto: Imago/Höhne
Claudia Pechstein, 2001. Foto: Imago/Höhne

Das Unheimlichste am Jahr 2001 ist ja: Wenn man „vor 20 Jahren“ sagt, dann ist es kein Datum in den 1980er- oder 1990er-Jahren, sondern eben 2001. Damals durchbrach eine flotte Berlinerin eine Schallmauer. Beim Eisschnelllauf-Weltcup-Finale in Calgary blieb Claudia Pechstein über 3000 Meter als erste Frau unter vier Minuten. Im Berliner Sport konnte auch Hertha BSC 2001 feiern, damals gewann die Mannschaft immerhin den DFL-Ligapokal.


Dieter Kosslick wird Berlinale-Chef

Dieter Kosslick mit Begleitung, 2001. Foto: Imago/ Future Image
Dieter Kosslick mit Begleitung, 2001. Foto: Imago/Future Image

Fast 20 Jahre war Dieter Kosslick der Direktor der Berlinale, 2001 begann seine Ära. Als Leiter eines der wichtigsten Filmfestivals der Welt erwarb er sich in dieser Zeit viele Sympathien, wurde aber auch kritisiert. Einige Forderten mehr Klarheit im Programm, andere echauffierten sich an den immer mehr Sparten und einer allgemeinen Eventisierung der Festspiele. In seinen Memoiren „Immer auf dem Teppich bleiben“ blickt Kosslick auf seine Berlinale-Zeit (und nicht nur) zurück.


Eröffnung des Kanzleramts

Das neue Kanzleramt mit einer Skulptur von Eduardo Chillida. Foto: Imago/Henry H. Herrmann/Eventpress
Das neue Kanzleramt mit einer Skulptur von Eduardo Chillida. Foto: Imago/Henry H. Herrmann/Eventpress

2001 hieß der Bundeskanzler noch Gerhard Schröder, im Mai konnte der SPD-Politiker in sein neues Wohn- und Arbeitsgebäude ziehen: das Bundeskanzleramt. Die Stahlskulptur des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida vor dem Haupteingang Gebäude gehört zu den bekanntesten Kunstwerken im Stadtraum. Die schlicht mit „Berlin“ betitelte Arbeit ist wohl das prominenteste Beispiel moderner Plastik in der Hauptstadt.


Klaus Wowereit ist schwul und das ist gut so

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Wowereit (Mitte) wurde von den Delegierten zum Spitzenkandidaten für den Bürgermeisterposten gekürt, 10. Juni 2001. Foto: Imago/Christian Ditsch
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Wowereit (Mitte), wurde von den Delegierten zum Spitzenkandidaten für den Bürgermeisterposten gekürt, 10. Juni 2001. Foto: Imago/Christian Ditsch

Wenige Tage vor seinem Wahlsieg, am 9. Juni 2001, sagte Klaus Wowereit einen Satz, der in die Geschichte eingehen sollte: „Ich bin schwul und das ist auch gut so!“. Kurz darauf begann die Ära Wowereit. Der Tempelhofer SPD-Politiker regierte von 2001 bis 2014 im Roten Rathaus. Unter dem stets gut gelaunten Wowereit stieg Berlin von einer sich neu orientierenden und verschuldeten Pleitestadt zu einer schillernden Metropole auf. „Berlin war 2001 in einer depressiven Phase, ein Grauschleier zog sich über die Stadt. Eine Käseglocke, wo man nicht nur schöne Gerüche hatte. Ich hoffe, ich habe dazu beigetragen, das zu durchlüften“, sagte Klaus Wowereit 2018 im tipBerlin-Gespräch anlässlich des Erscheinens seiner Erinnerung „Sexy, aber nicht mehr so arm: Mein Berlin“.


Die New-Economy-Blase: Pixelpark stürzt ab

Paulus Neef, Vorstandsvorsitzender der Pixelpark AG. Foto: Imago/Götz Schleser
Paulus Neef, Vorstandsvorsitzender der Pixelpark AG. Foto: Imago/Götz Schleser

Paulus Neef (Foto) war der Berliner Pionier und Star der Internet-Branche. 1991 gründete er gemeinsam mit dem Mediendesigner Eku Wand die Werbe- und Digitalagentur Pixelpark. Das Unternehmen bot Dienstleistungen im digitalen Bereich an, etwa Multimedia-Anwendungen, CD-ROMs, Webseiten und Webshops. 1999 ging Pixelpark an die Börse, man träumte von einem Erfolg im Silicon-Valley-Stil. Doch Berlin war nicht Kalifornien und Neef kein Steve Jobs. Der neue Markt brach 2001/2002 zusammen und Pixelpark verlor nach und nach an Bedeutung. Nach einem Kurshoch im Jahr 2002, als die Aktie bei gut 100 Euro lag, ging es kontinuierlich abwärts. 2021 lag der Wert bei etwas über zwei Euro.


Loveparade 2001

Spaciger Raver auf einem Truck bei der Loveparade 2001. Foto: Imago/Sven Lambert
Spaciger Raver auf einem Truck bei der Loveparade 2001. Foto: Imago/Sven Lambert

Die Loveparade wurde schon Anfang der 1990er-Jahre zu groß für den Ku’damm, die Anwohner beschwerten sich über den Lärm, den Müll, verstopfte Nebenstraßen. Umzug also bis zum Brandenburger Tor – die legendären Bilder der vollen Straße des 17. Junis gingen um die Welt und manifestierten Berlin in der internationalen Wahrnehmung als eine Party-Hauptstadt. 1997 wurde die Million bei den Besucherzahlen geknackt, auch 2001 feierten Hunderttausende zum Technobeat. 


11. September 2001, Terror in New York

Mahnwaxche vor der US-Botschaft. Berlin am 11. September 2001. Foto: Imago/Seeliger
Mahnwache vor der US-Botschaft. Berlin am 11. September 2001. Foto: Imago/Seeliger

Der 11. September 2001 ließ Berlin und die Welt für einen Moment still stehen. Die Terroranschläge von New York und Washington gehören seitdem zu den einprägsamsten Ereignissen des 21. Jahrhunderts. Danach war nichts mehr, wie es war. Es gibt wenige Tage in der Geschichte, an die sich alle erinnern, die alt genug sind, um sich zu erinnern. In Berlin sahen die Menschen die Anschläge live im Fernsehen, in Büros mit den Kollegen, zuhause mit der Familie und Freunden oder allein. Noch am gleichen Tag versammelten sich viele Menschen bei der Mahnwache vor der US-Botschaft in Mitte. Sie brachten Blumen, selbstgemachte Plakate und amerikanische Flaggen mit und zündeten Kerzen an. 


Demonstration gegen Rechts

Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Oranienburger Straße am 1.1 Dezember 2001. Foto: Imago/Camera4
Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Oranienburger Straße am 1. Dezember 2001. Foto: Imago/Camera4

Zahlreiche Fälle von Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Aufmärsche von rechtsradikalen Gruppierungen brachten Zigtausende auf die Straße. Ein breites „Bündnis gegen Rechts“ formierte sich im ganzen Land. Am 1. Dezember demonstrierten viele Berliner und Berlinerinnen in der Oranienburger Straße vor der Neue Synagoge.


Eröffnung der Botschaft der Volksrepublik China

Die Botschaft der Volksrepublik China in Berlin-Mitte, 2001. Foto: Imago/Henry H. Herrmann/Eventpress
Die Botschaft der Volksrepublik China in Berlin-Mitte, 2001. Foto: Imago/Henry H. Herrmann/Eventpress

2001 wurde am Märkischen Ufer in Berlin die neue Botschaft der Volksrepublik China eröffnet. Das ehemalige DDR-Kongresszentrum wurde in den 1990er-Jahren von China gekauft und zur größten Botschaft des Landes ausgebaut. Mehr China in Berlin geht nicht! Nach Russland ist sie zudem die zweitgrößte Botschaft in Berlin. Bei der Eröffnung waren damals Chinas Vizepräsident Hu Jintao und der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) anwesend.


Silvester am Brandenburger Tor

Silvester am Brandenburger Tor. Foto: Imago/Günter Schneider
Silvester am Brandenburger Tor. Foto: Imago/Günter Schneider

Trotz des Schocks nach den Anschlägen auf das World Trade Center feierten die Berliner und Berlinerinnen Silvester wieder am Brandenburger Tor. Damit endete das erste Jahr im dritten Jahrtausend. Berlin hatte einen neuen Regierenden Bürgermeister, einen neuen Berlinale-Chef, die Mieten waren noch sagenhaft günstig und in Prenzlauer Berg begann der Baby-Boom. Das war das Jahr 2001 in Berlin.


Mehr Berlin verstehen

Lust auf mehr Geschichte?Hier geht es auf eine Reise ins Berlin des Jahres 1971. Zehn Jahre später: So sah die geteilte Stadt 1981 aus. Und auch das Jahr 1991 haben wir uns genauer angeschaut. Immer neue spannende Geschichten aus der Geschichte Berlins findet ihr hier. So war das Leben in dder Hauptstadt der DDR: 12 Dinge, die jeder kennt, der in Ost-Berlin der 1980er gelebt hat. In Berlin gibt es Orte, die legendär sind und nicht mehr existieren. Eine Auswahl findet ihr hier. Neu in Berlin? Dann herzlich willkommen. Damit dieses Willkommen auch herzlich bleibt, hätten wir hier ein paar gute Tipps für Zugezogene.

Berlin am besten erleben
Dein wöchentlicher Newsletter für Kultur, Genuss und Stadtleben
Newsletter preview on iPad