Berlin verstehen

Alltag unter dem Hakenkreuz: Fotos aus Berlin im Dritten Reich

Auch im Dritten Reich ging der Alltag in Berlin weiter. Doch Hitler und seine NSDAP drangen ab 1933 in nahezu jeden Bereich des Lebens ein. Juden und Jüdinnen wurden diskriminiert, enteignet und gedemütigt, die Nazis verfolgten Sozialisten, Kommunisten und andere politische Gegner, viele Künstler und Intellektuelle gingen ins Exil, Zeitungen wurden geschlossen und die restlichen Medien gleichgeschaltet. In den Theatern änderte sich das Repertoire, auf den Konzertbühnen erklangen andere Töne. Fremde und „entartete“ Kultur wurde verboten, der Geist der Weimarer Republik verschwand und die NS-Ideologie bestimmte fortan den Rhythmus der Stadt. Nur die Olympischen Spiele von 1936 sorgten für etwas Abwechslung. Wir zeigen 12 Fotos aus den Jahren 1933 bis 1939 – Den Berliner Alltag im Schatten des Hakenkreuzes.


Schupos durchsuchen eine Kneipe

Berlin im Dritten Reich: Die Schutzpolizei durchsucht einen Laden in Berlin, 1933. Foto: Imago/Photo12/Archives Snark
Die Schutzpolizei durchsucht einen Laden in Berlin, 1933. Foto: Imago/Photo12/Archives Snark

Mit der Machtübernahme der Nazis begann der Terror. Die braune „Hilfspolizei“ SA drangsalierte die Berliner Juden und auch die regulären Polizeibeamten beteiligten sich an den Aktionen. Neue Gesetze schränkten das Leben ein und Vergehen gegen die NS-Ideologie wurden drastisch sanktioniert. Viele Menschen verloren ihre Arbeit, Unternehmer durften nicht mehr wie zuvor wirtschaften, es gab Enteignungen, Verhaftungen und Angst bestimmte die Stimmung in der Stadt.


Propaganda auf der Fahrbahn

"Mit Hitler für Frieden und Gleichberechtigung" – Propaganda der NSDAP in Berlin, 1933. Foto: Imago/ZUMA/Keystone
„Mit Hitler für Frieden und Gleichberechtigung“ – Propaganda der NSDAP in Berlin, 1933. Foto: Imago/ZUMA/Keystone

Die NS-Propaganda wurde ab 1933 zum ständigen Begleiter im Alltag. Hakenkreuze, Adler, Runen und Transparente, Plakate und Bilder, die die Politik der NSDAP priesen, waren allgegenwärtig. Der Umbau der Demokratie zur Diktatur begann sofort nach Hitlers Wahlsieg. Joseph Goebbels, Hitlers berüchtigter Reichspropagandaleiter, war für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich und tobte sich vor allem in der Reichshauptstadt Berlin aus. Ein Leben jenseits der Politik war kaum mehr möglich.


Rund ums Reichsluftfahrtministerium

Berlin im Dritten Reich: Das Reichluftfahrministerium an der Wilhelmstraße um 1937. Heute nutzt das Bundesministerium der Finanzen das Gebäude. Foto: Imago/Arkivi
Das Reichluftfahrministerium an der Wilhelmstraße um 1937. Heute nutzt das Bundesministerium der Finanzen das Gebäude. Foto: Imago/Arkivi

Das totalitäre Nazi-Regime bestimmte auch die Architektur. Das beweist unter anderem das monumentale Bürohaus in der Wilhelmstraße in Mitte. Es wurde 1935/36 auf Geheiß Hermann Görings von dem der NSDAP nahestehenden Architekten Ernst Sagebiel entworfen und entsprach der visuellen Überwältigungsarchitektur, die die Nazis bevorzugten. Anfangs beherbergte der Bau das Reichluftfahrministerium, nach dem Krieg zog die Sowjetische Militäradministration in den Nazi-Bau, später der Volkswirtschaftsrat der DDR. Man nannte das Gebäude fortan „Haus der Ministerien“ und ließ die Wandreliefs, die marschierende Wehrmachtsoldaten zeigten, durch sozialistische Motive austauschen. Heute ist das Gebäude Sitz des Bundesfinanzministeriums.


Am Strandbad Wannsee

Auch in den 1930er-Jahren zog es die Badenden bei heißen Temperaturen massenweise zum Strandbad Wannsee. Foto: Imago/Arkivi
Auch in den 1930er-Jahren zog es die Badenden bei heißen Temperaturen massenweise zum Strandbad Wannsee. Foto: Imago/Arkivi

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden immer mehr Konflikte zwischen politischen Gruppen auch am Strand ausgetragen, was den Ruf des Erholungsortes schädigte. Der Druck auf Sozialdemokraten wie Hermann Clajus, den Geschäftsführer des sehr beliebten Strandbads Wannsee, wuchs und bevor das Bad eingenommen werden konnte, beendete er 1933 sein Leben selbst. Für jüdische Menschen war der Zutritt da bereits verboten – mit einer Ausnahme: die Zeit der Olympischen Spiele. Da sollte Weltoffenheit demonstriert werden. Die Nazi-Ideologie nahm den Strand immer mehr ein: Die Organisation „Kraft durch Freude“ bot am Wannsee Gymnastikkurse an und Wehrmachts- und SA-Kapellen gaben den Ton an. 


Show im Wintergarten

Show auf der Bühne des Wintergartens, 1935. Foto: Imago/Arkivi
Show auf der Bühne des Wintergartens, 1935. Foto: Imago/Arkivi

In der Weimarer Republik prägten Juden, Liberale und Linke das Kultur- und Nachtleben. Ab 1933 mussten viele Künstler, Schriftsteller, Journalisten und Verleger das Land verlassen. Durch Zensur und Arbeitsverbote entzog man der einstigen Boheme die Existenzgrundlage. Wer nicht ins Exil ging, wurde mundtot gemacht oder musste sich mit den neuen Machthabern arrangieren. Denn mit der Kultur ging es weiter, die hatte nur linientreu zu sein. Goebbels‘ Propagandamaschine baute die deutsche Filmindustrie im Zeichen des Hakenkreuzes um, der Volksempfänger sorgte für NS-freundliche Radio-Berieselung und in den Theatern kamen nur noch harmlose oder von der neuen Ideologie durchtränkte Stücke auf die Bühne.


Blick auf das Europahaus

Berlin im Dritten Reich: Das Europahaus in der Stresemannstraße, 1933. Foto: Imago/Arkivi
Das Europahaus in der Stresemannstraße, 1933. Foto: Imago/Arkivi

Das moderne Bürohaus in der Kreuzberger Stresemannstraße unweit des Anhalter Bahnhofs, gilt als ein Musterbeispiel für den Baustil der Neuen Sachlichkeit. Errichtet wurde es 1931 nach den Plänen der Berliner Architekten Bielenberg und Moser. Besondere Aufmerksamkeit bekam es durch die moderne Leuchtreklame der Allianz-Versicherungen. Das Foto entstand um 1933, besonders interessant ist hier die Werbung der liberalen „Vossischen Zeitung“ an der Fassade des Nachbarhauses. Die einst sehr beliebte Tageszeitung musste 1934 aufgrund des politischen Drucks durch den NS-Staat den Betrieb einstellen.


Unter den Linden im faschistischen Festschmuck

Hakenkreuze und Reichsadler, Unter den Linden im Festschmuck, 1936. Foto: Imago/Arkivi
Hakenkreuze und Reichsadler, Unter den Linden im Festschmuck, 1936. Foto: Imago/Arkivi

Die Inszenierung der nationalsozialistischen Politik zeigt sich bis heute in Leni Riefenstahls Dokumentarfilmen „Olympia“ und „Triumph des Willens“. Massenaufmärsche, spektakuläre Lichtarchitektur, martialische Formensprache und die omnipräsenten Hakenkreuze vermischen sich bei der umstrittenen Regisseurin zu einem faszinierenden und zugleich verstörenden Bild. In den 1930er-Jahren gehörten solche Inszenierungen zum Alltag der Berliner, wie dieses Bild des „festlich geschmückten“ Prachtboulevards Unter den Linden zeigt. Dagegen wirken heutige Stadtilluminationen wie das „Festival of Lights“ wie ein harmloser Kindergeburtstag.


Der alltägliche Antisemitismus

"Deutsche! Kauft nicht bei Juden!" – Antisemitismus gehörte zum Alltag in Berlin im Dritten Reich, 1933. Foto: Imago/Photo12/Photosvintages
„Deutsche! Kauft nicht bei Juden!“ – Antisemitismus gehörte zum Alltag in Berlin im Dritten Reich, 1933. Foto: Imago/Photo12/Photosvintages

Der Hass auf Juden durchdrang jeden Kiez. Jüdische Geschäfte wurden mit Hakenkreuzen beschmiert, boykottiert und später zur Schließung gezwungen. Wohlhabende Juden mussten ihre Häuser und Wohnungen aufgeben, ihr Eigentum hat man „arisiert“. Die Situation gipfelte in der so genannten „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938, als es zu staatlich organisierten Gewaltmaßnahmen gegen das jüdische Leben in Berlin kam. In jener Nacht wurden Dutzende Juden ermordet, hunderte Läden, Wohnungen und Synagogen zerstört und Friedhöfe geschändet.


Die aktuelle Mode

Schaufensterpuppen präsentieren die aktuelle Mode in einem Berliner Kaufhaus, 1935. Foto: Imago/Sammlung Rolf Poss
Schaufensterpuppen präsentieren die aktuelle Mode in einem Berliner Kaufhaus, 1935. Foto: Imago/Sammlung Rolf Poss

Jenseits von Hass, Terror und Gewalt ging das Leben in Berlin aber auch „normal“ weiter. Zumindest für den nicht-jüdischen Teile er Bevölkerung, der sich mit den neuen Machthabern mehr oder weniger arrangierte. Die Aufnahme aus dem Jahr 1935 zeigt die Präsentation einer aktuellen Modekollektion in einem Berliner Kaufhaus. Offenbar gab es für einige Berlinerinnen damals noch Anlässe, sich mit einem schicken Abendkleid auszustatten.


Mit Hakenkreuzfähnchen auf den Führer warten

Berlin im Dritten Reich: NSDAP Reichsparteitag – Frauen mit Hakenkreuzfähnchen stehen am Fenster und warten, dass der Führertross vorbeikommt, 1935. Foto: Imago/Horst Müller
NSDAP Reichsparteitag – Frauen mit Hakenkreuzfähnchen stehen am Fenster und warten, dass der Führertross vorbeikommt, 1935. Foto: Imago/Horst Müller

Der Legende nach waren es Frauen, die in Deutschland erst 1918 das Wahlrecht erhalten haben, die bei den Reichstagswahlen im November 1932 Hitler und der NSDAP zum Sieg verholfen haben sollen. Heute wird die Theorie zwar von einigen Historikern angezweifelt. Doch bei dem Reichsparteitag der Nazis im Sommer 1935 waren zumindest diese Berliner Damen vom GröFaZ und seinen braunen Kumpanen schwer begeistert und jubelten dem vorbeiziehendem Führertross mit Hakenkreuzfähnchen zu.


Die Olympischen Spiele

Vorgegaukelte Normalität: Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Foto: Imago/Erich Andres/United Archives
Vorgegaukelte Normalität: Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Foto: Imago/Erich Andres/United Archives

Berlin im Jahre 1936. Hitler ist an der Macht und inszeniert die Olympischen Spiele zu einem Fest des Nationalsozialismus. Ein teutonisches Spektakel, dass die Überlegenheit der weißen Rasse und des deutschen Volkes propagieren soll. Trotz der offen antisemitischen Politik der NSDAP nehmen Athleten aus aller Welt an dem sportlichen Großereignis teil. Ein US-Athlet wird zum Star in Berlin: Jesse Owens. Sehr zur Verärgerung des Führers, da dieser Schwarz ist und so gar nicht ins Herrenmenschen-Arier-Konzept der braunen Bonzen passen will. Owens pfeift auf die Nazis und holt vier Gold-Medaillen, unter anderem in der Königsdisziplin, dem Sprint über 100 Meter.


Berlin im Dritten Reich: Ende des Alltags

Berlin im Dritten Reich: Im September 1939 endet der "normale" Alltag on Berlin. Foto: Imago/ZUMA/Keystone
Im September 1939 endet der „normale“ Alltag on Berlin. Foto: Imago/ZUMA/Keystone

Im Herbst 1939 endete der „normale“ Alltag für die Berliner und die Berlinerinnen. Oder zumindest das, was man in den Jahren 1933 bis 1939 unter Alltag verstand. Deutschland griff am 1. September 1939 Polen an und löste damit den Zweiten Weltkrieg aus, eine Katastrophe von bisher nie da gewesenem Ausmaß, die schätzungsweise 80 Millionen Opfer forderte und deren Auswirkungen bis heute nachhallen. Eine Katastrophe, die von Berlin ausging.


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