Berlin verstehen

Berlin in den 1970er-Jahren: Pop, Plastik und Politik

Die 1970er-Jahre in Berlin waren eine besondere Zeit. Auf die revolutionäre Stimmung der 1960er-Jahre folgte ein buntes, hedonistisches Jahrzehnt. Alles war in knalligen Farben gehalten, Männer trugen ganz selbstverständlich lange Haare, und Disco war Konsens.

Schrille Farben und seichte Sounds gaben den Ton an. In West-Berlin wurden die U-Bahnhöfe neu gestaltet, im Ostteil der Stadt feierte die sozialistische Jugend bei den Weltfestspielen, „Krieg der Sterne“ lief im Westen in den Kinos, und Tennis Borussia Berlin spielte erstklassig. Diese 12 schrillen Fotos zeigen, wie bunt Berlin in den 1970er-Jahren war.


Signalrot am U-Bahnhof Fehrbelliner Platz

Der U-Bahnhof Fehrbelliner Platz, 1971. Foto: Imago/Serienlicht
Der U-Bahnhof Fehrbelliner Platz, 1971. Foto: Imago/Serienlicht

Feuerwehrrot stehen das Eingangsgebäude der U-Bahnstation und der Eingang zur einfachen Treppe in den Untergrund am Fehrbelliner Platz gegen die sie umgebende NS-Architektur. Die runden Formen des Eingangsgebäudes bilden einen starken Kontrast zu den restlichen Gebäuden am Platz.

Innerhalb des Gebäudes erleuchten oben Deckenlampen den Raum, orange und zylinderförmig – auch hier blieb Rümmler bei den runden Formen, die den U-Bahnhof Fehrbelliner Platz prägen. Eigentlich gab es noch mehr runde und rote Akzente im Bahnhof: Der Architekt Rainer Rümmler hatte abgerundete Sitznischen in die Wände einlassen lassen. Die BVG hat diese allerdings inzwischen entfernt.


Lilabunt am Kottbuser Tor

Kottbusser Tor mit dem Neuen Kreuzberger Zentrum und der Überbrückung der Adalbertstraße, 1974. Foto: Imago/Serienlicht
Kottbusser Tor mit dem Neuen Kreuzberger Zentrum und der Überbrückung der Adalbertstraße, 1974. Foto: Imago/Serienlicht

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Ein schrilles Lila, das in den Augen weh tut. Dazu der gelbe VW-Bus und Werbung für Afri-Cola und Bluna. Die Überbrückung über der Adalbertstraße ist hier in poppig bunte Farben getaucht. Mehr 1970er-Jahre in Berlin als damals im Herzen von Kreuzberg geht wohl kaum.

Das Areal rund ums Kottbusser Tor wurde massiv umgestaltet. Die Verwaltung tüftelte an neuen Verkehrskonzepten herum, die den PKW-Verkehr in den Mittelpunkt stellten. Ein Autobahnzubringer sollte bis zum Oranienplatz führen. Das haben die Hausbesetzer und andere Kreuzberger Aktivisten verhindert.


Revolutionäres Rot am 1. Mai 1977

Teilnehmer der offiziellen Parade zum 1. Mai in Ost-Berlin, 1977. Foto: Imago/Sven Simon
Teilnehmer der offiziellen Parade zum 1. Mai in Ost-Berlin, 1977. Foto: Imago/Sven Simon

Der 1. Mai in Berlin hat eine mehr als wechselvolle Geschichte. Nach dem Krieg instrumentalisierte das von Moskau gesteuerte DDR-Regime auf Ost-Berliner Seite den Tag für Propagandazwecke. In den frühen 1950er-Jahren marschierten die Demonstrationen unter riesigen Porträts von Stalin und Pieck. Später feierte die sozialistische Jugend im Blauhemd und unter rotem Stern das internationale Proletariat.


Sternenkrieg im Royal Palast

Der Royal Palast am Europa Center, um 1979. Foto: Imago/Serienlicht
Der Royal Palast am Europa Center, um 1979. Foto: Imago/Serienlicht

Der Royal Palast war einst mal das größte und modernste Kino in West-Berlin. Anfang der 2000er-Jahre ging das Haus mit der gewaltigen Leinwand pleite. Die ganze Ära der Ku’Damm-Kinos endete. Marmorhaus, Filmbühne Wien und Gloria Palast existieren schon lange nicht mehr. Nur der Zoo Plast ist geblieben.

Das Bild aus den späten 1970er-Jahren zeigt den Royal Palast in voller Blüte. Im Kino läuft „Krieg der Sterne“, wie der erste „Star Wars“-Film damals hieß. Der Blockbuster markierte den Beginn eines weltumspannenden Pop-Phänomens. Überhaupt gehörte Science-Fiction zu den 1970er-Jahren dazu.


Billig tanken in West-Berlin

Ein Liter Super für 91 Pfennige. West-Berliner Tankstelle, ca. 1978. Foto: Imago/Serienlicht
Ein Liter Super für 91 Pfennige. West-Berliner Tankstelle, ca. 1978. Foto: Imago/Serienlicht

Freie Fahrt für freie Bürger. Das Motto galt noch in den 1970er-Jahren in Berlin. Im Westen wurde bereits in den 1960ern die Straßenbahn abgewickelt, man baute verstärkt die innerstädtischen Autobahnen aus und der Sprit kostete 91 Pfennig pro Liter. Verbleit 83 Pfennig. Die Ölkrise von 1973 war 1978 schon wieder vergessen, die zweite Ölkrise von 1979/80 sollte erst kommen.


Orangegelbe Betriebsfeier im Bowling Zentrum am Alexanderplatz

Betriebsfeier im Bowling Zentrum VE Gaststätten- und Hotelorganisation Berolina, 1974.  Foto: Imago/Werner Schulze
Betriebsfeier im Bowling Zentrum VE Gaststätten- und Hotelorganisation Berolina, 1974. Foto: Imago/Werner Schulze

Die Mode in den 1970er-Jahren war nicht nur in Berlin schrill. Signalfarben wie Orange, Rot und Gelb hatten Vorrang. Das einheitliche Grauschwarz von heute wäre den Leuten damals viel zu trist gewesen. Hier nimmt eine Mitarbeiterin der Brigade des 7. Parteitags des VEB Plastikwerk Berlin Anlauf. Schon 1974 konnte man am Berliner Alexanderplatz Bowling spielen. So sah es aus, wenn sich Pop und Sozialismus trafen. Berlin Alexanderplatz: Fotografische Zeitreise ins turbulente Zentrum der Stadt.


Jeans und Bikini beim Nationalen Jugendfestival in Ost-Berlin

Nationales Jugendfestival in Ost-Berlin im Juni 1979. Foto: Imago/SMID
Nationales Jugendfestival in Ost-Berlin im Juni 1979. Foto: Imago/SMID

Jugendliche Teilnehmer des Festivals an den Verpflegungsständen vor dem Alten Museum auf der Museumsinsel, anlässlich des Nationalen Jugendfestivals in Ost-Berlin im Juni 1979. In der Hauptstadt der DDR setzte man in den 1970er-Jahren auf Großveranstaltungen für den Nachwuchs. Man wollte eine neue sozialistische Jugend heranziehen. Wie die aussehen sollte? Blauhemd runter und mit Jeans und Bikini-Oberteil unter Hammer und Zirkel schlendern.


Lila-Weiß! Tennis Borussia Berlin spielte erstklassig

Franz Beckenbauer (FC Bayern München) und Karl Heinz Schnellinger (Tennis Borussia Berlin), 1975. Foto: Imago/WEREK
Franz Beckenbauer (FC Bayern München) und Karl Heinz Schnellinger (Tennis Borussia Berlin), 1975. Foto: Imago/WEREK

Heute spielt der Traditionsverein Tennis Borussia Berlin in der Regionalliga Nordost, das ist die 4. Spielklasse. Das war mal anders. In den 1970er-Jahren spielte TeBe durchgängig in der zweiten Liga mit der Ausnahme der Spielzeiten 1974/75 und 1976/77, da waren die Lila-Weißen gar erstklassig. Hier trafen sie auf die schon damals die Bundesliga dominierenden Bayern.


Entspannter Pop-Konsum in der DDR

Werbeaufnahme für den Radiorecorder Babett KTR 430 des VEB RFT Sternradio Berlin, 1979. Foto: Imago/Frank Sorge
Werbeaufnahme für den Radiorecorder Babett KTR 430 des VEB RFT Sternradio Berlin, 1979. Foto: Imago/Frank Sorge

Die fröhliche Jugend versammelt sich beim gemeinsamen Campingausflug um den tragbaren Radiorecorder Babett KTR 430 des VEB RFT Sternradio Berlin. Auch in der DDR wollte man dem Westen mit seinen konsumkapitalistischen Verlockungen nicht nachstehen und drehte Werbespots für Produkte aus der volkseigenen Herstellung. Dass es die oft in den Läden gar nicht gab, war dann eine andere Geschichte. Viele DDR-Produkte entwarf Erich John: 12 Designs von Erika bis Weltzeituhr.


Glam bei den Weltfestspielen der Jugend

Gruppe WIR bei einem Konzert auf dem Berliner Alexanderplatz anlässlich der Weltfestspiele der Jugend und Studenten, 1973. Foto: Imago/Gueffroy
Gruppe WIR bei einem Konzert auf dem Berliner Alexanderplatz anlässlich der Weltfestspiele der Jugend und Studenten, 1973. Foto: Imago/Gueffroy

Die 1970er waren die Ära von Disco, glamouröse Bands wie Abba und die Bee Gees sorgten für die Hits. Geschmeidig sollte der Sound in die Beine gehen und spätestens seit John Travolta die Hüften in „Saturday Night Fever“ schwang, wollte die ganze Welt nur noch tanzen.

Auch die Outfits der Bands, wie hier der DDR-Band WIR, wurden immer skurriler. Männer und Frauen staffierten sich wie Pfauen aus, man hatte Glitter im Gesicht und Konfetti im Haar. Früher war eben doch mehr Lametta! Etwa 1973 bei den Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Ost-Berlin.


Kindheit in der geteilten Stadt: Spielplatz einer Ost-Berliner Kita

Kindergartenkinder spielen auf einem Spielplatz, 1976. Foto: Imago/Frank Sorge
Kindergartenkinder spielen auf einem Spielplatz, 1976. Foto: Imago/Frank Sorge

Froh zu sein war in den 1970er-Jahren nicht so schwierig. Ein Klettergerüst, an dem so viele belustigte Kinder gleichzeitig hängen, müsste man heute lange suchen. Um vier seid ihr zuhause, dann gibt es Essen! So sah die Kindheit im geteilten Berlin aus.


Das Ende der 1970er-Jahre

Willy Brandt (SPD) spricht auf dem Parteitag in Berlin, Dezember 1979. Foto: Imago/Bonn-Sequenz
Willy Brandt (SPD) spricht auf dem Parteitag in Berlin, Dezember 1979. Foto: Imago/Bonn-Sequenz

Die bunten 1970er-Jahre endeten mit einer tristen Grundstimmung. Die Punk-Explosion löste mit der No-Future-Parole die lustige Discozeit ab. Die RAF sorgte für einen bleiernen Herbst, und die Anti-AKW-Bewegung zeichnete ebenfalls ein düsteres Bild der Zukunft und in Kreuzberg radikalisierten sich die Hausbesetzer.

Der politische Hoffnungsträger Willy Brandt (Foto) stürzte schon 1974 als Bundeskanzler. Nach seinem sozialdemokratischen Nachfolger Helmut Schmidt übernahm 1982 der CDU-Mann Helmut Kohl die Kanzlerschaft und krempelte in den 1980er-Jahren die Bundesrepublik um. Spätestens dann endeten die bunten 1970er-Jahre.


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